Eckstein Eckstein...

Beths Atem geht ruhig, gelassen, tief. Ihr Herz schlägt langsam und ihre Glieder sind entspannt und das obwohl sie mehrere Meter weit oben in einer Baumkrone sitzt. Grinsend wippt sie mit dem Fuß, lauscht dem Wald um sich herum. Das sanfte Wiegen der Baumwipfel im Wind ist ihr ein vertrautes Geräusch, Vogelgezwitscher klingt um sie herum. Die Vögel haben sich nach einiger Zeit wieder an die Anwesenheit des Rotschopfes gewöhnt und ihr Schweigen gebrochen. Nun ist die klare Luft wieder erfüllt von den lieblichen Klängen, ein der Geruch des Waldes umgibt sie wie ein vertrauter Freund. Doch statt zu entspannen, ist sie wachsam. Beth verharrt reglos und lauscht den Klängen des Waldes, die nicht in die Symphonie hinein passen, welche ihr vertrauter ist als manches Schlaflied. Abwartend sitzt das junge Mädchen zwischen den grünen Zweigen, die Blätter schimmern wie Smaragde und flattern sanft im Wind. Ihr Versteck ist gut gewählt, das Laubwerk des Baumes ist dicht und gesund, von unten her kann man sie praktisch nicht erspähen. Langsam dreht sie ihren Kopf von links nach rechts, das feine Schaben ihrer Haare über den Kragen ihres Wamses geht im Rauschen der Blätter unter. Bethany behält ihre Umgebung stetig im Auge. Eigentlich ist es nur ein Spiel welches sie mit Sam spielt. Aber ... es macht höllisch Spaß ihn zu erschrecken. Die Vögelrufe verklingen schon, bevor sie das leise Knacken und Fluchen hört, welches Sam ankündigt. Sie grinst ein wenig und schaut hinüber zu der Geräuschquelle.


Seit ein paar Wochen ist sie mit ihren Eltern auf dem Hof der Pershings, Zentauren haben die großen Pflanzungen und auch einige der Außengebäude immer wieder angegriffen, Leute verstümmelt und verschleppt. Bethany Annes Eltern, oder eher die ganze Greifenklinge, wurde angeheuert um dem Treiben der Zentauren Einhalt zu gebieten. Beth hat jetzt mit 11 Jahren schon einige Dinge gelernt, zumindest die Grundlagen von Schwer- und Dolchkampf, auch mit dem Bogen übt sie ständig. Viel wichtiger und spaßiger sind allerdings die Stunden, die sie mit Sam verbringt. Der schlacksige Kerl ist zwei Jahre älter als Beth und hat braune Augen, eine strahlend helle Seele und Bethany verbringt ihre liebste Zeit mit ihm, Spiele spielend. Oder eher das, was sie unter Spielen versteht. Heute versteckt sie sich im Wald und Sam muss sie suchen. Eigentlich, sollte er sich leise anschleichen an sie und sie dann zu Boden ringen. Aber es scheint als stelle er sich heute wieder besonders tollpatschig an. Ein leises Schnaufen entweicht Beth als er schon wieder auf einen Ast tritt und das laute Knacken im Wald wiederhallt. Sie verändert ihre Position von am Baum lehnend, zu hockend auf dem Ast und schaut zu Sam hinab der nun zwei Meter unter ihr über den weichen Waldboden 'schleicht'. Der weiche Boden zwischen den Bäumen ist mit einer dicken Schicht Moos bedeckt und Bethany schrägt grinsend den Kopf an, als Sam schon wieder Krach macht. Eigentlich ist es ja fast eine Kunst, so laut durch den Wald zu trampeln, Sammy findet nämlich zielsicher jeden Stock im weichen Untergrund und zerbricht ihn mit einem "Ohrenbetäubend lautem Scheißkrach!" wie ihr Onkel Leery sagen würde.


Sam bewegt sich langsam, vorsichtig. Heute will er Beth mal fangen! Nicht anders herum. Er schleicht und verharrt immer wieder, geht geduckt und vorsichtig. Für seine Verhältnisse, ist er leise. Trotzdem bleibt er nach jedem Knacken mehrere Sekunden stehen und hält Ausschau nach ihr. Irgendwo muss sie ja sein! Diesmal ist er sich fast sicher, dass sie in einem der dichten Gestrüppe sitzt. Das letzte Mal, hatte sie ihre Jacke unter dem Busch versteckt und ihn dann von hinten angesprungen! Samuel hatte sich so erschrocken, dass er genau wie ein Mädchen kreischend das Weite suchte und das kleine Biest kugelte sich währenddessen lachend am Boden. Die Erinnerung daran verdüstert seine Miene ein wenig und er lauscht wieder, vielleicht hört er sie ja...? Bethany sagte immer, dass er seine Umgebung erst hören und dann sehen sollte. Weiß Grenth wie sie das nun wieder meint. Die Vögel sind nur schon lange mucksmäuschenstill und Sam sieht sich geduckt um. Zu seiner Linken raschelt es leise im Unterholz und er schreckt zusammen, wirbelt herum und springt auf die Geräuschquelle. "HAB DICH!" ruft er triumphierend als er dieses Mal wirklich Beths Jacke in die Finger bekommt. Aber auch nur ihre Jacke. Von hinten trifft ihn plötzlich ein Tritt und Sam fällt Arsch über Kopf einen kleinen Hügel hinab. Auf dem Weg nach unten geht es über Steine, Äste und schließlich wird sein Gerolle von einem kleinen Schössling gestoppt der ihn unsanft bremst. Schmerzlich aufstöhnend rollt Sam sich herum und schaut nach oben, seine braunen Haare sind zerzaust und mit Erde, kleinen Stöcken und Blättern vollkommen verdreckt. Beth steht oben an der Kuppe des Hügels und liegt auch im Dreck. Allerdings weil sie sich vor Lachen mal wieder kaum auf den Beinen halten kann... Murrend kämpft Sam sich hoch und klettert den Hügel wieder hinauf, er rutscht immer mal wieder ab an Stellen wo die Erde zu locker ist und kommt keuchend oben wieder an.


"Bwahahahahahahaha, du hättest dein Gesicht sehen müssen!" Bethany rollt sich immer noch lachend am Boden und ein paar Tränen kullern sogar ihre Wange hinab. Sam zieht eine Schnute und wirft eines der kleinen Stöckchen nach ihr, welches er sich soeben aus den Haaren gezuppelt hat. Noch immer kichernd wird Beth von dem Stock getroffen und wischt sich nun eine Träne aus dem Augenwinkel. Mühsam setzt sie sich auf und grinst breit zu Sam hinauf. "Genug gelernt für heute Sammy?" Sam schnauft und lässt sich ins weiche Moos fallen, er knufft Beth gegen den Oberarm und legt sich neben ihr auf den Boden. "Das war unfair, du hast gesagt ich soll dich suchen!", Sam schließt die Augen als er fühlt wie Bethany vorsichtig die Blätter und Äste aus seinen braunen Haaren zupft und dabei immer noch leise kichert. "Ich hab nie gesagt, dass ich dich nicht erschrecken darf!", belehrt sie ihn schmunzelnd. "Mama sagt doch auch immer, wenn du nicht versuchst zu schummeln, dann kämpfst du gar nicht richtig."
"Aber wir kämpfen doch gar nicht."
"Ist doch egal.", Beth wirft einen kleinen Stein weg der sich irgendwie in Sams Haaren verfangen hat. "Du musst doch lernen dich zu verstecken, wenn die Zentauren kommen. Wenigstens das Sammy. Was ist denn, wenn die irgendwann wieder kommen und du musst weglaufen mh?" Ruhe senkt sich über den kleinen Fleck im Wald, Sam behält die Augen geschlossen und überlegt wohl, während Beth weiterhin seine Haare 'säubert'. Letztes Mal haben die beiden Ärger bekommen, als sie allzu verwüstet aus dem Wald zurück kehrten. Nicht das Bethanys Eltern sich nicht insgeheim schrecklich amüsiert hätten über die beiden die im Wald 'üben' gehen. Sam grummelt wieder leise und reibt sich ein Auge mit seinem Handrücken. "Weißt du Beth, ich hab dich echt gern,aber du kannst eine ganz schön miese ... "
"Jaaaa?"
"Eine miese Zicke sein."
"Ach Sammy, sei nicht so." Beth wuschelt ihm durch die Haare und ein paar Erdbröckchen fliegen davon. Sie gluckst und legt sich dann neben ihren Freund. Ihren einzigen Freund tatsächlich.
"Doch, echt. Ich hab nicht das Gefühl irgendwas zu lernen."
"Sicher? Überleg nochmal, was du heute gelernt hast."
Sam schnauft schwer und verschränkt die Arme hinter seinem Kopf. So liegen die beiden schweigend und einträglich eine kleine Weile nebeneinander.
"Du hast mich von oben angesprungen, oder?"
"Jupp." Beth grinst ein wenig, sie kennt das schon. Sam durchdenkt Sachen gerne still und langsam während sie eher diejenige ist die sofort los springt. Aber inzwischen hat sie sich daran gewöhnt, dass er manchmal ruhig da liegt und nur denkt.
"Ich hab nicht mal nach oben gesehen."
"Mhhh hmmm und was lehrt dich das?"
"Das ich meine Umgebung besser im Blick haben muss." meint er grummelnd und fast reumütig.
"Siehst du? Du hast was gelernt." Beth knufft ihn sanft gegen seinen Arm und grinst wieder vergnügt. "Dein Blick darf nie komplett still stehen Sammy. Nicht wenn du jemanden suchst. Dein Blick darf wandern, aber nicht dein Geist. Du musst konzentriert sein und gleichzeitig alles in dich aufnehmen."
Sam guckt zu Beth rüber und grinst. "Das hat Leery dir gesagt! Das hast du dir nicht selbst ausgedacht."
Beth streckt ihm die Zunge raus. "Macht's nicht weniger wahr du doofer Glubschglobberwurm!"
Sam lacht und verdreht die Augen, dann legt er sich wieder zurück auf den Boden. "Du kennst die besten Schimpfwörter."
"Hab ich von meiner Mama. Du solltest sie mal hören wenn sie einen neuen Rekruten trainiert und ihn mit dem Schwert verdrischt. Mein Paps liegt immer lachend am Boden."
"Deine Mutter trainiert die neuen Rekruten?!" Sams Oberkörper schießt in die Senkrechte und er guckt Beth ein bisschen entgeistert an. Die blinzelt erst irritiert und grinst schließlich frech.
"Na klar! Sie ist unserer Schwertmeisterin. Haaaalloooo? Sie hat drei Schwerter! Natürlich trainiert sie den Schwertkampf."
Sam ufft leise als er zurück ins Moos sinkt und schüttelt den Kopf. "Das wusste ich nicht. Und dein Papa?"
"Truppenplanung, Schlachtpläne, so Kram halt. Mama sagt immer, ich bilde sie aus und dein Papa schickt sie so in den Kampf, dass sie auch zurück kommen können." Beth winkelt ein Bein an und legt ihr anderes auf ihrem Knie ab. "Mama sagt auch, dass wir noch ein paar Wochen hier bleiben."
"Echt?" Sam guckt wieder zu ihr hinüber und Bethany lächelt sehr zufrieden.
"Mh hm. Noch ein paar Monate sogar. Ich glaube sie hat was vom Winterfest erzählt."
"Weißt du was das heißt Beth?"
"Dass ich dich noch zehntausend Mal so erschrecken werde! Und irgendwann schaff ich es, dass du dir in die Hose pinkelst." Sie grinst Sam an und dessen braune Augen funkeln freudig.
"Nein du Gulbschglobberwurm! WIR BAUEN EIN BAUMHAUS!"
"Ein... Washaus?"
"Ein BAUM-HAUS! Ein Haus oben in einem Baum!"
Beths Augen fangen an zu leuchten und sie strahlt Sam praktisch an. "Für... du meinst für uns zwei?"
"Natürlich für uns zwei!" Sam sinkt zurück ins Moos und schließt die Augen. Beth wiederrum springt auf und tritt ihn sanft gegen seinen Oberschenkel.
"Hoch mit dir! Los! Looooos! Los!" Beth vibriert praktisch auf der Stelle.
Unwillig öffnet Sam die Augen und schaut zu ihr hinauf. "Was denn jetzt?"
"Sammy, wir haben ein Baumhaus zu bauen!" sie grinst ihn an und dann zischt sie schon wie ein Wirbelwind davon. "Ich weiß den perfekten Baum! Komm schon!"
Sam seufzt schwer und schaut den leeren Fleck Himmel an, wo eben noch Beths Gesicht ihm entgegen strahlte. Dann rappelt er sich auf und rennt ihr ein wenig ungeschickter hinterher. "Was musstest du auch direkt die Idee rausplärren." grummelt er zu sich selbst und versucht zumindest zu Beth aufzuschließen bei der es aussieht, als würde sie über eine offene, gut gepflegte Straße rennen und nicht mit halsbrecherischem Tempo mitten durchs Unterholz.