Das Rabensanktum -Gedanken

Das Rabensanktum - Gedanken


Gerade noch hatten wir den ersten Prüfungsraum verlassen. Mit Sorge hatte ich angeboten unserer Norn beizustehen, als sie zweifelte und zurückbleiben wollte. Doch durch Aufmunterung und gutem Zureden hat sie ihren Mut wiedergefunden, während ich noch meine Entscheidung in der Prüfung überdachte… War es die richtige? Gab es eine richtige? Ich tat was sich für mich am Besten anfühlte, doch das Ergebnis der Prüfung war ernüchternd und lies mich zweifeln. Mein Platz in der Gruppe ist in der Mitte, so hab ich Überblick über alle vor und neben mir und kann so am besten helfen, wenn wir angegriffen werden… Jedoch haben wir noch keine Svanir gesehen. Nicht im Sanktum jedenfalls.


Das große Rabensanktum… Unsere Norn hatte sich ehrfürchtig vor ‚Gevatter Rabe‘ verbeugt. Dieser Ort… Aber nicht nur das Sanktum, auch die Feste hat einen Wert für alle Norn, welchen ich nur schätzen kann. Ich kann die spirituelle Energie förmlich spüren, die sich in dem Sanktum befandt. Deutlich, als wir die erste Prüfung erreichten. Schnell war mir klar, was hier getestet werden sollte, doch was genau mich erwartete wusste ich nicht.


So bogen wir also nach der ersten Prüfung in den Gang ab. Zunächst liefen wir in eine Sackgasse, das Labyrinth hatte uns getäuscht… Aber rückblickend wäre mir die Sackgasse lieber gewesen, als das was uns bevorstand. Grade legte ich meine Pfote noch aufmunternd auf den Arm unserer Norn und im nächsten Augenblick war sie verschwunden… genauer gesagt, jeder war verschwunden. Ich dachte nur, die Dunkelheit hätte sie verborgen, doch selbst als ich nach ihnen rief bekam ich keine Antwort. Keine Antwort, kein Geräusch. Nur alles erdrückende Dunkelheit und Stille, die mir mein Fell zu Berge stehen ließ. Selbst Magie, mein treuer Begleiter, half nicht. Der Kugelblitz, den ich beschwor, leuchtete zwar fleißig, aber das Licht war schon nach gut einem Meter verschwunden. Verschluckt, als ob es nie da gewesen wäre. Also tat ich, was ich konnte: Weiterlaufen.


Jeder Schritt war mühsam und ständig hatte ich das Gefühl beobachtet zu werden. Eiskalt lief es mir den Rücken herab, bis in meine Schweifspitze. Meine Kameraden… meine Freunde waren weg, vermutlich sahen sie mich ebenfalls nicht… Es musste einfach eine weitere Prüfung sein. So stapfte ich langsam weiter. Selbst mit meinen Augen, welche sonst sehr gut im Dunkeln sahen, war es kaum möglich die Pfote vor den Augen zu sehen, also tastete ich mich an der Wand entlang. Alle paar Schritte schaute ich mich um, meinte in den Schatten etwas zu sehen, was aber letztendlich gar nicht da sein konnte. Ich versuchte mich zu ermahnen, dass dies alles nur eine Illusion ist… Das meine Freunde ebenfalls durch diese Gänge laufen und wir alle gemeinsam vorankommen werden.


Meine Gedanken schweiften ab, als ich versuchte die Dunkelheit auszublenden und einfach einen Schritt nach dem anderen zu tun. Ich dachte an ihn. Meinen Goldlöwen, der in der Feste geblieben war. Das kurze goldene Fell, die längere ebenso goldene Mähne, die sich in einer Spur die Brust hinab zieht. Die hellere Schnauze, mit der feinen Nase… Exotische Augen, die mich an den warmen Sonnenschein des Sommers erinnern, besonders wenn er seine Lefzen zum Lachen hebt und seine Fänge mit ihnen um die Wette strahlen. Allem voran vermisste ich seine Nähe. Es war zwar nur ein Tag, den wir nun fort waren, doch selbst in der Feste blieb kaum Zeit sich zu sehen, geschweige denn zu sprechen oder sich einfach in den Arm zu nehmen.


Mit einem Keuchen und einem Stich in der Brust verharrte ich still. Sehnsucht verzehrte mich in diesem Augenblick. Ich wollte fort von diesem Ort, mich nicht weiter den Prüfungen stellen, mich nicht weiter der Eiseskälte des Drachen aussetzen, mich nicht weiter für die Wachsamen in Gefahr begeben. Was schulde ich ihnen denn, dass so etwas rechtfertigen würde? Ich wollte nur zu ihm zurück, mit ihm davonrennen, in die Wärme. Weiterhin betäubt stillstehend, ließ ich mich auf die Knie fallen. Ohne groß nachzudenken zog ich mir einen Stiefel aus, den Rechten. Meine schmerzende Brust beruhigte sich etwas bei dem dämmrigen Anblick des Goldes, welches zum Vorschein kam. Vorsichtig löste ich das grazile metallene Fußkettchen, hielt es eng in der Pfote umklammert, während ich den Stiefel wieder anzog. Auch wenn wir getrennt sind, so ist er immer bei mir. Das gab mir Trost. Ich rieb über das Metall mit einem Pfotenballen, so wie ich sonst über seine Wange reiben würde und stellte mir vor, wie mich seine Wärme umfing.


So setzte ich weiter, wieder etwas gefasster als zuvor, zumindest redete ich mir das ein. Doch konnte ich nicht leugnen, dass mein ganzer Körper zitterte und bebte. Ob meine Freunde sich besser schlugen? Waren der Chef und seine Freundin zusammen? Oder irrten sie beide auch getrennt voneinander durch die Gänge? Hielt der Mut unserer Norn oder hatte sie sich an die Dunkelheit verloren, so wie sie fürchtete zu fallen? Dachte unsere Sylvari an ihren Freund in der Feste, verwundet und auf sie wartend? Wie kam meine Artgenossin zurecht? Sie wirkt immer so sicher, in was sie tut. Beschützerisch… Machte die Dunkelheit ihr zu schaffen? Ich konnte mir nicht mal ausmalen wie es den anderen beiden Menschen ging, die sich vor einiger Zeit uns angeschlossen hatten. Sie schien bereits so distanziert, die ganze Zeit. Das kannte er von ihr nicht, nicht in diesem Ausmaß. Die Gleichgültigkeit in ihrem Gesicht. Und er? Schwer einzuschätzen woran er denken könnte in diesem Moment So gut kenne ich ihn noch nicht. Ob sein Tierbegleiter ihm hilft die Fassung zu waren? War er gerade bei ihm? Oder irrte das Tier nun selbst allein durch die Gänge? Dann war da noch eine Menschin. Ihren Namen habe ich nur kurz mitbekommen… Ich weiß nicht mal warum sie sich uns angeschlossen hat… Das wurde wohl grade besprochen, als ich mich mit unserer Norn aufmachte, um uns von unseren jeweiligen Partnern zu verabschieden…


Meine Gedanken rasten umher, eine willkommene Ablenkung zur erdrückenden Dunkelheit, doch wurde ich willkürlich zurückgeholt ins Hier und Jetzt, als ich über einen Stein stolperte. Ich hörte mich Jaulen, es schien laut umher zu hallen in den ewig scheinenden Gängen, doch das interessierte mich nicht. Um mich abzufangen hatte ich die Pfoten ausgestreckt, so ließ ich aber jedoch sowohl meinen Stab fallen, der mir als Stütze diente, als auch das Fußkettchen meines Geliebten. Heiß lief es mir die Wangen herunter, auch nachdem der erste Schmerz verklungen war. Panik stieg in mir auf, als ich auf Knien den Boden entlang absuchte. Den Stab zu finden war einfach, doch das Kettchen war unersetzlich. Ich musste es einfach finden. Und das am Besten bevor mich jemand anderes findet. Nun mehr als je zuvor seitdem ich die Gänge betreten hatte, fühlte ich mich exponiert. Wenn hier jemand war, hat er mein Jaulen sicher gehört. Eilig klopfte ich den Boden ab, bis ich es spürte. Das Kettchen! Es war nicht weit gefallen und nachdem ich es aufgehoben und an meiner Lederjacke abgeputzt hatte, ging ich weiter. Schneller als zuvor. Noch immer rann es mir heiß die Wangen herab, als das Gefühl der Einsamkeit und die damit verbundene Sehnsucht zurückkam.


Ich war kurz darauf einfach sitzen zu bleiben, mich hinzugeben in die Verzweiflung, als ich noch einmal abbog und plötzlich wieder sehen konnte. Ich kam in einen Raum, groß, mit unzähligen Büchern an den Wänden. Aber was noch viel wichtiger war, meine Freunde waren bereits da. Jeder einzelne hatte es geschafft. Ungläubig, aber doch immens erleichtert bemerkte ich nicht, wie ich auf die Knie sank. Selbst wenn das alles nur eine Illusion war, tat es gut sie zu sehen. Selbst das Klirren meines Stabes auf den Boden registrierte ich nicht. Blut pochte in meinen Ohren, schnell, heiß und rauschend. Ich hob das goldene Fußkettchen meines Löwen an die Lefzen, presste einen Kuss auf das Metall und neigte den Kopf. Ich bekam kaum Worte heraus, doch ich dankte den Elementen, den Geistern, Göttern oder was auch sonst immer meine Freunde geleitet hatte, doch am allermeisten dankte ich ihm für seinen Beistand, auch wenn dieser nur durch sein Kettchen war. Ich wusste das mit ihm an meiner Seite, ich alles schaffen kann. So ging mein Blick wieder herauf und mit klopfenden Herzen schaute ich zu den anderen herüber.


-„Wir… sind durch..? Sind wir..? Seid ihr das wirklich wieder..?"

Kommentare 4

  • Ich mag die Geschichte sehr :)
    Bin immer wieder fasziniert wie fesselnd ein Erlebnis sein kann, wenn man es aus anderer Sicht liest.
    Ich find's sehr gut und passend geschrieben!
    Gerne mehr davon :3

    • Das finde ich auch! Eure Geschichten haben mich inspiriert mal drüber genauer nachzudenken und aufzuschreiben wie er das Ganze erlebt hat. Und ich fand diesen Moment halt sehr passend, grade weil jeder alleine ist und man sich da gut Gedanken machen kann! :3

  • Eine schöne Geschichte. Man fiebert richtig mit ihm mit! Bitte mehr davon!