Gelber Hase, rote Gans

Safran. Er liebte die zarten, roten Fäden, die wie schwerelos durch seine Finger glitten. Diese Pflanze war so vielseitig wie sonst nur wenige. Sie war exklusiv und trug mehr Masken als er selber. Zumindest bildete er sich das gerne ein in solchen Momenten, in denen er alleine mit sich und seinen Gedanken, seinen Spielereien und seiner Selbst war.
Safran. Dieses Knollengewächs trug nicht ohne Grund die Farben der Vielgesichtigen. Sie musste es Melandru noch aus dem Schoße gestohlen und heimlich geküsst haben, ehe Dwayna es in ihrem Licht erstarken ließ und es unter Mutters wachsamen Augen seine Wurzeln schlug.


Behutsam, so als hielte er ein vergängliches Seidengeflech, drehte er die Krokusknolle zwischen seinen schwieligen Kuppen. Er betrachtete, studierte sie von allen Seiten, bevor er sie schlussendlich in die warmfeuchte Erde steckte, die er für die Bepflanzung vorbereitet hatte. Fürsorglich bedeckte er den kleinen Schatz mit dem dunklen Mutterboden, versetzt mit zerstampfter Eierschale und einer Prise Kaffeesatz, ehe er sich der nächsten falschen Zwiebel widmete und auf eine ganz ähnliche Weise mit ihr verfuhr. In den kommenden Tagen, Wochen, Monaten (er liebte diese Art der Aufzählung aus niedersten Gründen und grinste ein jedes Mal, wenn er die Worte in Gedanken aneinander reihte) würden die kleinen Tontöpfe viel weniger Aufmerksamkeit bedürfen als die anderen Vertreter der blühenden Art in diesem Haus aus Glas, dessen Türe er neuerdings mit einem dicken Schloss versperrt hielt. Welch Ironie...Er gab sich einen Moment dem Nachsinnen hin. Spazierte auf den erschreckend wenig verwobenen Pfaden seines Verstandes auf und ab, bis das Geräusch kleiner, nackter Füße, die auf bloßen Stein patschten, ihn aus dem wohl definierten Kreis seiner Privatsphäre rissen und ihn dazu brachten die Hände in einen der nahe stehenden Wassereimer zu tauchen. Dem auffordernden Blick der unschuldigen Kinderaugen mochte er sich am Ende nicht mehr erwehren, als sie ihn ganz wortlos dazu aufforderten von seinem Thron zu steigen und sie selber darauf zu setzen. Die Leitung abzutreten und sie in all ihrer Herrlichkeit zur Königin der Welt zu machen. Das kleine Mädchen konnte nicht wissen, dass sie ihn längst schon und noch vor ihrer Geburt in die Knie gezwungen hatte. Während der Hase mit seinem brabbelnden Häschen den gläsernen Bau verließ, öffnete sich ungesehen in seinem Rücken der Perigon der ersten Magnolienblüte an diesem Tage.


Safran. Diese Pflanze hatte absolut keinerlei Anziehung auf mich. Eine Droge. Ein Gift. Ein Genussmittel. Es war mir unbegreiflich wie die Leute sich freiwillig an etwas derartigem auf diese Weise ergötzen konnten, das am Ende schlicht in der Lage war Wasser gelb zu färben. Das war in meinen Augen nun wirklich nichts besonderes. Wenn ich wollte, aber ich wollte nicht, dann konnte ich das in gewissen Abständen auch für die Leute tun und es noch handwarm und in praktische, kleine Flakons abgefüllt an die gierige Masse verteilen. Das Aroma schließlich, das hatte ich gelernt, war das kostbarste an der ganzen Geschichte.


Missmutig betrachtete ich den Inhalt des goldbeborteten Säckleins in meinen Fingern, das ich erst am Vorabend erstanden hatte. Geschenkt bekommen hatten, denn es war mir am Ende nicht einmal einen müden Kupferling wert gewesen und die Wahl meiner Garderobe hatte sich ausgezahlt. Nicht dass ich damit nicht gerechnet hätte. Jemand wie ich bezahlte nicht für die Güter, die er haben wollte. Schon aus Prinzip nicht.
Der liebe, blonde Junge, die zweiseitige Münze in meinen Fingern, hatte mir viel zu viel gegeben. Eigentlich hatte ich ihn ja gestern schon fragen wollen ob er wirklich nicht über diese kleinen Streben Bescheid wusste, oder ob er in Anwesenheit eines Kunden nur nicht darüber sprechen wollte. Safran als nicht giftig zu bezeichnen....es war grob fahrlässig. Ich fand es grandios. Selten war ich einfacher an eine so große Menge potenziell tödliche Substanz gelang. Die Zukunft würde zeigen ob er ein Schwätzer oder tatsächlich jemand war, der es verdient hatte mein Vertrauen zu erlangen. Vertrauen. Dieses Wort war so verräterisch wie Ebers Kohlestrich oder Addisons falsches Lächeln. Ich nahm mir vor es in Zukunft aus meinem Wortschatz zu streichen.

Kommentare 6

  • Ich habe deine Tiergeschichten immer mit ganz gefährlichem Halbwissen gelesen, aber die hier habe ich kapiert. Glaub ich.

  • Man muss die Gans einfach lieben. Mhm.

  • Also hat ein Miniaturhase einen Schwan hinsichtlich toxikologischer Ergüsse abgelöst, oder ist das nur ein absonderlicher Vorfall? Bei der Wandermenagerie an Zoo- und Stalltieren verliert man noch den Überblick =)

  • Soso!
    Der Safti dachte schon, es wäre eine Geschichte über ihn und ist jetzt beleidigt ;)