Simulationen: Treue

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Ich wache von einer lauten Stimme auf. „He, Balg. Das ist kein Hotel. Schlaf woanders.“ Die Frauenstimme zetert mich an, hebt mich aus dem kratzigen Strohboden. Ich stehe also auf und laufe an der großen Frau vorbei auf die mondbescheinte Strasse. Ich schaue an mir herunter, befühle meine Arme. Ich befinde mich in einem geschundenen Kinderkörper. Blaue Flecken und Schrammen zieren meine Haut, doch noch schlimmer als das, ist mein Herz mit dem Gefühl vernarbt unwillkommen zu sein. Nun, so ist das Leben als Straßenkind. Eigentlich wollte mich der Anführer der Bande, bestehend aus anderen verwahrlosten Kindern, in seinem Keller schlafen lassen. Das Dumme ist, dass ich das erforderliche Geld nicht erbettelt habe und ich deshalb keinen Zutritt bekommen habe. Mein Weg führt mich die Strassen hinauf und hinab, ohne Ziel, nur um mich warm und wach zu halten.
Wenn es so wichtig ist, dass ich Geld einbringe, wieso haben sie so viel von Treue geredet? Die anderen Kinder wurden ja auch hinausgeschmissen, wann immer den Stärkeren der Sinn danach stand.


Meine nackten Füße patschen auf das Pflaster und mit jedem Tritt steigt ein neuer Gedanke in mir auf:
Tapp,
meine Mutter wendet sich von meinem Vater ab, als er krank wird. Da war ich noch so klein…
Taps,
mein Vater gibt unser Geld aus, um sich von Ärzten zu behandeln. Doch nichts hilft. Er presst das letzte Geld aus unserem Hab und Gut, dann aus der Arbeit seiner Kinder…
Tapp,
meine Geschwister machen sich aus dem Staub...einen sterbenden Vater, der nichts mehr hat, zu verlassen...ich kann sie fast verstehen.
Taps,
meine Freunde sehen mich nicht mehr, ignorieren mich. Ich bin nur noch ein schmutziges Kind für sie.
Ich bleibe stehen und schaue mich um. Die dunkle Strasse ist verlassen. Die Laternen bescheinen eines der kleineren Stadttore, das nur von wenigen Wachen bewacht wird. Mit einem Nicken beschließe ich es in Angriff zu nehmen. Mit leisen Schritten schleiche ich mich am Rand entlang, raus aus dieser verräterischen Stadt.
Wenn niemand mir treu ist, dann muss ich zumindest mir selbst treu sein.


Ein weiteres Mal, hoffentlich das letzte Mal, verschwimmt der Boden unter mir.


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