Eine exquisite Explosion

KNALL-BUMM-PENG!
(Für den kreativen Leser: Bitte hier etwaige Formulierungen einfügen, die eine Explosion schmackhaft in Worte fassen.)


Ivy hätte sich ohrfeigen können. Aber da stand sie – natürlich die Ruhe selbst – inmitten des pechschwarzen Kraters der sich in den Erdboden gebrannt hatte wie das wahrhaftige Tor zur Unterwelt. Es stank nach Ruß, verbrannter Erde und auch die Note etwas ekelhaft Würzigem schlich sich in das Rauchgemisch – der Duft nach verbrannter Haut.
„Numero dreiundvierzig.“, brummte sie tonlos und tastete nach der schmerzenden Stelle an ihrer linken Schulter. In letzter Zeit war ihre Ausbeute an Narben besonders gestiegen, stellte sie gedanklich fest und begann an der Brandwunde herumzufummeln. Es war lediglich eine Verbrennung ersten Grades, doch war die Stärke der Schmerzen damit nicht unbedingt gleichzusetzen.
Früher, in der Mine wäre Ivy vorsichtiger mit offener Haut gewesen - die Infektionsgefahr durch verschmutzte Erde, unhygienische Arbeitsgeräte oder die pure Allgegenwärtigkeit der Schaufler war Grund genug für paranoide Gesundheitsmaßnahmen. Seit ihr Weg sie nach Götterfels, in die glamouröse Stadt der Menschen befördert hatte, hatte sie einiges in der Hinsicht schleifen lassen – auch was die Sicherheit bei ihren mechanischen Arbeiten betraf.


Ein abgerissener Fingernagel? – Verband? Pft. Die linke Hand tut’s auch.
Ein offenes Knie? – Wer sagt, dass man zum Arbeiten stehen muss?!
Ein Metallsplitter im Auge? – Wozu gibt’s denn diese modischen Augenklappen?


Trotzdem: Die Wunde schmerzte, brannte zumindest im übertragenen Sinn wie das Feuer, dem sie das Massaker zu verdanken hatte.
„Weichei.“, knurrte die Ingenieurin sich selbst zu und erhob sich aus dem stinkenden Krater. Einen Augenblick begutachtete sie die Umgebung. Ivy hatte den Mord an etwa einem Quadratmeter Gras zu verantworten, das sich um die Explosionsstelle verbrannt vom Boden abhob, mehr hatte sie dem großen Schaufler sei Dank nicht auf dem Gewissen. Hoffte sie zumindest.
Das Stückchen Natur im Königintal war weit genug von Götterfels weg, als dass eine ernsthafte Gefahr für die Bewohner bestanden hätte. Das hatten genaueste Berechnungen ergeben – Ivy besaß eine spezielle Vorlage dafür, eigens entwickelt, die den liebevollen Namen „Katastrophenformel“ trug.
Wären weitere, unglückliche Gegebenheiten während des Experiments zu Tragen gekommen, hätte der Explosionsradius nach dieser Formel maximal die ersten Häuser Shaemoors erreicht, und die Bewohner des verkorksten Dörfchens konnte sie sowieso nicht leiden.
Ein weiterer Grund für die Abgelegenheit des Fleckchens war der offensichtlichste: Strafverfolgung. Auch damit hatte sie – trotz der vergangenen Seraphenkarriere – durchaus schon Erfahrung gemacht.
Ärgerlich war es dennoch. Sie bückte sich nach einem kleinen Metallzylinder, der das fehlgeschlagene Experiment überlebt hatte und hielt ihn gegen die untergehende Sonne. Zwischen all dem Ruß, den schwarzen Ablagerungen glänzte er nach wie vor und war im Grunde unbeschädigt geblieben. Ivy murrte fluchend vor sich hin und schob ihn in eine der unzähligen Taschen ihres Mantels, der eine Reinigung sicher nötig gehabt hätte – vor fünf Jahren. Inzwischen war er so eingetragen und schmutzig, dass eine Trennung von Trägerin und Kleidungsstück sicher nur mit einem scharfen Werkzeug möglich gewesen wäre. Wie die Wurst aus der Pelle. Darüber hatte sie sich schon einige Kommentare anhören dürfen, aber Ivy war nicht der Typ, anderen die Meinung über die Unwichtigkeit von Körperpflege unter die Nase zu reiben. Sie hielt zu viel davon, als dass sie anderen das bloße Verständnis der eigenen Denkweisen, Moralvorstellungen und Intelligenz zugemutet hätte.
Da war sie wirklich bescheiden.


„He, Idiot.“


Ivy blinzelte. Sie hatte den Kopf nach wie vor Richtung Sonne gedreht und war sich nicht sicher, wie sie die forsche Stimme zu deuten hatte. Idiot? Nicht sehr originiell, wie sie fand.


„Ja, du. Ist dir eigentlich klar, dass dieses Feld hier Privateigentum ist?“, zeterte der Unbekannte weiter.


Ivy trat einen Schritt zur Seite, und blinzelte erneut. Die Umrisse des Motzenden waren klein, ein Kind? Nein, eher ein Asura. Die Sonne verschwand hinter dem Geäst eines nahen Baumes.
„Huh, sowas.“, brummte sie. Bevor der Asura etwas auf diesen frechen Kommentar erwidern konnte, hatte Ivy einen ungelenken Satz aus dem flachen Krater gemacht und sich bis auf wenige Zentimeter genähert.
„Wie heißt’e?“, murrt sie ihm zu. Der Asura schnaufte auf, zögerte aber. Viel zu fasziniert war er von Ivys Visage, als dass ihm darauf die passende Antwort eingefallen wäre. Dabei spielten nicht die durchschnittlichen Gesichtszüge oder der Dreck an Schläfen und dem kleinen Mund eine Rolle, sondern vielmehr die Konstruktion über dem linken Auge der Ingenieurin. Das Gestell war wohl einst goldfarben gewesen, nun war es bräunlich, zog sich kreisförmig wie ein Rahmen um eine linsenartige Beschichtung direkt über dem Augapfel. Es erinnerte an ein komplexes Monokel, mit diversen seltsamen Zahnrädchen an den Seiten, einem Druckknopf und der enormen Größe des Apparats. Zudem surrte das Gerät und schien sich, wie von selbst zu bewegen.


„Ah.“, brummte Ivy in ihrer ganz eigenen, rauen Tonlage.
„Ich seh schon. Du bist … A-r-i-l-o, stimmt’s?“, kam es, ohne dem Asura weitere Zeit für eine Antwort zu lassen. Diese Aussage trug nicht sonderlich dazu bei, dass der Kleine gesprächiger wurde. Hatte er Angst? Wieso kannte eine Wildfremde seinen Namen? Das Gerät schnurrte wie eine Katze, immer weiter, bis Ivy an einem kleinen Rädchen an der Seite drehte. Sie zwinkerte ihm zu. „Na dann geh‘ ich besser. Aber ihr solltet wirklich mehr darauf achten, euer Gras besser zu wässern.“ Sie nickte gen der gelben, trostlosen Stümmel rund um den Krater.
„Sieht gar nicht gesund aus.“
Damit war sie fort – zurück blieb nur der arme Arilo nebst der äußerst hässlichen, verkohlten Grube.

Kommentare 7

  • Aus so einem Loch im Boden lässt sich gut ein kleiner modischer Teich anlegen, oder ein Panicroom für Asura!

    • Ich bin mir sicher, dass der Kleine Ideen für die Landschaftsgestaltung gern entgegennimmt! :P

    • Erleben wir dann bald die Entstehung von "Ivy Architektur Gmbh - Wir lassen Häuser mit TnT entstehten" ?

    • Hör' doch auf mich für dämliche Geschichten zu inspirieren. Im Herzen ist Ivy eben eine Architektin ... <3

    • Erinnert mich an Minecraftzeiten, als wir mit TNT die Tiefsee erschaffen haben. :o

    • Man könnte eine Poolparty veranstalten!