Dysfunktionales Patriarchat

Alles war genau so, wie er es zurückgelassen hatte.

Lautstarkt hallten die Schritte des hochgewachsenen Canthaners durch die hohen, prächtig dekorierten und dennoch farbenlosen Flure jenes Anwesens, welches er, bis vor wenigen Monaten, als sein Zuhause bezeichnete.

Alles war gleich, abgesehen von einem Detail, welches dennoch groß und drängend genug war, um ihn zurück dorthin zu bringen, wo alles begann.

Er hatte gedacht, oder zumindest gehofft, dass ihm eine Rückkehr erspart bleiben würde, dass er, wenn überhaupt, zurückkommen würde um seine Schwester dort rauszuholen. Doch nun war sie weg und niemand in diesem Haus, schien ernsthaft etwas dagegen zu unternehmen.

Vor der schweren Doppeltür, welche den Flur vom Aufenthaltssaal seiner Eltern abgrenzte, blieb er stehen. In Momenten wie diese, wollten seine Gedanken sich wieder in endlosen Schleifen verlieren, doch am Ende, war es auch hier wie immer: Ein kurzes, tiefes Durchatmen und das Gewitter in seinem Kopf verstummte wieder. Schon früher, als er noch jung und abhängig von der Gunst seiner Eltern war, fühlte er sich klein, wenn er vor ihr stand. Doch das war kein Gefühl mehr, von welchem er sich noch einschüchtern ließ.

„Dylan!“

Kaum, dass der hagere Bleichling schließlich in den hohen, langen Saal trat, wollte auch schon eine Frau auf ihn zueilen, die Arme bereits ausgebreitet; jedoch wurde sie durch eine donnernde Männerstimme aus dem hintersten Punkt des Raumes aufgehalten.

„Ruhe, Weib!“

Sie blieb stehen, zog den Kopf ein wenig ein und faltete schweigend die Hände vor dem Schoß.

Das schabende Geräusch von Holz, welches über den steinernen Boden geschoben wurde, begleitet von lautstarken, langsamen Schritten erfüllte den Raum, als an Stelle der Frau nun ein Mann vor Dylan trat.

Hoch gewachsen war er, mit kurzem, streng zurückgekämmtem, schwarzem Haar und streng geschnittenen, scharfen Gesichtszügen.


Früher hatte man ihm oft erzählt, er sah seinem Vater, wie aus dem Gesicht geschnitten, ähnlich – Heute, vermochte er lediglich die dunkelgrauen Augen, deren Farbe an brodelnde Gewitterwolken erinnern mochte, als einzige Gemeinsamkeit zu sehen.

„Wie ich sehe, hast du dein kleines Abenteuer beendet“, stellte der Mann mit kühler Stimme fest und blieb dicht vor dem Weißhaar stehen.

„Mitnichten, Vater“, entgegnete Dylan frostig, hob das Kinn ein wenig an und legte die Arme hinter dem Rücken ab.

„Was führt dich dann hierher?“

„Wir haben uns Sor-..“, wollte die Frau den Worten ihres Gattens beifügen, doch dieser brachte sie mit einem weiteren: „Du sollst schweigen!“, zur Ruhe.

Jetzt erst huschte der Blick des jungen Heilers zu seiner Mutter, die da erneut zusammenzuckte und das Haupt leicht senkte.

Sie so zu sehen, regte nichts in ihm. In seinen Augen, war sie nicht weniger verachtenswert als sein Vater. Für ihn war sie nicht mehr, als die Frau, die es nie schaffte, sich für ihre Kinder zu erheben.


„Einige Dinge, ändern sich wohl nie.“, seufzte Dylan leise und richtete seinen Blick damit wieder zu dem dunkelhaarigen Mann, welcher ihn weiterhin streng und erwartungsvoll anblickte.

„Ich bin hier, um mich jener Angelegenheit anzunehmen, welche ihr, Vater, nicht alleine zu lösen wisst.“

Ein leises Schnauben, gefolgt von einem lauten Gelächter, war die Reaktion auf seine Worte.

„Du? Was willst du hier ausrichten, hm? Ich habe bereits alle verfügbaren Mittel mobilisiert, ich m-..“

„Offensichtlich sind sie ineffektiv. Genau wie eure Methoden, dieses Haus zu leiten“, unterbricht der bleiche Heiler den Mann und schüttelt den Kopf.

„So wirst du nicht mit mir reden, Dylan“, war die knurrende Antwort des Hausherren, welcher sich nun, direkt vor dem Heiler, zu voller Größe aufrichtete.

„Ihr seid in keiner Position mehr, mir vorzuschreiben, wie ich wann mit wem zu sprechen habe. Diese Möglichkeit habt ihr euch über viele Jahre verspielt. Ich weiß, dass Shiigo in euren Augen nichts weiter als eine Mitgift ist, welche ihr dem nächstbesten Adelshaus andrehen wollt um euren eigenen Einfluss zu steigern, doch sie ist weiterhin meine Schwester…und im Gegensatz zu euch, bedeutet mir das noch etwas.“

„Die reizenden Worte eines Träumers, wie seit jeher“, schnaubte sein Vater und wandte sich nun wieder von ihm ab. „Du bist also nur hierher gekommen, um dich persönlich davon zu überzeugen, dass sie nicht mehr hier ist? Bitte, nun siehst du es.“, fügte er schnaubend hinzu und kehrte zurück an den langen Nierentisch, am anderen Ende des Raumes.

„Wieder liegt ihr falsch“, antwortete der bleiche Heiler nonchalant und löste seine Arme wieder von seinem Rücken, um sie locker vor der Brust zu verschränken.

„Ich bin gekommen, um euch einen Handel vorzuschlagen…“

Kommentare 4

  • "Für ihn war sie nicht mehr, als die Frau, die es nie schaffte, sich für ihre Kinder zu erheben." ;(

    Was ist hier denn nur los?! Gibt es denn keine grenzen- und bedingungslose Elternliebe mehr?!

  • Hallo! Wo bleibt bitte der nächste Teil der Geschichte? Mhm? MHM?!


    Bitte schreib mehr! Also so allgemein. Ich finde deine Geschichte toll.

    • Danke dir <3

      Hab auch vor, noch ein bisschen mehr zu Dylan zu schreiben :)