Schatten

Nachts wenn es dunkel wird kriechen die Monster unter der Betten und aus den Schränken kleiner Mädchen hervor. Gwyn fürchtet sich anders als jedes andere kleine Mädchen nicht vor den Monstern die unter dem Bett oder aus den Schränken hervor kriechen. Nein; das kleine, hübsche, blonde Mädchen,immer schon ein wenig zart,ein wenig zerbrechlich sitzt aufrecht in ihrem Bett wenn die Nacht über das Lang kriecht, lauschend, wartend... bis das Flüstern aus den Schatten dringt und das leise Rascheln. Nicht wie Stoff, nicht wie Papier. Nein anders, leiser weicher und sanfter. Das kleine Mädchen zieht die Beine an den Leib und lauscht. Das Flüstern und das Rascheln singen die halbe Nacht hindurch bis der Mond endlich hoch genug steht das er die Schatten aus ihrem Zimmer vertreibt und das Flüstern verklingt und das kleine Mädchen endlich einschläft. Morgens kriechen die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont und der Schlaf der Kleinen wird langsam ruhiger, tiefer und friedlich aber das Wispern klingt immer noch in ihren Ohren, die Geheimnisse,das Wissen und die Angst lässt die Augen unruhig herumhuschen als würde sie träumen. Die Lippen bewegen sich lautlos,murmeln leise Worte die die Schatten ihr zugeflüstert haben. Im Sonnenlicht tanzen kleine Staubkörnchen, von der Luft hin und her getragen, schöner als jeder Walzer den Menschen auf einem Ball zu tanzen vermögen. Um die zerbrechlichen Finger des Mädchen tanzt auch etwas, langsam, friedlich und träge, sanft und streichelnd wie eine Feder, kühl wie der Tau der am Morgen die Gräser zu ihrem Fenster benetzt. Das Licht bringt das helle Haar zum glimmen, ein wenig nur wird das Licht von den dünnen feinen Schatten geschluckt die manifestiert nun um ihre Finger kreisen und wirbeln. Langsam nur denn sie schläft noch. Träge wie eine Katze die sich in der Sonne räkelt, zärtlich wie die Hand einer Mutter. Erst nur um die Finger,dann die Handflächen, dann die Arme bis schließlich ihr ganzer zerbrechlicher Körper von den ebenso anmutenden Gespinsten eingehüllt ist... Gespinste die niemand zu lösen vermag und das Kind schlafen lassen. Unruhig und mit stetig wandernden Augen und des Nachts huscht etwas in den Schatten umher, flüstert mit leisen zarten Stimmen die nicht wie aus dieser Welt klingen Geheimnisse und Wissen in das Ohr des Kindes... und an ihrem Handgelenk blitz das Silber des Anhängers den sie im Wald gefunden hat.


Ein sonniger Tag war es. Schön, warm... heiter. Ihre Mutter erlaubte ihr im Garten zu spielen, etwas das selten vorkam denn Gwyn hatte von den Göttern zwar das Geschenk der Magie erhalten doch leider auch einen zerbrechlichen zarten Körper. Und so kamen und gingen die Lehrer im Haus der Familie ein und aus, sie zu lehren die Magie im Zaum zu halten aber sie nie zu benutzen. Bei ihrer zarten Konstitution würde es doch nur dazu führen das sie noch schwächer werden würde. Vielleicht sterben. Sie war immer ein wenig einsam, wen wunderte es da das sie sich ausgedachte Spielkameraden erschuf? So jedenfalls erklärten es sich ihre Eltern wenn die Kleine mit niemandem außer sich selbst dennoch Konversationen führte. Acht Jahre alt war sie nun schon und es war langsam absehbar das sie zu einer hübschen jungen Frau heranwachsen würde.Wenn sie nur keine Magie benutzte ... denn da waren ihre Eltern sich sicher, diese würde ihr Untergang sein.Ihr Tot. Und wie alle guten Eltern machten sie sich Sorgen, dachten nach.Eine Heirat wäre wohl das Beste, sicherlich nichts allzu aufregendes für ihre kleine süße Tochter, etwas ruhiges.Sicheres. Etwas das nichts mit Magie zu tun haben würde. Und während die beiden im Garten saßen und sich unterhielten flog ein kleiner blonder Wirbelwind durch den Garten, hinter sich her an einer Schnur einen kleinen noch zarteren Drachen aus buntem Papier ziehen. Ihr Vater hatte ihn ihr gekauft, hatte er doch die gleiche grüne Farbe wie die wachen Augen. Das Mädchen mochte zart sein doch schlau, klug und wissbegierig und sie verschlang jedes Buch das ihr Vater ihr brachte um die große Bibliothek noch weiter zu vergrößern. Eine seltene Gelegenheit das sie draußen spielen durfte fürwahr... doch das Flüstern das in den Blättern des nahen Walds raschelte war geduldig und alterslos. Was war es schon ein paar Minuten zu warten ...bis das Kind nahe genug war um es zu hören? Der Drachen flatterte munter im Wind, die zarten Füße trugen sie doch sicher übers Gras und dann... ein Huschen am Boden, zum Schatten der Schnur des Drachens hin und ein leises Ratschen...der Drache segelte davon. Gwyn blickte natürlich hinterher. Ihr geliebter Drache! War es doch das einzige Spielzeug das ihr Vater, ihr liebster Vater ihr je gebracht hatte damit sie draußen spielen konnte. Also sah sie ihm hinterher...und der Drache hüpfte zum Wald hinüber. Einen Blick zu den Eltern zurück,beide waren so in ein Gespräch und große Mappen vertieft, Mappen mit zukünftigen Heiratskandidaten für die kleine Gwyn. So gar verstand sie es nicht aber es schien ihren Eltern überaus wichtig...Ob sie überhaupt wagen durfte sie zu stören? Ein Blick zu dem Drachen... immer weiter schwand er aus ihrem Blick und so eilte das kleine Mädchen ihm hinterher. Ihr Vater wäre sicherlich wütender das sie den Drachen verloren hatte als das sie für ein paar Herzschläge aus dem Sichtfeld der Eltern verschwunden war... Oder? Das Laub raschelte leise unter ihren Füßen,hier und da knackte einer der trockenen Zweige im Unterholz und noch immer lies sie den Drachen nur für einen Herzschlag aus den Augen. Kostbar,kostbar war ihr das Spielzeug doch zu fallen und das schöne Kleid zu ruinieren? Das würde Mutter nun wirklich traurig machen. Es war doch ein Geschenk von ... diesem Mann und seinem Sohn. Einem Freund ihrer Mama. Also war Vorsicht geboten und dennoch nicht zu viel, denn der Drache...der grüne Drache... Tiefer und tiefer ging es in den Wald hinein, der Drache hüpfte und tanzte... zwischen den hoch aufragenden Stämmen der Bäume hindurch. Seltsam...seltsam sicherlich doch in einer Welt voller Magie? Warum sollte es nicht einen Wind geben der mit ihr spielen wollte? Und so waren die Sorgen um das Kleid bald vergessen und sie hüpfte fröhlich hinter ihrem geliebten Drachen her. Der Wald war kühl, das dichte grüne Blattwerk - Grün wie ihr Drache - sperrte das Licht und die Hitze der Sonne aus... bis sie zu einer Lichtung gelangte. Ein Haufen Steine, von der Natur übereinander geworfen und von der Sonne gewärmt ragte mitten auf, mit Moos bewachsen und übereinander gestapelt ragten die Steine hoch auf. Und ihre Drachen...ihr Drachen kam genau davor zum Liegen wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen. Etwas raschelte leise im Gras aber das war sicher nur der Wind.Der Wind der im Unterholz leise raschelte, im Gras, im Blattwerk der Bäume... Mit einem glücklichen Lachen schnappte Gwyn sich ihren Drachen, stolz auch mal alleine einen kleinen Sieg errungen zu haben wandte sich das Mädchen ab, lächelnd,die blonden Haare hüpften mit ihrem Schritt. Bis ...bis sie das Flüstern hörte. Leise nur, doch ganz anders als der Wind. Leise nur, doch anders als jede Stimme. Leise nur, doch wie das Flüstern das sie sonst auch kannte. Das Lächeln verschwand nicht von ihren Lippen, nein es blieb und blieb...und wieder raschelte es leise im Gras. Die Steine auf der Lichtung, von der Sonne beschienen schienen plötzlich noch so viel größer... und der Schatten den sie warfen streckte sich ein wenig, wurde allmählich größer bis die kleine Gwyn ganz darin verschwand. Nicht die Steine hatten sich bewegt sondern das Mädchen, von dem leisen Flüstern angezogen...wie an einer Schnur. Und das Flüstern verstummte nicht. Nein es kam aus einer der Ritzen zwischen den Steinen, eine Spalte, klein und eng und doch vernahm sie von genau dort ...das leise Flüstern. Eine leichte Kühle strich über ihre Finger als sie hinein griff. Kinderhände sind klein und schmal und die von Gwyn umso mehr, die Arme zwar nicht lang aber so sehr tief musste sie nicht greifen. Nein nur ihr halber Arm verschwand im Loch. Dunkel war es, kühl... und das Flüstern wurde ein wenig lauter. Ihre Finger tasteten... suchten bis ... sie gegen etwas hartes stießen. Kühler noch als die Schatten in dem Stein aber glatt und klein, kaum größer als einer der winzigen Knöpfe die ihr Kleid verschlossen. Als sie hervor zog weiteten sich die grünen Augen in kindlichem Erstaunen, etwas das ihr sonst fremd ist, scheint sie doch immer so erwachsen und beherrscht.Bloß die Magie nicht hervor kommen zu lassen... Ein kleines Stück Silber, kreisrund und mit Verzierungen versehen,verschlungen und dicht, unentwirrbar und das Auge müde machend mit den vielen Pfaden die sie beschreiben... fest umschloss sie das gefundene Schmuckstückchen, ein wenig kühl war es in ihrer Hand aber das störte sie nicht.Nein es war angenehm. Und als sie ihren geliebten Drachen wieder aufhob und zurück zu ihren Eltern rannte hielt sie den kleinen Schatz so fest in ihrer Faust geborgen das die Konturen sich in ihre Hand pressten und einen Abdruck hinterließen. Langsam flüstern die Schatten... streicheln über die Innenseite ihrer kleinen Hand. Und der Anhänger fand noch an diesem Nachmittag einen festen Platz an ihrem Handgelenk. Ihre Eltern hatten kaum bemerkt das sie vor war, Sorgen hatten sie sich gemacht, nach ihr gerufen doch als sie wieder auftauchte und fröhlich von ihrem Drachen und dem Silberstück erzählte... dachten die Eltern sich nichts dabei. Kindergeschichten...sind schließlich nur Kindergeschichten.


Und nun baumelte der Anhänger an einem kunstvoll geflochtenem Lederband um ihr Handgelenk...und Gwyn schlief. Tagelang vermochte niemand es sie zu wecken, tagelang wisperten und flüsterten die Schatten um ihren kleinen Leib und die Mutter weinte bitterlich,vergoss Tränen um ihre kleine süße Tochter von der sie sicher war das sie sterben würde. Nicht für einen Moment verließ sie ihr Zimmer,nicht für einen Moment ließ sie die Schatten aus den Augen. Als Gwyn schließlich die Augen aufschlug war sie benommen, was sollte man auch sonst erwarten? Müde und träge, nicht ganz bei sich sprach sie von Stimmen die ihr Geheimnisse versprochen hatten wenn sie sie nur mit sich nehmen würde,niemals ablegen und ihnen die Welt zeigte. Die Schatten hatten ihr geflüstert... Geheimnisse,keiner dürfte sie wissen außer ihr... es wären ihre Geheimnisse...und ihre Kraft. Und als die Eltern nicht verstanden lächelte Gwyn und begann zu essen. Viel viel mehr als sonst, nicht mehr der Appetit eines kleinen Vögelchens... ihr Körper blieb dünn und zerbrechlich und zart, doch das Lächeln auf ihren Lippen wollte nie so richtig schwinden. Die Lehrer kamen und gingen, Gwyn lernte und lernte und lernte und der Anhänger baumelte blitzend von ihrem Handgelenk. Denn was sind schon ein paar Jahre wenn man die ganze Welt sehen kann? Wenn man nur geduldig ist, sie nur lernen lässt... Und die Geheimnisse wahren lässt...und ihre Kräfte zu beherrschen lernt... Und die Schatten flüsterten jede Nacht doch dieses Mal hatte Gwyn keine Angst. Nein.Sie hörte zu und lernte. Und wurde mächtig. Zerbrechlich war sie nach wie vor doch ihre Eltern mussten sich nicht länger sorgen.. Die Anwendung von Magie schien sie nicht zu töten, nein vielmehr verschaffte es ihrer Tochter eine Freude und einen Wissensdurst der alles in den Schatten stellte... in den Schatten. Denn das war es was stetig und treu um Gwyn Finger kreiste,wie dünner Rauch,wie Tinte in Wasser die sich nicht lösen will.Nicht ganz fest und nicht ganz flüssig. Nicht bedrohlich und auch nicht wütend... Doch Selbstbeherrschung war der Schlüssel zu allem. Und als Gwyn nichts mehr aus ihren Büchern und von ihren Lehrern lernen konnte die sie täglich stundenlang auf Trab hielt... da ging sie.Und der Anhänger mit ihr. Bis zu diesem Tage baumelt er fröhlich im Sonnenlicht blitzend an ihrem Handgelenk, an dem kunstvoll geflochtenen Lederband und die Schatten flüstern und wispern, fröhlich und sanft während Gwyn sich die Welt ansieht und sie sich mit ihr. ....und ihre Eltern? Denken schon lange nicht mehr darüber nach ihre Tochter in eine ruhige, friedliche Ehe zu stecken. Denn das wäre ihr Tod. Wer will schon an Langeweile sterben wenn man eine mächtige Nekromantin sein kann?