Aus dem Schatten treten
Hektik herrschte auf der „Baron“, als es endlich hieß „Amnoon in Sicht!“. Alexa bewachte die Maschinen und alles andere auf der Kontrollstation, während Evan das Schiff langsam und mit viel Feingefühl in die Bucht steuerte. Ein freies Plätzchen am Strand hatte er sich wohl rausgesucht, wollte den alten Kahn nicht direkt im Hafen landen. Sie wusste nicht, ob es daran lag, dass sie dort anderen, normalen Segelschiffen in die Quere kamen, oder weil er sich schlicht die Hafengebühren sparen wollte. Jedenfalls kamen sie langsam runter, hatten den Sinkflug schon vor ein paar Minuten eingeleitet. Und dann – Stillstand. Das Schiff hielt in der Luft an und blieb an der auserkorenen Position stehen.
Nun gab es kein Halten mehr, jeder wollte nur noch runter von dem Schiff. Es regnete sogar Sylvari, die sich bei dem Sprung aus knapp 20 Meter zum Glück nicht sämtliche Blättchen brachen. Nach der ersten Freude kam dann aber die Ernüchterung auf – wie kommt man aus der Höhe vom Schiff runter? Auch hier wusste Evan die Lösung – sie mussten es verteuen und noch ein Stück weit runterziehen. Und während Alexa noch damit beschäftigt war, die Maschinen abzuschalten, trommelte der Rotschopf wohl schon alle zusammen. Von dem Streit der unter ihr brodelte, von einer traurigen, wütenden Yvvin, bekam sie nicht viel mit.
Sie war im Moment mit den ganzen Hebeln, Schaltern und Anzeigen beschäftigt, fühlte sich wohl eher wie eine Technikerin, Navigatorin oder gar als Hilfskapitän. Ihr was es gerade recht, immerhin lenkte es sie ab. Von der Sorge die sie selbst hatte wegen der Folgen, die ihre Offenbarung vor der Truppe wohl nach sich ziehen würden. Vor den Worten, die sie wohl bald zu Mie sagen müsste. Ich habe mir freiwillig die Maske abgenommen. Sie hatte in den letzten Tagen oft daran gedacht. Doch jedes Mal kam sie zu der Erkenntnis, dass sie es wohl jederzeit wieder tun würde. Egal ob man ihr Skepsis, Besorgnis, Freude oder gar offenen Hass entgegen brachte. Jeder in der Truppe hatte irgendwie recht mit dem, was er oder sie fühlte. Trotzdem war ihre Familie gewachsen. Sie hatten sie doch irgendwie alle liebgewonnen, auf die eine oder andere Weise. Und auch sie wollte weiterhin mit allen gen Löwenstein fliegen, obwohl zumindest immer noch ein Teil der Aisawa-Flotte in Amnoon vor Anker lag. Obwohl ihre eigentliche Herrin immer noch vor Ort war und sie sicher erwartete..
Schließlich gesellte sich Evan zu ihr, prüfte ob sie alles richtig runter gefahren und abgeschaltet hatte. Und das hatte sie wohl, denn auf dem Schiff war es still geworden. Außer einem Hilfsgenerator für das Licht waren die Maschinen aus. Der Antrieb ruhte, es knarzte, knatterte und ratterte nicht mehr beständig metallisch. Der Navigator gab ihr grünes Licht, die Kontrollkonsolen zu räumen und raus zu gehen. Sie folgte ihm. Unterwegs trafen sie auf Leza, die schon wieder so wirkte als wolle sie sich verstecken. „Kommst du mit?“ fragte Alexa vorsichtig, worauf Leza nur sagte sie müsse noch etwas erledigen. Also ging sie Evan nach. Am Bug des Luftschiffes angekommen herrschte heilloses Durcheinander. Andra hatte sich Sahrela, die immer noch nicht wirklich laufen konnte, umgebunden. Sie hatten Seile und Strickleitern runtergelassen. Minna war auch da, wirkte wohl ebenso ratlos wie Alexa.
„Geh‘ und hol‘ die anderen. Ich will nicht schon wieder alles alleine mit Avariss machen.“Wieder war es Evan, der die Kommandos gab. Alexa nickte: „Aye, aye, Kapitän“ - und ging damit wieder zurück, unter Deck.
Dort hockten Maven, Yvvin und Leza immer noch zusammen. Sie verlangte wohl ihre Kette zurück, die sie der kleinen Asura überlassen hatte, um ihre Genesung zu unterstützen. Maven hielt sie im Arm, die Kleine weinte bittere Tränen. Alexa kündigte sich durch vorsichtiges Klopfen an einem Metallteil an, sah dann zu den dreien ehe sie freundlich aber bestimmt ihre Stimme erhob: „He ihr, entschuldigt wenn ich grad‘ störe, aber Evan schickt mich, ich soll fragen ob uns wer beim Verteuen des Schiffes hilft.“
Sie sah alle drei an, Maven hatte gerade wohl nur Augen für die weinende Asura in seinen Armen. Leza hingegen.. schnaubte. „Der scheiß Mesmer mit seinen scheiß Portalen soll nicht so rumjammern. Der hat doch genug Hilfe!“ Die Ex-Detektivin.. seufzte nur. Sie war wieder sauer, ließ nicht mit sich reden, warum auch immer. Wahrscheinlich hatte es mit Yvvin zu tun, sonst würde die nicht weinen. Schließlich ein schlichtes Nicken. „Ich richt‘s ihm aus..“Damit drehte sie wieder ab, war schon auf dem Weg zurück nach oben, als Leza nachsetzte. „Ja, richt‘ ihm aus das ausgerechnet Ich das Seil halten soll und ein Fähnchen im Wind mime!Ich mach‘ das echt liebend gern!“Es waren nicht viele Worte, aber sie strotzten nur so vor Gift und Galle. Alexa stoppte abrupt. Irgendwo tief in ihr kochten die eigenen Gefühle hoch. Wut. Unverständnis. Ihr Sinn für Einigkeit und dafür, das alle füreinander da sein sollten. Sie drehte um. Ganz langsam. Ging wieder auf die kleine Gruppe zu, starrte aber beständig Leza an. Sie legte sich Worte zurecht. Scharfe Worte. Worte, die nicht böse klangen, die aber durchaus verletzen konnten. Schließlich standen sie sich gegenüber. „Was.. ist eigentlich los mit dir?“
Stille… dann brach es aus Leza hervor: „Ich bin es leid, überall mit anzupacken wo ich nur kann und am Ende zurück gelassen zu werden. Ich bin es leid, dass die Leute manipuliert werden wollen und ich dann dafür bestraft werde, wenn ich ihnen genau das gebe. Ich bin es leid, dass meine Opfer nicht gesehen werden. Nein, im Gegenteil: Es werden sogar noch mehr gefordert. Ihr wurdet gemeinsam geprüft, ich nicht. Ich habe mich den Wächtern alleine gestellt, um zu euch zu kommen. Ich war dort alleine und die einzige, die hier nicht wütend sein darf? Nein. Vorbei mit Entbehrung für euch.“Und dann trat die Priesterin, die der Tempel mit goldbrauner, langer Haarpracht gesegnet hatte, die Flucht an. Sie ging ihre Sachen zusammensammeln. Maven erhob sich derweil, hatte Yvvin weiterhin auf dem Arm. „Komm‘ ich bring‘ dich nach oben..“ beruhigte er die Kleine, sie tauschten ein stilles Nicken in gegenseitigem Respekt aus, ehe er hochging und Alexa dem anderen Sorgenkind nachstellte.
Sie hatte schon während Leza sprach kurz die Braue gehoben, hörte sich an was sie zu Sagen hatte.. und irgendwie bekam sie mit jedem Wort das Gefühl, etwas.. falsch gemacht zu haben. „Leza.. Leza warte.. ich..“ Sie seufzte. Ihr fehlten die passenden Worte. „Tut mir leid.. Du hast dich.. den Wächtern alleine gestellt? Ich.. Ich weiß davon gar nichts mehr. Ich.. weiß nur noch von dem Brunnen.. dann.. das ich gebrannt habe.. das ich.. gestorben bin. Und als ich aufwachte, war alles vorbei. Keine Ahnung was los war, verflucht! Ich hatte nur noch einen Satz im Kopf – Beichte nicht mir, beichte denen, die du betrogen hast. Ich.. ich habe meine Maske abgenommen. Das ist dir bewusst, oder? Wenn der Orden davon erfährt.. bin ich tot. Aber sowas von. Ansonsten.. geht es allen so. Es weiß niemand mehr etwas genaues. Nur das wir uns verändert haben. Auf die eine oder andere Weise.“
Noch während Alexa sprach, schulterte Leza ihren Rucksack, drehte anschließend den Kopf weit genug, dass sie über die Schulter zu Alexa blicken konnte. Vermutlich. Ihre Antwort fiel leiser aus, war gefährlich ruhig. „Ich weiß noch alles. Ich weiß, was sie mir abverlangt haben. Was sie eingefordert haben. Wo ich versagte und welche Strafen ich erhielt. Und dennoch, obwohl ich es besser wissen sollte, versuche ich zu helfen und verschwende mein bisschen Restzeit an jene, die mir nur ins Gesicht schlagen und vor die Füße spucken.“ Sie hatte ihren Stab ergriffen, umklammerte ihn fest und eisern, während Alexa weiterhin zuhörte.
„Restzeit? Von was? Von der Rückreise? Oder haben sie dich mit einem langsamen, schleichenden Tod bestraft? Du klingst so.. als wolltest du diesmal wirklich alles hinwerfen. Einfach nur, weil du es willst. Ist das der richtige Weg, Leza? Wir haben trotzdem so viel durchgestanden. Gemeinsam. Du und ich und wir alle zusammen. Das willst du nun mit den Füßen treten? Einfach.. abhauen? Danach sieht es nämlich gerade aus.“ Sie seufzt. Ihr Blick fällt auf den Stab, den geschulterten Rucksack.„Ich werde dich kaum aufhalten können. Aber ich will dir sagen, du bist mir wichtig geworden. So wie alle anderen hier auch. Jeder mit seinen Macken, seinen Eigenheiten. Seinen Stärken und auch Schwächen. Sie.. sie haben mir gezeigt, dass es mehr gibt, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Ich habe mir die Maske abgenommen, ja. Aber wenn.. ich die Sache überlebe, möchte ich trotzdem beim Orden bleiben. Ich will offen auftreten. Für den Pakt arbeiten. Für Tyria. Und auch für dich, Leza. Egal, was noch kommt. Ich will dir nicht vor die Füße spucken. Ich will dich nicht schlagen. Erinner‘ dich an den Anfang der Reise. Wir.. haben uns gegenseitiges Vertrauen geschworen. Daran halte ich mich!“
Und während die Agentin sich auf jenen Tag zu Beginn der Reise berief, als sie gemeinsam in die Fluten der Bucht stiegen um sich in Ruhe auszutauschen, als sie ihr als Erste offenbarte, wer sie war, warum sie mit musste und das gerade sie Beide wohl erst Recht füreinander da sein mussten, da drehte Leza sich langsam um. Alexa dachte wohl schon, dass sie gleich eine Hand im Gesicht hat. Stattdessen packte Leza sich an den Kragen, zerrte, öffnete ihn energisch. Sie präsentierte ihr das Mahnmal, dass die Wächter ihr auferlegt hatten. „Die Strafe für Lügner und Heuchler. Für Jene, die die Tugenden ihrer Göttin missbrauchen, um dahinter zu verfallen in Selbstlüge, weil sie Feiglinge sind. Hierfür wurde ich in Einzelteile geschlagen. Meiner Essenz beraubt. Auf Grund und Boden geprügelt. Das ist die Wahrheit die du wünschst?“
Alexa konnte gar nicht so schnell reagieren. Ein zögerliches „Was...“ war das Erste, was ihr hierzu über die Lippen kam. Dann.. ratterte es hinter der Stirn. Die Detektivin kombinierte. Sie erinnerte sich nur noch an ihre wilde Flucht mit dem Schiff durch die Ruinen von Yll. An das Wäldchen, dass sie gefunden hatten, als sie selbiges verließen und Leza dabei wohl versehentlich zurückließen. Sie wusste nichts mehr von der Prüfung, erinnerte sich nur noch schemenhaft an irgendeine wilde Magie, an Feuer und den vermeintlichen Tod. Danach ließen sie die Ruinen hinter sich. Und es fiel ihr durchaus auf, dass Leza sich da schon verändert hatte. Dass sie.. noch schlechter gelaunt war als sonst. Dass sie die Farben ihrer Göttin, Lyssa, vollständig abgelegt hatte. Das sie irgendetwas mit sich herumtrug, dass schwer auf ihr lastete und ständig mit Jorras Brille herumrannte. Und dann machte es ganz laut Klick, als schließlich ihre Erzählung von der Strafe hinzu kam. Das schokobraune, schulterlange Haupthaar senkt sich, während der jungen Frau das Wasser in die Augen schießt. „Es.. es tut mir leid. Ich.. weiß was das bedeutet. Du kannst dein.. Amt.. nicht mehr ausüben.“ Sie verzichtete wohl bewusst darauf, es Priesteramt zu nennen. „Und.. die Brille.. du.. willst den Leuten nicht mehr in die Augen sehen. Im.. wörtlichen Sinne.“ Ein Seufzen entfuhrihr und man konnte ihr ansehen, dass es sie schwer traf. Dass auch sie jetzt mit ihren Gefühlen kämpfte. „Leza.. Ich.. ich kann verstehen.. wenn du nicht mehr zurück willst. Aber.. wartet auf dich zu Hause jemand? Abgesehen von.. nun ja.. du weißt schon? Jemand, der sich trotzdem freut, dich zu sehen, egal welche.. Zeichnungen dir die Wächter auferlegt haben? Egal, welche.. Makel sie dir offenbart haben? Ja? Dann.. tu‘ es wenigstens für die. Wirf‘ nicht einfach alles weg.“
Leza lauschte, fuhr leise fort. „Ich werfe nicht alles weg.“Nun war es ihr Schopf, der langsam sank. „Aber ich muss durchatmen. Luft schnappen. Es ist schon bittere Ironie das ich für das bestraft werde was ich eigentlich will, es aber immer wieder zunichte gemacht wird. Jedesmal. Jedes. Verdammte. Mal.“ Sie schüttelte den Kopf, wurde dabei immer energischer.
Alexa derweil wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie verstand es. Sie konnte ihre Gefühle nachvollziehen, teilte sie sie doch in gewisser Weise mit ihr. Ihr kamen stille Tränen, die sich ihren Weg an ihren Wangen hinab suchten. Dann ging sie auf Leza zu. Umarmte sie einfach. Vorsichtig, ja – sie wollte ihr nicht weh tun. Aber sie tat es so, wie man einen engen Vertrauten einfach in den Arm nahm, wenn er halt brauchte. „Kommst du.. denn noch mit, bis nach Löwenstein? Oder bleibst du hier? Ich.. ich wär‘ dir nicht sauer, wenn du es mir nicht sagen willst. Aber wenn du irgendwas brauchst.. ich.. bin für dich da. Das versprech‘ ich dir, Leza.“
Leza erwiederte, sie atmete tief ein, ließ ihren Kopf dann auf Alexas Schulter sinken. „Ich.. weiß es grad nicht. Ich weiß es einfach grad nicht. Ich sollte so schnell wie möglich zurück, wegen meinem Patienten, aber die Wahrheit ist… auch er kommt ohne mich klar und hat genug fähige Leute um sich. Ich weiß nich‘ was ich gerade will, außer: Nicht mehr wollen zu müssen, sondern sein zu dürfen...“ In ihren Worten klang hörbar die Angst mit – die Angst vor dem Leben, dass ihr so oft in den Rücken gefallen war.
Alexa hielt sie derweil fest im Arm, streichelte sie sanft am Rücken. Ihre Worte.. wogen schwer. Schließlich nickte sie leicht. „Du hast Angst davor. Ich versteh‘ dich. Wenn ich ehrlich bin… mir geht es auch so. Was… sagen meine Vorgesetzten zu dem Ganzen hier? Eigentlich ist es gleichbedeutend mit dem Tod, wenn ein Agent enttarnt wird, oder sich selbst offenbart. Der Wächter… hat nicht nur meine Schwäche erkannt… er hat gleich die einer ganzen… Organisation erkannt. Ich… will weitermachen. Ja. Doch wenn sie sich dem verweigern… bin ich ebenso auf der Flucht. Auf dem Weg… ins Ungewisse. Aber… wenn du tun willst, was dir wichtig ist. Wenn du… deinem Herzen… oder auch deinem manchmal sturen Kopf folgen willst...“ Sie lächelte leicht. „… was wäre das? Was.. würdest du tun wollen?“
Während Leza ihren Worten lauschte, schob sie das Kinn etwas über ihre Schulter, damit ihr Blick wohl hinter sie reichte. „Weißt du…. Auf dieser Reise sind so viele Ordensmitglieder aufgedeckt worden, was ist da schon einer mehr? Außerdem sind die Zeiten im Wandel. Der Pakt hat viel Aufdeckung nötig gemacht. Es braucht Ordensmitglieder die Gesicht zeigen. Die Vertrauen schaffen können für etwas, dass sonst nicht greifbar ist. Dich zu töten wäre also nicht nur Ressourcenverschwendung, sondern auch eine Schande.“
Es folgte erst einmal Schweigen. Sie zog kurzzeitig eine Schulter an, im Unbehagen, ehe sie deutlich leiser antwortete. „Mich an die Brust des Mannes legen, zu dem es mich hin zieht. Zu meinem alten Wesen zurück finden, dass ich einst aufgab, um nur noch für andere da zu sein. Wieder im Stande sein, zu musizieren...“
Alexa hielt Leza weiterhin fest an sich gedrückt, lauschte. Sie klammerte nicht, wollte ihr viel mehr Halt geben. Sie waren zwei Kapitäne auf dem Höhepunkt ihrer langen Reise, doch die Sturmfront zeigte sich bereits bedrohlich dunkel am Horizont. Leise seufzte Alexa nach ihren Worten. „Ja.. ich gebe dir recht. Es muss… irgendeinen Weg geben.“ Kurzes Schweigen. „Was dich angeht… das was du willst und wonach du dich sehnst.. ich.. wünsche dir Glück dabei. Wenn ich die ganze Sache… unbeschadet überstehe… verspreche ich, dass ich euch besuchen komme. Vielleicht.. lerne ich auch ein Instrument. Das war ebenfalls ein lang gehegter Wunsch von mir, den ich mir bis jetzt nie erfüllen konnte. Dann spielen wir zusammen.“Sie lächelte, schluchzte dann leise. „Bei allem was wir durchgemacht haben… du bist mir verdammt wichtig geworden Leza. Auch wenn du es vielleicht gar nicht so realisiert hast… aber… du hast mir oft den Rückhalt gegeben, den ich… gebraucht habe… besonders zum Ende hin. Das es nun alles so endet… es… stimmt mich traurig. Gerade du… hast das nicht verdient.“Sie hielt sie noch einen Moment fest. Dann entließ sie sie endlich wieder. „Wenn du jetzt schon aufbrichst… versuch‘ mich einfach zu kontaktieren, wenn du… angekommen bist. Es wird schon irgendwie bei mir ankommen.“
Leza nahm derweil ein paar tiefe Atemzüge. Sie ringte um Fassung, bevor sie zu Alexas Worten den Kopf wieder etwas anhob. Zögerlich nahm sie dann die Brille ab, schob sie etwas höher, um die Jüngere aus dunklen, verweinten Augen zu betrachten, die ansonsten von weit weniger dunklen Ringen geschmückt wurden, als sie es gewohnt war.„Ich danke dir sehr für dein Ohr Alexa. Genau das hab‘ ich grad gebraucht. Keine unnützen Ratschläge, kein beschönigen. Einfach jemand der einen Moment mit mir fühlt und etwas schwere vom Herzen nimmt. Das ist mir sehr viel wert.“ Und dann lächelte sie sogar. Vorsichtig, aber ehrlich, begleitet von Kopfschütteln. „Doch.. doch, ich habe es verdient und genau das stimmt mich so wütend. Weil sie recht hatten. Weil ich es eigentlich wusste und dennoch nicht besser gemacht habe, aus meiner eigenen Schwäche heraus. Ich bin so fürchterlich wütend – vor allem auf mich selbst. Weil sie mich als unwürdig beschimpft haben, obgleich ich eine der besten Priester meiner Göttin war, aber… sie hatten auch recht damit, dass ich meinen Glauben missbraucht habe. Ich… ich wills gerne besser machen, aber erst einmal muss ich durchatmen und zu mir finden… hilf‘ mir dabei.“
Alexa sah Leza an. Ihre Blicke trafen sich. Immer noch glänzte es in ihren Augen, die gestandene Agentin hatte in dem Moment ihren Gefühlen nicht mehr viel entgegen zu setzen. Sie erwiderte das Lächeln, nickte, sprach dann ruhig. „Und… genau deshalb bin ich froh, dass wir diesen Moment gerade haben. Ich will dich nicht weg schubsen. Ich will für dich da sein. Wenn ich das tun würde, hätte ich meine Maske umsonst abgenommen. Dann wäre ich nicht besser… als vorher. Jeder hat seine Schwächen. Meine war, dass ich so lange meine Gefühle unterdrückt habe. Das ich mich dadurch… unnahbar gemacht habe. Ich habe Fehler gemacht… du hast Fehler gemacht. Jeder macht auf die eine oder andere Art Fehler. Ein falsches Wort hier, ein voreiliger Schluss dort. Es… ist doch immer das Gleiche.“ Sie seufzte. „Auch wenn du deinen Glauben missbraucht hast.. auch wenn du es wusstest.. dich aber davor.. gefürchtet hast, es besser zu machen… was macht die Wächter besser? Was… gibt ihnen das Recht, über uns zu urteilen?“ Sie schüttelte leicht den Kopf. „Ich weiß.. es ist weit hergeholt… aber wenn man es so sieht, sind sie auch nicht besser. Und was dich angeht… sag‘ mir wie ich dir gerade am Besten helfen kann. Dann tue ich es.“ - „Nein, du hast vollkommen recht. Die Wächter… sind gute Spiegel dessen, was sie gerade sehen, aber ihnen fehlt der Hintergrund. Der Weg zu dem, was sie sehen. Deswegen bin ich auch auf sie wütend. Sie sehen was ist, aber sie kümmert nicht was war – das macht auch sie fehlbar, wie alle anderen.“ Leza schloss die Augen für einen Moment, atmete tief durch, die Haltung straffend. „Ich bin noch nicht lange Priesterin gewesen, aber meine Liebe zum Menschen war und ist nicht gelogen. Mein Verfehlen – für das sie mich bestraft haben – war und ist der fehlende Respekt vor meinem Leben. Meinen Bedürfnissen.“ Es folgte abermals Schweigen, wobei ihr Blick durch den Raum schweifte.„Ich… bin noch nicht sicher. Aber ein Anfang wäre, wenn du dich von mir nicht weg beißen lässt, wenn ich wieder meine fünf Minuten habe. Kehre mir nicht den Rücken zu. Einfach urteilsfrei da sein und mir einen Moment zum durchatmen geben, bis ich mich öffne, würde mir viel helfen – und erleichtern.“
Alexa schenkte ihr weiterhin ihr Ohr, stimmte zu. „Richtig. Sie haben nur einen punktuellen Einblick. Sie kennen einen Teil… aber nicht das große Ganze.“ Dann seufzte sie. Die Erkenntnis.. schmerzte. „Weißt du, was das Ironische ist? Ich… habe den Agenten-Titel ebenfalls noch nicht so lange. Ich habe immer daran gedacht, dass ich mit… Logik… und Kaltschnäuzigkeit weiter komme in der Sache. Aber… das stimmt nicht. Bereits bei meinem ersten, richtigen Einsatz im Feld musste ich feststellen, dass ich… mit Offenheit und Ehrlichkeit… wesentlich weiter komme.“ Ein Schmunzeln zuckte über ihre Lippen. „Es ist… schon witzig, dass der Orden aber genau das von einem verlangt. Obwohl ein anderer Ansatz allen mehr bringen würde. Kein Wunder, dass die anderen Orden im Pakt uns oft misstrauen...“ Sie klagte den Umstand nicht an. Viel mehr war es wohl eine bittere Feststellung, die sie da für sich selbst zog. „Und was deine fünf Minuten angeht… Ich werde da sein. Solange wir in Amnoon sind, werd‘ ich gerne mit dir durch die Stadt gehen, wenn du die Anderen nicht sehen willst. Und wenn wir wieder fliegen, bist du jederzeit vorne bei mir am Steuer willkommen. Und… wenn jemand stänkert… dann werd‘ ich das sagen. Rückendeckung, nicht nur im Kampf.“ Und da lächelte sie Leza an. „Die richtigen Worte… sind nämlich manchmal schärfer als so manches Schwert. Und – wir schaffen die paar Tage bis nach Löwenstein noch. Gemeinsam. Ich muss mal sehen, ob Mie und die anderen mit den Schiffen noch da sind. Bescheidgeben, dass wir noch leben und so weiter. Aber ich werd‘ mit euch fliegen. Mit dir. Egal was noch kommt. Ich… hab‘ irgendwie Gefallen daran gefunden.“
Leza schmunzelte darauf hin sogar das erste Mal seit langem wieder, schickte sich dann sogar an, eine Hand zu heben um neugierig nach einer Strähne von Alexas „neuen“ Haaren zu heischen mit den Fingern. „Der Orden hat markante Probleme, ja. Gerade was die Kommunikation nach Außen angeht. Was seltsam ist, weil sie so erlesene Geister für sich werben und am Ende darunter gelähmt werden in der Annahme, sie müssten ihre Identität mit etwas verschleiern, was sie nicht sind; doch wann hat jemand darüber nachgedacht, ob dieser ‚Neue‘ den man heranschafft, ein geeigneter Agent wäre?“ Sie schrägte den Kopf, während die Hand wieder sank und sie den Rücken durchdrückte. Ein Quäntchen Würde schien mit dem schwindenden Ballast zurück gekehrt. „Klären wir die Dinge, die hier vor Ort warten und atmen erst mal durch. Gehen wir raus, nach den anderen sehen, mh?“
Alexa ließ ihre Berührung derweil zu, sie lächelte. Ihre neue Haarpracht fühlte sich wohl fast noch so an wie die frühere, vielleicht war das Haar ein wenig glatter, seidiger, abgesehen von dem schokobraunen Farbton und der Schulterlänge. Sie nickte Leza zu. „Der Orden sammelt ebenso brilliante Köpfe an wie die Abtei oder gar die Wachsamen, denke ich. Aber ja, du hast recht, das mit dem… offen kommunizieren… klappt nicht wirklich. Auf der anderen Seite… wird man wohl lange beobachtet. Wenn jemand Agent werden möchte so wird er es… eher nicht. Die meisten Agenten werden rekrutiert, ohne dass sie es überhaupt ahnen. So etwas… erfordert viel Fingerspitzengefühl. Und wahrscheinlich ist das eine Position, in die ich… wohl auch nicht mehr kommen kann. Ich möchte es aber auch nicht.“ Alexa erklärte es ihr ruhig, offen und ehrlich. So sicher wie sie sich darin war, hatte sie es wohl selbst so erlebt. Zu Lezas Vorschlag nickte sie dann. „Ja.. wir haben noch genug zu tun. Aber… das kann noch bis morgen warten.“ Sie lächelte. „Evan und Avariss müssen wohl noch einiges organisieren, um die Baron wieder halbwegs fit zu machen für die Überfahrt. Wundert mich eigentlich, dass das Schiff so lange durchgehalten hat. Aber die alte Pakt-Technik war wohl doch nicht so ganz anfällig wie immer behauptet wird. Für Heute… haben wir uns aber wirklich etwas Ruhe verdient. Schauen wir, was die anderen machen.“
Sie lächelte, nickt Leza dann zu. Sobald sie losging hing sie sich an ihre Seite. „Ich glaube, du bist schon ganz richtig so, wie du bist. Meiner Meinung nach, braucht der Orden auch Nahbarkeit, solange der Pakt besteht – und gemeinsam agiert.“ Nach ihren Worten zuckte Leza dann aber mit ihrerSchulter, lehnte den Stab an und zog ihr Amulett aus der Tasche, um es zu betrachten. Sie befühlte es zwischen den Fingern, nickte dann zum Aufgang und setzte sich langsam in Bewegung. „Holen wir uns etwas Ruhe von den Strapazen, ja. Wird Zeit für einen Dübel...“ Alexa folgte ihr, legte aber die Stirn in Falten. „Hm… Dübel… was ist das eigentlich? Ich… hab‘ das am Anfang mitbekommen… aber irgendwie.. war ich zu sehr… ‚beschäftigt‘“Sie setzte ihr letztes Wort mit den Fingern in Gänsefüßchen, während sie neben Leza herlief. „Rauschkraut“ war ihre schlichte Antwort darauf, wobei sie schmunzelte.
Und nachdem sie das Schiff verlassen und sich den anderen am Strand wieder angeschlossen hatten, sollte es auch gar nicht lange dauern,bis auch sie das erste Mal damit in Kontakt kam. Sie hatte ihre Bedenken, als Evan, Minna und Leza sie mit zur Strandbar schleppten. Als sie sich dann auch prompt einen „Dübel mit Drink“ bestellte. Der Abend endete im Morgengrauen und damit, dass Evan und Leza die völlig zugedröhnte und betrunkene Alexa zurück zum Schiff schleifen mussten, da sie alleine keinen geraden Kurs mehr einschlagen konnte. Leza steckte die Rausch-Novizin dann auch höchstpersönlich in die Federn, auf Alexas genuscheltes „Lescha isch mag disch..“ schmunzelte diese nur. „Das wirst du nicht mehr sagen, wenn du den Kater gefunden hast, vor dem ich dich gewarnt habe...“
Genau den fand Alexa am nächsten Tag auch. Sie erwachte erst wieder aus ihrem Rausch, als die Sonne schon hoch am Himmel stand und auf das Schiff brannte. Es war heiß, es war stickig… und ihr Magen machte Radau. Sie hatte Heißhunger. Ihr Kopf fühlte sich an, als wäre eine Dolyakherde darüber getrampelt.
Der Hunger ließ sich zum Glück recht schnell vertreiben, hatte Minna in der Früh doch ein ordentliches Buffet heran gekarrt. Sie fiel regelrecht über das her, was die anderen ihr noch übrig gelassen hatten. Und Wasser. So viel Trinkwasser wie sie kriegen konnte kippte sie sich hinter die Binde. Was sie danach tat? Licht meiden. Laute Geräusche meiden. Einfach alles meiden. Alexa war wieder in Amnoon angekommen. Inklusive fettem, fauchigem Kater – mit besten Grüßen von Leza...
***
Gewidmet der besten Leza wo gibt, der Odyssee-Truppe und überhaupt allen, mit denen Alexa in den letzten paar Wochen Kontakt und gutes, spannendes Spiel haben durfte! Ich bin zufällig in den Plot reingestolpert und es war das Beste, was mir in meiner Rollenspiel-Karriere bis jetzt passiert ist. Danke an euch alle
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