
Auszug aus dem Gefechtstagebuch des Hayden Flint
09. Phönix 1323 N.E.
Es war ein doch so unschuldiger Morgen.
Der Unschuldigste, wenn man mich vor der ganzen Sache gefragt hätte. Ich erinnere mich noch an den schüchternen Duft aus Weizen und trockener Erde, der doch eigentlich hier zu Hause war. Karg wurde er vom trist-beißenden Geruch, geschmiedet aus heißem Metall, keuchenden Lungen und Zorn ermordet.
Wir waren gut aufgestellt und verschwendeten nicht einen einzigen Gedanken an eine Niederlage. Wieso auch? Wir waren immerhin die berühmte VII. Kompanie, nicht eine verlorene Schlacht in den letzten zwei Jahren. Auch dass unsere Späher von unüblich vielen und vermeintlich wilderen Charr berichteten, beeinflusste uns nicht wirklich. Wir scherzten weiter und marschierten, das Ebonfalkener Marschlied trällernd, auf eine Anhöhe, die uns der Kommandant befestigen lassen wollte. Doch so weit kam es nie.
Es waren hunderte von ihnen. Weiß, schwarz, gefleckt und mindestens die Hälfte von ihnen trug eine Kriegsbemalung aus blauen Zeichen, weit über das ganze Fell gestreckt. In meinem Leben habe ich noch nie so ein Getrampel gehört. Es klang so, als wäre eine Herde Dolyaks vor einer Lawine geflohen. Doch wenn ich es mir recht überlege, wünschte ich mir heute, dass ich und viele meiner Kameraden den Platz der fliehenden Dolyaks eingenommen hätten.
Der herantrabende Todeszug fletschte die Zähne und legte schlagartig einen düsternen Mantel aus Verzweiflung, Angst und Unsicherheit über das frisch geborene Schlachtfeld.
Ich sah, dass sich David, einer der Rekruten unter Offizier Thommen’s Kommando, einnässte.
Der Befehlsschwall unseres Kommandanten ertrank im Meer aus Gebrüll und ebbte allmählich ab. Wir konnten seine plötzliche Unsicherheit förmlich spüren und das zog auch unsere Moral hinab. Das jahrelange Training war nicht umsonst und so trat unser Muskelgedächtnis an die Front. Eine Schildreihe wurde gebildet, dahinter die Lanzen, Plänkler und letztlich die Schützen. Ich weiß noch, dass ich irgendetwas zu unserem Kommandanten schreien wollte, ein Gemisch aus Frage und Versicherung. Doch ein kehlentiefer Kriegsschrei zerriss direkt die Aufmerksamkeit, Gespräche und auch das letzte bisschen Moral. Ich und ein paar Kameraden neben mir haben versucht herauszufinden, wer Besitzer dieses so schmerzlich einbrennenden Rufs war. Sie stürmten los.
Ich sah unsere Schilde fliegen, Männer, Kameraden, Freunde.. sie schrien. Noch immer höre ich diese Stimmen, doch mittlerweile beißen sie nicht mehr so tief.
Gebete an die Götter wurden gesendet, ein rund dreißig Jahre alter Plänkler rief nach seiner Mama, ehe sein Oberkörper von einem Schwerthieb zwischen Hals und linker Schulter aufgerissen wurde. Allmählich verschmolzen die Geräusche zu einem blutigen, grausamen Teppich aus Zerstörung. Auch die Sicht verschwamm und die Staubwolke stieg immer mehr zu einer Staubdecke empor. Die hinteren Reihen lösten sich auf und zogen sich zurück, sprangen vereinzelt die viel zu hohen Klippen hinunter. Knack.. knack.. fast rhythmisch hörte man die Beine einiger Soldaten brechen und ich kann bis heute nicht einschätzen, ob Dummheit oder der Überlebensinstinkt triumphierte. Jedenfalls habe ich von keinem der Männer je wieder etwas gehört.
Gerade als ich selbst die Klippen hinunterklettern wollte, hörten wir eine ganz besondere Stimme. Es war, als wäre es beabsichtigt gewesen: diese eine Stimme aus dem Massaker herausfischen. Sie gehörte zu Gren, unserem Kommandanten.
Rasch lokalisierten wir seine ungefähre Position, welche von einer meterhohen Silhouette eingenommen wurde. Der Staub färbte sich rot und das Biest riss ihm mit bloßen Händen den Kopf ab. Einige blieben wie angewurzelt stehen, andere ließen sich glücklicherweise wieder von ihrem Sinn nach Überleben leiten. Ich gehörte zu Letzteren.
Ich kann mich nicht genau erinnern, aber ich kletterte die Klippenwand irgendwie halbtaumelnd hinab und wurde auf den letzten Metern mitgerissen, als mir ein Soldat in den Nacken sprang. Als ich aufwachte, hörte ich noch immer die Schreie von oben, spürte einen heißstechenden Schmerz in meinem rechten Arm, er war gebrochen.
Mit letzten Kräften stabilisierte ich meine Haltung, drückte mich nach oben und lief so schnell ich konnte.
Die Richtung war egal, das Wetter war egal, die Begleitung war egal. War alles egal? Ich weinte.
Es war ein doch so unschuldiger Morgen.
Comments 8
Ovy
Die ent'mensch'lichte Darstellung vom Feind gefällt mir und wie unbesiegbar die wirken. Auch das mit den Verzweiflungstaten.
Ich war nur von den Klippen überrascht, in meinem Kopf war die Anhöhe mehr so ein Hügel.
Vetkin Author
Dankeschön! Und ja, "Anhöhe" hätte man auch durch etwas aussagekräftigeres ersetzen können, da stimme ich dir zu.
Minna
Neben einer gut geschriebenen Geschichte, sehe ich hier auch noch eine schöne visuelle Darstellung. Gefällt! :3
Vetkin Author
Und das freut auf der anderen Seite! Lieb von dir
Motte
Das ist sehr gut geschrieben!! Nicht nur die Formulierungen sind gut, auch der Aufbau und der Bogen am Ende.
Vetkin Author
Danke, freut mich dass es dir gefällt
Melly
Uii! Hammer gut geschrieben ! Will mehr davon!
Vetkin Author
Hihi, danke
und kriegst du! Ganz feste versprochen, mit kleinem-Finger-Schwur!!