✬ Schnee ✬

Charakter: ✬ Riotea ✬


Ein Schleier voller unberührter Unschuld. So rein und friedlich. Dennoch begräbt er alles unter sich. Kein Gras reckt seine Spitzen hinaus, keine Blume ist stark genug. Die Äste der Bäume hängen tief mit der schweren weißen Last. Sein leises rieseln, fast ungehört, dringt durch den dicken Stoff an mein Ohr. Stille und doch hört man jede Schneeflocke, die ihr Ziel erreicht. Silbriges Licht erhellt die unebenen Weiten und unberührten Wege. Spiegel er doch nur das Licht des Vollmondes wieder. Keine Wolke verdeckt den Nachthimmel. Es scheint als Fallen die Sterne und werden zu Schneeflocken.

Mit dumpfem Geräusch sinken meine Füße tief in das friedliche Weiß, bevor sie festen Halt finden und ich langsam den nächsten Schritt machen kann. Mein Atem nimmt mir die Sicht und zeigt mir dennoch den Weg des Windes. So folge ich ihm durch den Schnee und sehe den Sternen weiter beim Fallen zu. Die Kälte erreicht meine Glieder, macht sie träge, macht sie schwer.

Wohin gehst du?

Hast du mich gefragt. Ich weiß es nicht.

Was ist dein Ziel?

Hast du mich gefragt. Ich weiß es nicht.

Kommst du zurück? Hast du mich gefragt. Ja, ich komme zurück.

So führten mich meine Schritte weiter in den Schnee, tiefer in das Land und weiter durch die lastigen Tannen. Schatten im Schnee spielen mir Streiche, fallender Schnee macht mich glauben, nicht alleine zu sein.

Wohin gehst du?

Habe ich dich gefragt. Du wusstest es nicht.

Was ist dein Ziel?

Habe ich dich gefragt. Du wusstest es nicht.

Kommst du zurück? Habe ich dich gefragt. Ja, du kommst zurück.

Nun folge ich nicht mehr dem Wind. Schritte werden schneller. Die Stille schreit in meinem Kopf, doch das Einzige was ich höre, ist dein Herzschlag. Er weist mir den Weg, zwischen Bäumen hindurch, über Hügel hinweg und fernab der Gräben unter unschuldigem Weiß. Meine Schritte werden flacher, versinken weniger im Schnee. Der Boden unter meinen Füßen wird fester, glatter. Vom Wind befreit liegt das Eismeer vor mir. Tiefes, reines Blau soweit das Auge reicht. Noch immer scheint der Vollmond mit seinem Lächeln vom Himmel herunter und lässt sein silbernes Licht auf dem Eis wie Kristalle glitzern.

Also gehe ich weiter auf glattem Wasser. Den Weg entlang der mich wie Glas vor dem Ertrinken schützt. Schatten und Gespenster säumen meinen Weg, aber ich verliere ihn nicht. Folge weiter deinem Puls, deiner Wärme und deiner Stimme. Bis ich das andere Ufer erreicht habe. Denn was mich leitet war nicht der lachende Mond, der kalte Wind oder der Schnee aus Sternen.

Was mich leitet, bist du.


Riotea legte den Stift zurück auf den Schreibtisch und sah aus dem Fenster. Kleine Eisblumen hatten sich dort gebildet. Ihr Rückblick aufs Jahr war ein Lachen mit Tränen. Sie hatte so viel Angst vor der Hochzeit gehabt, davor so vieles falsch zu machen und dann? Ja, sie hätte ihn auch nackt in irgendeiner von den Göttern verlassenen Höhle im Kampf gegen eine Bestie geheiratet. Nur um es zu tun.

Lyudes Tod schmerzte sie, aber nicht mehr so sehr wie zu Anfang. Immerhin war ihre Familie gewachsen. Daran würde sie auch nichts ändern wollen. Ob der Professor nun wollte oder nicht. Artemis war ja auch ein Teil der Familie geworden.

Etwas in Gedanken verloren legte sie die Hände auf den Bauch.

War jetzt die richtige Zeit?

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