Teil I - Im Angesicht des Todes | Teil II - Hof der Gnade | Teil III - Aufgebahrt | Teil IV - Du bist das Rätsel
Es ist einer dieser Nächte, die ich liebe. Die schneidende Kälte hat die Luftfeuchtigkeit vom sonnigen Tage in eine dichte Nebeldecke verwandelt. Es ist duster, nicht einmal auf den Schnee fällt Licht, das reflektiert werden könnte. Blind kann ich nur langsam gehen, und trotzdem entzünde ich keine Flamme. Ich genieße die kühle Luft, die meinen Geist schärft und mit der Hitze in meinem Körper ein angenehmes Gleichgewicht bildet. Ich genieße die Finsternis, die alles in sich verbirgt. Die Dunkelheit, die die wilden Konturen des Waldes verschluckt. Büsche, Stämme, Wipfel und Wege verschmelzen in einheitlichem Schwarz. Nicht einmal mich selbst kann ich sehen, was bin ich also noch? Ich bin eins mit dem Wald. Es ist, als würde ich die Fühler meines Bewusstseins ausstrecken und auf alles ausweiten, was da ist. Was sollte ich noch fürchten? Was könnte mich noch verletzen, wenn ich alles bin? Im Grunde ist es eine Meditation. Eine andere als die, die ich ausübe um Magie zu kanalisieren. Es ist befreiend nichts anderes zu tun als hier entlang zu gehen und wahrzunehmen. Aber da ist auch das Wissen, dass die Wildnis mein Friede nicht kümmert. Die Wildnis birgt viele Gefahren. Es ist ein gellender Schrei aus der Ferne, der mich nach langem, stillen Wandeln an meine Sterblichkeit erinnert. Meine Hand packt den Heft an meinem Gürtel und ich öffne meinen Geist für den Fluss der Magie. Was war das? Ein Tier? Eine Bedrohung? Mit erhobenen Licht eile ich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Ich will die Gefahr kennen. Wieder ein grelles Quietschen, dieses mal ganz nah. Mein Verstand ist erfüllt von heller Wachsamkeit, als ich den Schein einer Fackel auf einer Lichtung erahne. Und dort bist du, ein völlig Fremder. Mit gespanntem Bogen kreist du auf der Weide, langsam als hättest du alle Ruhe der Welt. Warum die erhobene Waffe? Da erst sehe ich worauf du zielst - auf den bebenden Körper eines großen Tieres vor deinen Füßen. Wie ein Donner erfasst mich die Erkenntnis - du willst es ermorden. Ich spüre noch den heißen Fluss von Magie, die in meine Hände schießt, da brülle ich “NEIN!” und du wirst von einem heftigen Windstoß gepackt, von den Füßen gerissen. Fort von Leben und Tod und dem schmalen Grat dazwischen, auf den du dieses Tier gelegt hast.
Jetzt ist es still.
Da liegst du nun im Schnee und starrst mich fassungslos an. Du brauchst eine Weile um zu realisieren, was dich in einer windstillen Nacht überrumpelt hat. Und auch ich brauche diesen stillen Moment um mir der Situation in Gänze gewahr zu werden.
Ich habe einem fremden Jäger meinen Willen aufgezwungen.
Kommentare 8