„Vichen...“
„Nenn mich nicht so!“
Die beiden Schwestern sahen sich an. Ernst funkelte die Jüngere zur Älteren auf.
„... Villiméy, er ist tot. Owe lebt nicht mehr.“
„Ach.“ Es klang nicht sonderlich überrascht. Im Gegenteil. In der Stimme der Jüngeren schwang Verachtung. Abscheu. Ihre Schwester glaubte sogar, in diesem einen Wort Hass vernehmen zu können.
„Ach? Ist das alles? Er war uns Freund, seit wir Kinder waren. Er hat uns immer geholfen. Stand Ma bei, als Paps ging. Hat den Hof mit aufrecht erhalten. War eine große Stütze, als die Futterernte ausblieb. Er war ein guter No-...“
„Illgrési, er war ein dreckiges Stück Scheiße!“
Stille.
Die Frauen sahen sich an.
Eine lange Zeit sprach keine mehr etwas. Sie musterten sich. Versuchten gegenseitig die Gedanken der Anderen zu ergründen. Doch mehr als die optische Ähnlichkeit zueinander hatten sie nie gemein.
Villiméy schob die Arme in eine verschränkte Haltung. Das Kinn wurde gereckt. Trotzig, befand ihre Schwester. Illgrési atmete durch, strich sich eine Strähne zurück hinter das Ohr. Sie war immer die Vernünftige gewesen. Kam nach der Mutter. Hatte einen Bundkerl, vier prächtige Kinder und alle Hände voll mit dem Hof zu tun. Während sie ihre Schwester betrachtete, stach ihr der beißende Geruch von Schwarzpulver und Salz in die Nase. Die Jüngere war unvernünftig, laut und rebellisch. Suchte ihre Wurzeln abseits der Gipfel. Bestimmt trieb sie es auch mit allem, was nicht Norn war. Sie hatte schließlich schon immer getan, was ihr gerade in den Sinn kam.
Just in diesem Moment traf die Erkenntnis Illgrési wie ein Faustschlag.
„Hast du es getan?“
„Habe ich was getan?!“
„Ihn getötet.“
Die Jüngere schwieg. Sonst fiel es ihr unglaublich leicht Lügen zu erzählen. Es war Teil ihres Jobs. Leute belügen, um die nötigen Informationen zu bekommen. Doch gerade hatte sie schlicht keine Lust dazu. Deshalb sprach sie kein Wort. Allerdings hatte sie den Eindruck, so etwas wie Gewissheit auf den Zügen ihrer Schwester zu erkennen.
„Du hast ihn umgebracht. Warum, Villi? Warum?!“
„Ach. Hast du Beweise dafür?“
Stille.
„Dachte ich mir. Keine Beweise, keine Antworten.“
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