OOC: Disclaimer für Gewalt, Blut und Gestank.
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Die Strahlen der Sonne brachen nur gelegentlich zwischen den Wolken hervor als Bethany am frühen Morgen ihre Rüstung anlegte. Es war noch immer ein seltsames Gefühl das verstärkte Leder mit den Metallplatten und Nieten zu tragen, doch nach der ersten Jagd mit ihren Eltern hatte ihre Mutter darauf bestanden. Eigentlich sollte sie sich zurückhalten. Mit dem Bogen einen Schuss abfeuern wenn sie freie Bahn hatte. Den Rücken freihalten. Doch das hatte nicht geklappt. Die roten Strähnen waren zu einem strengen Zopf zurückgeflochten, keine einzige Strähne hing ihr ins Gesicht. Ihre waldgrünen Augen blitzten im kleinen Spiegel auf, dann zurrte sie den Gurt der Armschiene zurecht. Manchmal schmerzten die Narben noch. Sie waren rot und wulstig, ihr Onkel hatte eine Weile Angst gehabt das sie den Arm verlieren würde, doch seine Magie hatte geholfen. Sie gerettet. Langsam ballte sie die Hand zur Faust, bedächtig und mit stetig steigernder Intensität. Der Schmerz war scharf und unwillkommen, doch in ihrem Gesicht konnte man ihn kaum lesen.
Beth stieß den angehaltenen Atem mit einem Zischen aus und zurrte die beiden Köcher zurecht. Einer am Obeschenkel, der andere am Rücken. Das vertraute Gewicht der Pfeile beruhigte sie, ebenso wie das Gefühl des Bogens. Er lag perfekt in ihrer Hand. Ihre Tante Serena hatte ihn gefertigt, aus hellem Holz, das fast weiß wirkte, mit feinen Schnitzereien. Ein Kunstwerk. Eines das zum Töten gemacht war. Bethany trat aus dem großen Zelt, hinaus in die kühle Morgenluft und ließ den Blick schweifen. Ihre Finger schlossen sich um den Schaft des Bogens bis ihr Arm schmerzte. Der Schmerz half. Er bewies das sie noch am Leben war. Trotzdem schlug ihr Herz rasend schnell und der inzwischen vertraute, bittere Geschmack legte sich auf ihre Zunge. Ihre Augen blickten für ein paar Momente ins Nichts, dann hörte sie wieder das laute Kreischen und ... Mit einem wütenden Knurren packte sie den Bogen fester und lenkte ihre Schritte rasch zum Sammelplatz hinüber.
Knapp zwei Dutzend Leute hatten sich versammelt, allesamt Jäger und Söldner in den Diensten von Simon Fitzgeralt. Ein großer, bäriger Mann, noch breiter und bulliger als ihr eigener Vater. Bethany stellte sich nach hinten, zu zwei jüngeren Kerlen. Ein kurzer Seitenblick, ein kurzes Nicken. Hier waren sie alle Anfänger. Dann wurde es still, ohne dass man hätte um Ruhe bitten müssen. Die breiten Schultern ihres Anführers hatten sich nach vorne gewandt und mit einem gewaltigen Schritt erklomm er nun die Kiste, welche ihn noch weiter über die anderen Männer hob. "Guten Morgen miteinander." Ein kurzes Gemurmel lief durch die versammelten Leute, dann sprach er weiter. Sein rauer Bass füllte den kleinen Raum auf dem sie sich zusammengefunden hatten leicht aus. "Heute jagen wir ein paar Skelk. Aus dem Harathi Hinterland sind ein paar Zentauren bis hier hergeschwappt und sie haben sich tief ins Land eingegraben und verschanzt..." Unruhe kam in einige der Frauen und Männer, manche spuckten verächtlich aus, doch die ruhige Präsenz ihres Anführer rief sie erneut zur Ordnung. "Das ist nicht unser Problem. Unser Problem sind die Schattenskelk welche sich an den Resten auf dem Schlachtfeld gütlich tun. Es sind Nester entstanden. Diese müssen ausgehoben werden. Die guten Bürger der Nebo-Terasse haben uns darum gebeten. Und wir werden natürlich unser Bestes tun.“ Das Lachen lief durch die Menge wie eine sanfte Welle im Teich, dann jedoch kehrte Ruhe ein. „Wir wissen nicht wie viele Skelk es exakt sein werden. Bildet Gruppen zu je vier Personen, höchstens ein Welpe in jeder Gruppe. Seht zu das sie Erfahrung sammeln und am Leben bleiben.“
Mit angespannten Schultern stand Bethany noch einen Moment still, dann ging sie mit gezielten Schritten zu ihren Eltern hinüber. Ihr Vater und auch ihre Mutter trugen einen Harnisch aus ähnlicher Machart. Verstärktes, dickes Leder. Stark genug um einen Biss, einer Klaue trotzen zu können und doch leicht genug, um darin zu klettern, rennen, springen, sogar schwimmen zu können sofern es nötig werden sollte. Ihre Mutter warf einen kurzen Blick auf Bethanys Rüstung, dann wirkte sie zufrieden. Ein kurzer Schulterdruck von ihrem Vater und das Lächeln kehrte auf Beths Züge zurück. Ihr würde nichts geschehen. Ihre Eltern waren ja da. Auch wenn sie erneut das laute Kreischen hörte und ihren Bogen fester packte. Ein tiefer Atemzug später und ihr Onkel betrat den kleinen Kreis. Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen und einem Augenzwinkern hatte er ihren Albtraum rasch verscheucht… Und der große Hund an seiner Seite tat sein Übriges.
Es dauerte nicht lange und die Gruppen zogen aus, mehr oder minder in sich geordnet. Sie betraten das Schlachtfeld und Bethany hielt den Atem an. So viel Zerstörung. Es schien endlos zu sein, Gräben, aufgeworfene Erde, zerbrochene Schilde, Speere… Und der Gestank. Die Kadaver der Zentauren hatte man liegen gelassen wo sie fielen und selbst unter den schwachen Strahlen des Zephyrs waren sie aufgedunsen. Manche der Zentauren hatten dem Druck der Verwesung nicht länger standhalten können und so waren die Kadaver von innen zerplatzt. Raben zogen träge Kreise über dem riesigen Bankett das Grenth hier für sie angerichtet hatte und Bethany ächzte leise auf als sie beobachtete wie einer der Raben sich aus dem Brustkorb eines Zentauren herauswand, ein besonders saftiges Stückchen Fleisch im Schnabel. Mit einem Kopfschütteln lenkte sie ihren Geist zurück auf das was eigentlich wichtig war.
Vorsicht war geboten als die kleine Gruppe, flankiert von den anderen, langsam auf das Schlachtfeld vordrang. Zerbrochene Knochen, Holzsplitter so groß wie ein Unterarm, tiefe Löcher… Hier zu stolpern wäre sicherlich mit einer Verletzung gleichzusetzen und Bethanys Arm war gerade wieder weit genug verheilt das sie mehr tun durfte als nur Waffen zu säubern und Rüstungen auszubessern. Sie hatte keinerlei Drang zu diesen Tätigkeiten zurückzukehren und so setze sie ihre Schritte vorsichtig. Ein leises Zischen zu ihrer Rechten lies sie aufhorchen, doch es war so schnell wieder fort wie sie geglaubt hatte es zur hören. Auch Ranos, der große Kriegshund ihres Onkels Leery hatte seinen Kopf dort hingewandt, der breite Kopf geschrägt und die Ohren aufgestellt.
Bethany sah sich erneut um und der bittere Geschmack stieg ihr wieder die Kehle hoch. Ihre Eltern, ihr Onkel und sie waren von den anderen Gruppen getrennt. Rechts zog sich ein tiefer Graben durch das Schlachtfeld der es noch unwegsamer machte als ohnehin, auf der linken Seite erhob sich ein kleiner Hügel. Wieder hörte sie das leise Zischen und ihre Nackenhaare stellten sich auf. Aus der Brust des großen Hundes rumpelte ein schweres Grollen, wie herannahender Donner aus der Ferne. Mit einem Ruck drehte Bethany ihre Kopf in die Richtung des Zischens und sie meinte noch einen Blick erhaschen zu können, auf eine dunkle Gestalt, schwarze Schuppen und ein aufgerissenes Maul das zu grinsen schien. Aus der anderen Richtung erklang wieder das leise Zischen und sie hob ihren Bogen, blind schoss der Pfeil von der Sehne und schlug mitten in einen großen Erdbrocken ein der nun sicherlich tödlich verwundet war. „Bethany…“ Tadel klang aus der Stimme ihres Vaters, doch sie hatte gerade kein Ohr dafür.
Ihr Nacken kribbelte. Genau wie damals. Bevor das Kreischen den Himmel erfüllt hatte. Bevor der Schmerz ihren Arm zerriss. Damals hatte sie nicht darauf gehört, doch jetzt? Ihr Herz schlug schneller als nach einem Gewaltmarsch durch den Wald und sie legte einen weiteren Pfeil auf die Sehne, die Bewegung so schnell und fließend wie ihr Onkel es sich in den Übungsstunden der beiden sicherlich gewünscht hätte. „Hört ihr das nicht?“ fragt sie leise, der Kopf erneut schräg gelegt. Das Zischen kam nun wieder von links… Und dann von rechts. Es wurde lauter. „Ich höre es.“, gab ihr Onkel zurück und zog seine beiden Äxte. Es waren wuchtige Waffen, dazu gemacht Schädel statt Holz zu spalten und doch erschienen sie Bethany in diesem Moment lächerlich klein und unpassend. „Von was redet ihr bei-„ Raymond Harper wurde unterbrochen von einem lauten Zischen, einem seltsamen Geräusch, als wäre ein Gegenstand dumpf zerplatzt und er sah sich Auge in Auge mit einem riesigen Skelk dessen Schultern so hoch reichten wie die eines Pferdes.
„Oh, davon redet ihr.“ Der trockene Humor von der Zunge ihrer Mutter lies Bethanys zitternden Leib nur mäßig zur Ruhe kommen. Das platzende Geräusch wiederholte sich, das Zischen wurde immer lauter und lauter bis es Bethany so schien als wäre es das Einzige was sie noch hören konnte. Sie war erstarrt, ihr Verstand schrie sie an sich zu bewegen, doch sie Muskeln folgten diesen Befehlen nicht. Seltsam losgelöst von allem das geschah sah sie ihrem Onkel dabei zu wie er sich in Bewegung setzte. Ein wahres Bollwerk an Kraft, er stand ihrem Vater in nichts nach was Wucht oder Masse anbelangte. Beiden Männer die mit roher Gewalt Köpfe von Schultern trennten und Beine oder Arme von Rümpfen abschlugen waren jedoch nichts im Vergleich zu ihrer Mutter. Mit einem Schwert und Dolch bewaffnet wirkte es eher so als würde sie die dunkelschuppigen Echsen zum Tanz bitten als zum tödlichen Kampf. Sie bewegte sich schneller, gezielter, anmutiger als sie, ein wahrer Wirbelwind der in einem Moment hier, im nächste dort war. Bethany stand im Auge eines Sturms der sich um sie herum entfaltete und sah zu. Das dunkelgrüne Blut der Skelk verschmierte alsbald die Klingen ihrer Eltern und ihres Onkels und doch schienen es nicht weniger schnappende Mäuler zu werden.
Der große Skelk, eben jener der sich direkt vor den vieren aufgebaut hatte versperrte ihnen den Weg nach vorne und in ihrem Rücken sammelten sich immer mehr der Echsen. Bethany schrie auf als eine scharfe Klaue durch ihre Rüstung drang und einen tiefen Riss hinterließ, direkt an ihrem Oberschenkel. Blut quoll aus dem Schnitt, nicht genug um bedenklich zu sein, doch der Schmerz war es der sie zurück ins Leben rief. Ihr Arm schmerzte als sie den Bogen spannte und feuerte. Eins ums andere Mal sirrten die Pfeile, trafen Augen, Herzen, Bäuche der Skelk. Das Zischen schien nicht aufzuhören, das seltsame Geräusch erkannte Bethany schließlich als eben jenes welches die Monster von sich gaben wenn sie aus ihrer Unsichtbarkeit auftauchten. Sie schoss nach Gehör und mehr als einmal erwies sich diese Taktik als tödlich. Zähnen, Klauen, aufgerissene Mäuler, große kalte Augen, das Zischen. Das dumpfe Pochen in ihrem Arm wandelte sich zu einem scharfen Beißen und Bethany biss die Zähne zusammen. Nicht jeder Pfeil traf, nicht jeder Treffer war tödlich. Es schien kein Ende zu nehmen und ihre Schultern brannten von der immer gleichen Bewegung. Ranos wich nicht von ihrer Seite, als wüsste auch der Hund das sie das schwächste Glied in dieser Kette war und zweimal war es der große Kiefer des Hundes welcher Bethany vor einem Angriff bewahrte.
Rufe ertönten und sie erlaubte sich einen kleinen Schimmer Hoffnung. Hilfe war unterwegs. Es schien ihr als wären Jahre an ihr vorbeigezogen seitdem der Angriff begonnen hatte, dabei waren kaum mehr als zehn Minuten vergangen und die kleine Gruppe hielt sich tapfer. Andere Jäger strömten heran, den Hügel hinab und dann über den großen Graben. Eine hastig errichtete Brücke aus Erde durch einen ihrer Magier war gerade breit genug für eine Person. Und nun waren die Skelk eingekesselt und es flogen Erdbrocken, Pfeile, Feuerbälle… Rufe und Schreie mischten sich unter das allgegenwärtige Zischen das Bethany langsam in den Wahnsinn trieb und aus ihrer Kehle löste sich ein Schrei zur Antwort. Laut genug das sogar ihr Vater einen kurzen Blick zurückwarf bevor er sich mit umso mehr Gusto in die Echsen warf. Bethany bekam eine Antwort. Das laute Heulen von Ranos, die Rufe ihrer Waffenbrüder und Schwestern… Ihre Kehle brannte vom Schrei, von den raschen Atemzügen und nun auch beide Arme von der ständig wiederholten Bewegung. Bewegungen bedeutete Schmerz, Schmerz bedeutete Leben. Stillstand, der war ihr Feind. Dann würde der Schmerz nachlassen und sie auch aufhören zu leben. Denn Stillstand bedeutete die Skelk hatten sie überrannt. Das durfte nicht geschehen. Die Pfeile in ihrem Oberschenkelköcher waren ihr lange ausgegangen, so griff sie nach hinten auf ihren Rücken. Mit einem lauten Sirren traf der nächste Pfeil den großen Skelk der sich noch immer nicht bewegt hatte und starr auf einer Stelle stand. Er hatte nur nach Jägern geschlagen die sich ihm zu sehr näherten, doch der Pfeil der nun in seiner Wange steckte schien ihn wütend zu machen. Bethanys Augen wurden groß als sie sah wie das Monster sein Maul aufriss und die spitzen Zähne sich zeigten. „Oh Mist.“ Mehr kam ihr nicht über die Lippen bevor eben jenes Maul sich auf sie zuzustürzen schien. Der nächste Griff nach hinten fand einen Pfeil, doch sie hatte keine Zeit mehr, nicht genug um ihn anzulegen.
Der massige Leib des Skelk warf ihre Mutter beiseite als der Kopf vorschoss, um nach Bethany zu schnappen, auch ihr Onkel taumelte getroffen und alarmierte Schreie hallten in der kleinen Kuhle wieder in der die Schlacht tobte. Schmerz. Wieder. Schmerz raste Bethanys Arm hinauf als sie ihn in das Maul des Skelk rammte, den Pfeil in ihrer Faust voran ins weiche Fleisch der Kehle treibend. Wieder löste sich ein Schrei aus ihrer Kehle, dieser noch wilder und wütender als der letzte. Das grüne Blut schoss hervor und doch war es nicht genug. Sie hatte ihn nicht tödlich getroffen, gleich würde sie ihren verdammten Arm doch noch verlieren. Und dieses Zischen, es machte sie wahnsinnig. Beth schloss ihre Augen und zerrte ihren Arm zurück, warf sich nach hinten, auch wenn sie wusste das es umsonst war. Die mächtigen Kiefer des Skelk schlossen sich mit einem lauten Knacken und sie wartet auf den Schmerz der einsetzen würde wenn er zumindest ihre Hand sauber abbiss.
Doch da war kein Schmerz. Bethany öffnete zögerlich ihre Augen und starrte gebannt auf den unverletzten, wenn auch sehr schleimigen, angesabberten und mit grünem Blut verschmierten Arm. Er hing noch an ich ihrem Körper und sie hob den Blick. Im gleichen Moment klappte ihr Mund auf. Schwer atmend neben ihr stand Cord, der große Kerl welcher sonst immer so ruhig und besonnen wirkte und seine Kriegsaxt steckte tief im Schädel des riesigen Skelk. Zähne waren abgebrochen und Bethany wurde bleich als sie den Winkel bemerkte aus welchem Cord seine Waffe geschwungen haben musste. Nicht viel hätte gefehlt und er hätte auch ihren Kopf zerteilt, so wie den des Skelk. Die Axt steckte so weit im Rachen des riesigen Viechs das Bethany das Axtblatt fast nicht mehr erkennen konnte. Der Kopf des Skelk war mehr oder minder der Länge nach glatt zerteilt, das Maul nur noch eine blutige Ruine aus zertrenntem Fleisch und der Unterkiefer der Echse hing schlaff herab. Cord hatte die Mundwinkel sauber aufgetrennt, Knochen, Knorpel, Sehnen, Muskeln. Nichts hielt die beiden Kieferteile noch zusammen und die Muskeln hatten sich nach hinten gerollt, unter die Haut und haben dem Kopf ein noch groteskeres Aussehen als ohnehin schon.
„Arm noch dran?“ ein wildes Funkeln stand in den Augen des großen Mannes der Bethany nun wieder auf die Beine half. Sie ächzte leise, doch dann nickt sie. „Ja. Danke.“ Das er ihr Leben gerettet hatte. Das Wort schien so unzureichend, so gar nicht im Stande dazu auszudrücken was er gerade getan hatte für sie. Bethanys Augen huschten umher und erst jetzt nahm sie die Stille war. Das Zischen war endlich verklungen und wundervolle, reine Stille hüllte sie ein. Bis auf das Stimmengemurmel der anderen Leute, Rufe, Ächzen, das übliche Gegrummel der Jäger. Stille. Ein kurzes, fast bellendes Lachen kam ihr über die Lippen und sie wankte für einen kleinen Moment bis sie sich wieder fangen konnte. Ihr ganzer Leib schien zu schmerzen, sie hatte mehrere kleine Kratzer und Schrammen, doch nichts Schlimmeres als der Schnitt an ihrem Oberschenkel.
Bethany beugte sich vorne über, die Hände auf die Oberschenkel gestützt stand sie da und rang nach Atem. Wieder löste sich ein Lachen aus ihrer Kehle und das Zittern in ihren Muskeln lies langsam nach. Und dann hörte sie es. Ein Winseln. Leise nur, kaum laut genug das es an ihre Ohren drang doch… Ranos richtet den Kopf und seine Ohren auf, dann blickte er in die Richtung aus die der riesige Skelk angegriffen hatte. Ihre Augen erblickten nun auch endlich den Grund warum er sich nicht von der Stelle bewegt hatte. Ein Loch im Boden, gerade groß genug das sich einer der Skelk hineinzwängen konnte war hinter dem massigen Leib der Echse verborgen geblieben und von dort hatte sie das Winseln gehört. Bethany bewegte sich langsam auf das Loch zu und hockte sich davor, Cord ihr dicht auf den Fersen. „Was ist los Große?“ „Pscht!“ machte sie leise und beugte sich vor. Ihr Ohr hing wenige Handbreit vom Loch entfernt als sie es wieder hörte. Das Winseln. Ihre Stirn legte sich in Falten und mit einem raschen Griff löste sie den Köcher von ihrem Rücken und legte ihren Bogen ab.
„Was mach… Oh nein, du krabbelst nicht in dieses Loch.“ Bethany schenkte Cord keinerlei Beachtung, denn natürlich kroch sie in dieses Loch. „Und wie sie da reinkriecht.“ Murmelte der Jäger mit einem Blick auf die Kehrseite der Rothaarigen über die er ganz vergaß sie aufzuhalten. Dann wurde er bleich. „Er bringt mich um.“ Wurde ihm klar mit einem Blick zurück auf Raymond Harper der gerade seiner Frau wieder auf die Beine half. Cord blickte sich um und entschloss sich dann lieber stehen zu bleiben. Raymond Harper war ein großer, gefährlicher Mann, doch das ganze Lager wäre sich einig darüber das seine Frau noch viel furchteinflößender war. Besser abzuwarten und Wache zu halten anstatt das die beiden den Bogen und Köcher ihrer Tochter verwaist neben einem Loch im Boden finden würden.
Bethany indes war in das Loch hineingekrochen und der Gestank, von dem sie geglaubt hatte, er wäre auf dem Schlachtfeld schlimm gewesen, wandelte sich nun zu einer fast greifbaren Substanz. Er drang ihr in Nase und Mund ein und als sie diesen öffnete, um den Gestank etwas zu mildern, konnte sie ihn auf der Zunge schmecken. Sie würgte und hustete leise, doch dann hörte sie es wieder. Das leise Winseln. Nur das trieb sie voran, tiefer in den Bau hinein. Das schummrige Licht das vom Eingang her in den schmalen, flachen Gang fiel erhellte ihr nur bedürftig den Weg, doch nachdem sie mit den Händen einen Haufen Knochen beiseitegeschoben hatte, war sie sich recht sicher, dass es so auch besser wäre. Sie wollte gar nicht genau wissen was sich hier unten alles verbarg. Und der weiche Gegenstand, der gerade an ihrem Knie zerquetscht wurde, das war sicherlich nur ein Pilz. Zumindest redete sie sich dies ein, um weiterkriechen zu können.
Bethany kroch tiefer und tiefer hinein in den Bau und das fahle Licht wurde immer schwächer. Inzwischen konnte sie kaum mehr die Hände vor ihren Augen sehen mit denen sie Knochen und Erde und andere Dinge beiseiteschob um weiter in die Dunkelheit kriechen zu können. Es war still im Bau, kein Zischen, kein Schaben, nur das leise Winseln drang wieder an ihr Ohr. Der Gang schien ihr unendlich lange vorzukommen und von draußen hörte sie nun wütende Stimmen, ihr Vater rief nach ihr, Wut und Angst ließen seine Stimme immer lauter und lauter werden und Bethany war sich sicher, dass er demnächst beginnen würde das ganze Schlachtfeld umzugraben wenn sie nicht bald aus diesem Loch kriechen würde. Doch die Quelle des Winselns trieb sie voran. Es wurde lauter und dann erklang ein leises, klägliches Knurren.
Bethany hielt inne, nur für einen Moment. Sie war nun in einer Kammer angekommen, wie groß genau sie war konnte sie nicht sagen, doch die stickige, üble Luft und der Gestank trieben ihr fast die Tränen in die Augen. Aus dem Knurren wurde ein leises, ängstliches Bellen und so griff sie zu, nach der Quelle. „AU!“ spitze Zähnchen hatten sich in das weiche Fleisch zwischen ihrem Daumen und Zeigefinger gegraben und selbst durch den Handschuh war der Druck noch stark genug, dass es weh tat. Doch sie zog, setzte sich auf und griff mit der anderen Hand zu um das kleine Fellbündel an sich zu ziehen. Kaum hatte sie den Hund in ihren Armen, lockerte sich der Biss. „Hab dich.“ Flüsterte sie leise und schnappte dann nach Luft. Ein seltsames Gefühl hatte sich eingestellt in ihrem Brustkorb, genau wie in ihrem Verstand. Der Geruch der Erdkammer war genauso erdrückend und schlimm wie zuvor, doch ihr rasender Herzschlag hatte sich beruhigt, ihr Atem ging unweigerlich tiefer und ein Gewicht hatte sich in ihrer Brust eingenistet. Keine Schwere, nichts das sie erdrücken würde. Eher so, als wäre etwas an seinen richtigen Platz gerückt worden. Auch der Hund war nun ganz ruhig, er lag in Bethanys Armen und auch wenn sie kaum vermochte ihn zu fassen wollte sie ihn auf keinen Fall wieder loslassen.
So kroch sie mit ihm im Arm, auf allen Dreien wieder zurück zum Ausgang. Als ihr Kopf aus dem Loch drang und sie hinauf ins Sonnenlicht blinzelte lächelte sie erleichtert auf. Im nächsten Moment war sie fast versucht wieder zurück in das Loch zu kriechen, denn ihre beiden Eltern standen direkt vor ihr. Ihre Mutter hatte die Hände in die Hüften gestemmt und auf dem Gesicht ihres Vaters stand blanke Wut statt Sorge. Bevor jedoch einer der beiden etwas sagen konnte rappelte Bethany sich in eine hockende Position und hielt den Hundewelpen hoch. Die Pfoten des Tiers waren riesig, sein Fell schwarz und an seinem rechten Oberschenkel eine tiefe Wunde. Das treudoofe Grinsen und leise Welpenkläffen das er nun hören lies, genau wie das Schwanzwedeln verschonte Bethany zumindest vor einem lauten Donnerwetter an Ort und Stelle. Stattdessen verlagerte es sich auf den Rückweg, den sie nun antraten. Hund und Mädchen waren unzertrennlich und erst nachdem sie ihn dreimal gewaschen hatte stellte sich heraus das der Hund gar kein schwarzes, sondern dunkelbraunes Fell hatte. Die Wunden der beiden wurden versorgt und Bethany rollte sich am Abend auf ihrer Lagerstatt ein, der große Hund in die Kuhle zwischen ihren Beinen und Brustkorb geschmiegt.
„Gute Nacht Nevar.“ Der feuchte Schmatzer, den sie nun mit der großen Zunge des Hundewelpen bekam, zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen und so schlief sie ein. Und zum ersten Mal seit Wochen, riss sie kein Phantomschrei aus dem Schlaf.
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