Schach

Stahlgraue Augen blickten ihm entgegen, trugen in sich einen stummen Vorwurf, der keinerlei verbale Äußerung benötigte um in der eigenen Brust zu schmerzen. Lucius drehte den Kopf bei Seite, damit er dem stechenden Blick entgehen konnte. Doch das Räuspern seines Gegenübers zog den Blick des Löwensteiners zurück.
“Was? Rückgängig machen kann ich es nicht.“ Sein Gegenüber hob die inzwischen ergrauten Brauen, als sich dazu die Lippen des alten Mannes fester aufeinander legten. Noch immer kein Wort, seit sie hier saßen und das nun schon fast die ganze Nacht.
“Ist es das also? Du redest nicht mehr mit mir? Weil ich sie geküsst habe? Bei Grenth, Vater! Es gibt weit größere Sünden im Reich des Prinzen, als so ein bedeu-“ “Lucius!!“, harsch schlug die raue, bärige Stimme des Alten ihm entgegen. “Wage dich ruhig selbst zu belügen, aber vor mir sprichst du solch Unwahrheit nicht! Bedeutungslos? Wenn es das war, ist es nur noch schlimmer.“ Endlich Worte des Alten, auch wenn sie schmerzten. Aber immerhin sprach er. “Wo bist du mit deinem Kopf? Habe ich dich so erzogen?“ “Nein...“, kam die ruhige Antwort. “ Habe ich dich zu so einem Mann gemacht, der mit Frauenherzen jongliert und wohl nicht nur damit.“ Die Worte seines Vaters ließen Luc ausschnauben. “Lass deine verächtlichen Schnauber Junge. Bist du so ein Tor? Wirklich? Dann habe ich mich in dir getäuscht.“ Andrew wandte nun seinerseits den Blick ab, welcher gefüllt mit Enttäuschung war. “ Pa... ehrlich. Du weißt das ich nicht kann. Es ist nicht so einfach. Ich muss mich um so viel kümmern und das nimmt alles Zeit in Anspruch. Ich bin kein guter Geschäftsmann. Ich bin Soldat.“ “Bist du nicht Lucius. Du bist ein Idiot. Ein viel größerer, als es dein Vater war. Denn der stand jedenfalls immer zu deiner Mutter.“ Worte, so scharf wie gesplittertes Eis ließen den Löwensteiner einen Moment das Atmen vergessen. Warum fühlte er sich immer wieder wie ein kleiner Junge, wenn er mit seinem Ziehvater sprach? Warum wusste der alte Mann immer so gut Bescheid? “Liebst du sie?“, fragte der Alte, der nun inzwischen vor seinem Adoptivsohn stand. “Hmm.“ “Was ist hmm bitte für eine Antwort, Lucius? Liebst du sie? Wenn ja, klär es mit ihr. Liebst du sie nicht, dann kläre es endlich mit ihr.“ Lucius blickte zu seinem Vater hinauf, dessen Augen in Schein des Feuers unnatürlich flackerten. “Seh mich nicht so an mein Junge. Ich habe meine Frau schon lange verloren. Aber sie so zu behandeln, wie du es tust, hätte ich mich nicht getraut. Du kannst froh sein, dass sie ein Reh und keine Furie ist. Sonst wärs um dein hübsches Gesicht sicher schon geschehen.“ Neckend tätschelte Andrew seinem Jungen die Wange.


“Und jetzt lass uns spielen. Du brauchst eine Lektion.“


Am Morgen stand das Schachspiel im fahlen Licht der aufgehenden Sonne. Kleine Staubflocken tanzten um den gefallenen König herum, bis sie ihm Ruhe schenkten und sich auf ihm nieder ließen.

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