Im Mamorpalast

Durch die Buntglasfenster schimmerte das Tageslicht von irgendeiner Erinnerung. Wenn Yaska so daran dachte, war es in der Schiffskabine eigentlich immer taghell und es herrschte nie das nächtliche Zwielicht, welches die sich bewegenden Wellen draußen erahnen lies.
Das Bett war überhäuft mit Kissen, als wären sie Fjodors Sammelleidenschaft. Die Seekarten lagen unbewegt auf dem Tisch. Das Holz des Bodens und der Wände war unversehrt, alt, charmant. Es würde nie splittern oder nass werden. Nicht, wenn Yaska es an diesem Ort so wollte.
Er hätte sich aufs Bett setzen können, oder auf die Couch unter der bunten Fensterfront am Heck der Kyd. Aber seine Präsenz stand nur mitten in der Schiffskabine, als wäre er das Zentrum dieses Raumes. Wie eine heilige Mitte eines Tempels.
Ewig konnte er nicht bleiben, doch nie war er froher um das Wissen gewesen, immer wiederkehren zu können.
Der Rabe verlies die Kapitänskabine, bewegte sich durch den dunklen Flur zurück an Deck der unversehrten Brigg und über die Luke hinab in den Schiffsbauch.
Warum begann und endete es eigentlich immer hier, fragte Yaska sich. Nach dem, was geschehen war, bereitete ihm dieser Teil des Schiffes nun Unbehagen. Die Gedanken an den zornigen, drückenden Wind. Wie das Salzwasser sich unaufhaltsam und ungezähmt durch die zerstörten Planken drückte. Der panische Schrei seines Raptors und die Anweisungen der Kameraden, die über ihm übers Deck klangen.
Er schob alles bei Seite und schloss die Tür hinter sich, sodass ihn die Kühle des Marmorflures wieder umfing. Der Meeresgeruch verschwand. Die Düsternis des Schiffsbauchs tauschte mit sterilem quellenlosem Licht.
Keine Schritte, keine Flügelschläge hallten an den weißen Wänden wider. Die verschlossenen anderen Türen waren stumme Beobachter, die ihre anvertrauten Schätze sicher hüteten.
Während es den Raben hinaus trug, hinaus aus dem Flur, die weiße, kalte Treppe hinab, durch den unscheinbaren Vorraum, bis zur Eingangstür, begann er den Hafengeruch wieder wahrzunehmen. Die Nachmittagshitze Amnoons. Das Gefühl seines Körpers. Eine Frauenstimme, die ihn ansprach.
„Wir haben alles, was wir retten konnten auf Lager verteilt. Die meisten suchen sich nun in der Stadt nen Ort zum Pennen.“
Yaska sah ihre Quartiermeisterin ausdruckslos an und nickte knapp.
„Ich such mir auch was.“, fuhr sie fort. „Bevor ich doch noch irgendwen umbringe. Was meinst du, wie lange dauert es bis Fjodors Gerichtsverhandlung?“ das androgyne Nornweib trippelte mit dem Fuß. Ihre kurzen Haare waren etwas zerzaust, als wäre der Schiffbruch erst vor ein paar Stunden gewesen und nicht schon Tage her.
„Hoffentlich nicht so lange, dass es sich die Hälfte doch noch anders überlegt und die Crew zerfällt wie unser Schiff.“

Kommentare 5

  • Schön geschrieben. Die Stimmung ist sehr greifbar und das Geschehen sehr bildlich, auch wenn vieles lediglich angedeutet wird. Ich mag gerade, dass du Raum für Interpretationen und es dem Leser überlässt, sich eine eigene Szene im Kopf zu schaffen. Hat mir wirklich gefallen.

    • Der Kommentar bedeutet mir viel, vielen Dank dafür. :)

    • Danke fürs Teilen. Wäre schön, mehr in dieser Richtung zu lesen. (Der Meister der Subtilität, ich weiß)

    • Dieses ... ich nenne es mal "Mind-House" Konzept Rpe ich schon sehr lange (aber nicht open RP) und war bisher hier immer vorsichtig, was davon zu teilen. Aber vielleicht schmeiße ich mal noch so kleine Schnipsel davon hier rein, ja :)

    • Ich mag dieses Konzept. Es muss herausfordernd sein, das im direkten RP umzusetzen, ohne den Spielpartner zu spoilern, während man ihm gleichzeitig Einblicke gewährt, die rein durch Mimik oder Gestik nicht zu transportieren wären.
      Schade, dass du eher zurückhaltend bist, das auch in Geschichten-Form an den Mann zu bringen, aber ich blicke dem nächsten >Schnipsel< entgegen.