Neun Blicke in die Vergangenheit

Wintertag war vorbei. Die Freunde und Familie wieder abgereist. So viele waren hier oben im Norden bei den beiden Norn, bei denen die Fenris Familie schon seit Jahren den Wintertag verbringt. Maven mit seiner Amaya waren da, die beiden Asura Yvvin und Nhyrra natürlich auch. Shen und Acadia waren gekommen und dann auch noch die Starks samt Kindern mit den Dunyanas und Enkelkindern. Groß ist er geworden der Stammbaum, der sich durch die beiden Asura irgendwie verbunden hatte.


Nun aber wurden die Dekorationen wieder abgebaut, die zerrissenen Geschenkpapiere aufgeräumt. Selbst die Reste des üppigen Wintertagsessens wurden in den letzten Tagen vernichtet. Kein Wunder bei den beiden großen Norn, bei denen Naunet schon die letzten Wochen untergekommen ist. Jason und Aleiga hatten sie aufgenommen wie eine eigene Tochter. Besonders Aleiga ist sie sehr dankbar für all die Dinge, die sie ihr in den letzten Tagen abgenommen hat.
Gerade vor ein paar Minuten hatte sie ihr noch ein zusätzliches Fell über die Schultern gelegt und ihr einen Tee gebracht. Nun sitzt die Elonierin hier am Fenster, fernab von der Heimat im hohen Norden. Allerdings hatte sie sich noch nie so zuhause gefühlt wie jetzt. Nicht, dass sie das Anwesen der Fenris nicht mag, das war es absolut nicht. Aber es war voll und… zu voll für sie im Moment. Ihr Blick fällt runter auf ihren Bauch und sie zieht das Fell noch ein wenig enger um sich.


Im Hintergrund kann sie Vincent und Jason hören, wie sie von einer Runde mit den Wolfshunden der beiden Norn zurückgekommen sind. Lurana und Feran, die beiden Hunde schütteln sich und tollen über die Felle auf dem Boden zum Kamin am Ende des Raumes. Irgendwie macht es Naunet Mut die beiden so zu sehen, gerade weil Lurana schon mehrfach schwanger war. Quasi alle Hunde im Anwesen der Fenris stammen von ihr und wer so viele Kinder auf die Welt bringen und dann noch so herumspringen kann, das ist doch sicher ein gutes Zeichen!
Gestern ist der Heiler eingetroffen, Aleiga wird ihm helfen, wenn es dann soweit ist. Wenn es denn mal endlich so weit wäre. Es konnte sich nur noch um Tage handeln, aber das hatte sie auch schon am Wintertagsabend gesagt. Wenn es nach ihr gehen würde, könnte es schon seit Tagen vorbei sein. Aber sie ist nicht diejenige, die bestimmt wie lange eine Schwangerschaft dauern sollte. Neun Monate. Neun viel zu lange Monate in ihren Augen.


Ihr Blick hebt sich wieder und sie sieht aus dem Fenster vor ihr. Es schneit. Wann hatte es die letzten Tage hier eigentlich nicht geschneit? Heute sind es allerdings sehr große und langsam fallende Flocken.


Die erste Flocke verfängt sich an den Eisblumen am Fenster und bleibt dort hängen.


Der erste Monat. Vince und sie hatten gerade geheiratet in der Blutstromküste. Eine Höhle der Sylvari am Rand der Küste hatten sie sich ausgesucht und den wichtigsten Kreis der Freunde und Familie eingeladen. Angedacht war eine Hochzeit unter dem Segen der Melandru, wurde spontan aber doch nur standesamtlich. Beide von ihnen hatten kein Problem damit und die Feier war genau so wie sie es sich vorgestellt hatten.
Einige Tage danach ging es dann los und auf Hochzeitsreise. Noch weiter hoch in den Norden als sie jetzt ist, sind sie gereist. Mit Zwischenstopps genau hier bei den Norn und in der schwarzen Zitadelle. Schließlich sind sie angekommen in ihrer Unterkunft im Grothmar-Tal. Naunet konnte bis dorthin Vincents Faszination mit den Charr kaum nachvollziehen, aber sie hatte sich dann doch im Laufe des Aufenthaltes in den Ort und die Charr verliebt. Über das Konzert zu den einzelnen Lagern der Legionen bis zu der herzlichen Norn, die ihre Unterkunft stellte.
Eines Abends saßen sie draußen unter den Bäumen und das Gespräch wanderte zum Thema Kinder…


Eine weitere Flocke findet ihren Weg an das Fenster.


Der zweite Monat. Die Rückkehr erfolgte einige Wochen später und es kehrte Ruhe im Fenris Anwesen ein. Vor allem für Naunet, bei der sich gegen Ende des Monats eine Erkenntnis festigte.
Es war ein festlicher Abend für sie und das Anwesen war versammelt. Der Anlass war ein völlig anderer. Sie erinnert sich daran mit den anderen vorne gestanden zu haben, die Worte gesprochen zu haben, aber ihren Blick konnte sie nicht von Vincent lösen, der neben Maven vor ihr stand.
Und am Ende des Abends verkündete sie ihm die frohe Botschaft. Die Schwangerschaft.
Über die Tische gesprungen ist er zu allen anderen, es wollte es in die Welt schreien und sie liebte ihn dafür so sehr.


Schneeflocke Nummer drei gesellt sich zu den anderen beiden.


Der dritte Monat war geprägt von einigen Tumulten. Es begann mit einem Gefallen, der eingelöst werden sollte und Naunet hatte sich damals an eine Person gewandt, von der sie dachte, sie könnte in dieser Situation helfen. Oh, wie falsch sie lag.
Allerdings wurde ihr dies erst klar, als die Einladung ins Elysium folgte. Und oh, wie froh sie war dorthin nicht allein gegangen zu sein. Geschäftsbeziehungen wurden aufgelöst, unangenehme Gespräche geführt, aber auch dieser Monat ging schlussendlich vorbei.


Nun sind es bereits vier Schneeflocken auf dem Glas.


Der vierte Monat. Vom durstigen Raben aus wurde der Flohmarkt ausgerichtet und obwohl sie dabei nur ihren einen Stand hüten musste, war es eine schöne Gelegenheit viele Menschen wiederzusehen bevor sie sich erneut zurück ins Haus verdrückte.
Pläne und Angelegenheiten wurden aufgestellt und geregelt. Yvvin war ein großer Faktor in diesen Wochen. Die Familie rückte zusammen für die kleine Asura. Und nicht nur die Familie, auch die Freunde und guten Bekannten. Einiges wurde in Perspektive gerückt zu dieser Zeit.
Zum Abschluss des Monats der Maskenball in der Oper. Seit der Hochzeit hatte sie nicht mehr getanzt und es… tat der Seele gut.


Die fünfte Flocke tümmelt sich zu ihren Freunden.


Der fünfte Monat. Schon seit einigen Wochen tauchte immer wieder diese Canthanerin auf im Leben der Fenris. Durch Zufall getroffen und sie dann einfach nicht mehr losgeworden. Vor ihren Augen spielte es sich ab. Wie Maven und Amaya sich besser kennenlernten, mehr und mehr Zeit miteinander verbrachten. Wie ein frischer Wind zog sie durch die Familienbande und hinterließ an den wichtigen Stellen den richtigen Eindruck. Ob Naunet Maya von dort an vielleicht selbst ein wenig bemutterte? Vermutlich, bisher hat sie sich zumindest noch nicht beschwert.


Eine sechste Schneeflocke findet ihren Platz vor Naunets Augen.


Der sechste Monat. Ein erneuter Rückschlag für alle, der den Samen der Unsicherheit in Naunet pflanzte. Was war schiefgelaufen? Konnte sie sich selbst dafür die Verantwortung geben? Sie war doch gar nicht dabei gewesen. Aber hätte sie dennoch vielleicht…


Sieben Flocken haben nun das Fenster verschönert.


Der siebte Monat. Ein wunderbares Geschenk von Sibian. Nur eine Kleinigkeit, aber dennoch bedeutete es ihr so viel. Dann das Fest des verrückten Königs. Maven hatte es sich also wirklich in den Kopf gesetzt zu jeder Festivität eine eigene Feier anzubieten. Und was für ein Fest!
Sie verbrachten viel Zeit bei Schneidern, bei den ganzen anderen die am Fest mitgewirkt haben und am Ende wurde es ein voller Erfolg. Oder doch nicht?
Ein Dolch, ein Feuer und die Seraphen, daran erinnert sich Naunet inzwischen viel mehr als an das Fest zu dieser Zeit. Eine getrübte Erinnerung zu dem eigentlich so fröhlichen Anlass. Dennoch… so viele Freunde kamen zu ihr. Emma und Jakob, die Dunyanas mit Sorge und Zuversicht um ihr zu helfen.


Eine achte Flocke begradigt die Nummer der Flocken am Fenster.


Der achte Monat. Eine neue Frau trat in das Leben der Elonierin ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich schon weiter aus der Öffentlichkeit gezogen und bekam den Einzug erst recht spät mit. Warum sie schon wieder dachte, sie müsste für sie sorgen?
Vermutlich, weil sie in ihr Aspekte der Vergangenheit und ihrer Zeit in Vaabi gesehen hatte, die sie gerne dort gelassen hätte. Was wäre schon daran für sie da zu sein, wenn sie jemanden bräuchte?


Eine neunte Schneeflocke verschmilzt mit dem Eis auf dem Fenster.


Der neunte Monat. Wintertag. Der Geburtstag von Vince. Morgen würde es soweit sein und sie würden es sich gemütlich machen. Vielleicht sich ein wenig draußen an das Feuer setzen. Ihr Kopf gegen seine Schultern gelehnt mit zwei Tassen heißer Schokolade. Wie schön das wäre. Jason könnte von seinen Abenteuern erzählen und die Hunde würden zu seinen Füßen liegen, die Köpfe auf ihre Vorderläufe gelegt.
Aleiga würde ihm irgendwann auf den Kopf hauen, ihm sagen er solle nicht so übertreiben. Sie würde sicher irgendetwas gekocht haben und…


Die zehnte und letzte Schneeflocke fliegt auf das Glas zu.


Ein Schmerz zieht sich von unter ihrem Herzen hinab in ihren Schoß. Kräftiger und schmerzvoller als sie zuvor je waren. Ihre Hand schnellt auf ihren Bauch, der sich nun erneut zusammenzieht. Fast schon panisch hebt und senkt sich der Brustkorb der Elonierin als sie versucht gegen die Schmerzen anzuatmen. Sie presst die Augen zusammen, verzieht das gesamte Gesicht im Anschluss und lässt ein Keuchen von sich erklingen. Dann ein Gefühl des Loslassens, ein Druck der plötzlich nachlässt und im nächsten Moment eine Nässe, die sich unter ihr ausbreitet.
Aleiga ist die erste, die Naunets erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkt, sie sieht wie sie sich zusammenkrümmt und dann langsam zu der Norn nickt.


„Es geht los…“

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