Hochzeitstorte

Hochzeitstorte


Diarmai schloss die Augen, setzte ihre Sonnenbrille ab und rieb sich durch das Gesicht, einen leisen Seufzer von sich gebend.

‚Wieso gerade jetzt?!‘ dachte die schwarzhaarige Süßspeisenspezialistin und seufzte abermals, bevor sie die getönten Gläser wieder vor ihre Augen schob um diese blinzelnd zu öffnen.

Hilflos schaute sie ein wenig vor sich her, trat ein kleines loses Steinchen davon und setzte sich gemächlich in Bewegung – freilich ohne auf den Weg zu achten, denn die Mittdreißigerin war völlig in Gedanken versunken.


Sie hatte nur noch wenige Tage, um ihren Auftrag auszuführen; einen Auftrag, für den sie normalerweise Wochen an Vorbereitungen, an Versuchen und letztendlicher Durchführung einplanten… und dabei zu zweit waren. Doch Arlassia war bereits seit geraumer Zeit völlig mit der Herstellung der Waren des Herzlich und der Erziehung ihrer beiden Kinder ausgelastet, und sie hatten daher verabredet, dass sie beide, sowohl Diarmai als auch Arlassia, kürzer treten und keine Zusatzaufträge mehr annehmen wollten. Eine Verabredung, die Diarmai ganze 2 Jahre lang hatte einhalten können, bevor die Hummeln im Hintern der größeren Herzlichliese so kribbelten, dass sie es nicht mehr aushielt. Bestimmt, war sie zuversichtlich, wäre der ein oder andere Zusatzauftrag eine willkommene Abwechslung zum eingetretenen Alltag, und überhaupt wollte sie doch einmal wieder unter Leute kommen. Sie hatte sich gefragt, wie viele interessante Charkatere, wie viele neue Bekanntschaften und Freunde da draußen auf sie warten mochten und was für spannende und lustige Erlebnisse erlebt werden wollten. Natürlich schwang auch die Hoffnung, dass viele freudige und anrührende Momente dabei sein würden, mit.


Nun aber schob Diarmai missmutig die Hände in die Hosentaschen und blähte unwillig die Wangen auf. Sie hatte schon einen ganzen Tag verplempert mit Gedanken und Ideen, die letztlich ins Leere geführt hatten. Hatte sie sich übernommen? Nein, es war nicht so, als hätte sie keine Ideen für die Hochzeitsleckereien. Das Gegenteil war sogar der Fall. Aber nichts, das ihr eingefallen war, hatte sie so sehr begeistert, dass sie sich hatte vorstellen können es in die Tat umzusetzen. Arlassia fehlte ihr. Und es war doch immerhin eine Hochzeit. Der vielleicht wichtigste und hoffentlich wunderbarste, einzigartigste Tag in dem Leben zweier Seelen. Und Diarmai weigerte sich, zu diesem besonderen Fest etwas abzuliefern, dass nicht genauso wunderbar war.

Nur leider… wollte ihr die zündende Idee einfach nicht in den Kopf kommen.


Sterne, tanzen. Erdbeeren. Blau und weiß. Musik. ‚Komm schon, du alte Tante, das ist doch nicht schwer.‘ schalt sie sich und nahm wie nebensächlich wahr, dass sie in der Oberstadt angekommen war. Die von Selbstzweifeln bedrohte Frau suchte sich kurzerhand ein Fleckchen grün, auf dem sie sich niederließ, die Hände auf die dünnen Grashalme legend. Plötzlich flirrte eine alte, lange vergessene Erinnerung an diesen Ort auf, so kurz und verschwommen, dass sie schon wieder aus ihrem Geist entschwunden war, bevor sie sie recht greifen konnte. Zurück blieb einzig das Gefühl einer wärmenden Hand auf ihrer, das Gefühl einer Berührung, welche einstmals nicht bloß ihre Haut, sondern ihr ganzes Wesen erwärmt hatte.

Diarmai hielt überrascht, ja beinahe erschrocken die Luft an, bevor sie tief und eilig durchatmete. Der Blick schweifte von ihrer einsamen Hand in den Himmel – elektrisiert von dem, wessen sie gewahr wurde und gleichsam noch ergriffen von etwas, das ihr so fern vorkam wie aus einem anderen Leben.


‚Danke‘ hauchte sie gleichsam in die Vergangenheit und den Wind, erlaubte sich einen Moment der Sammlung. Dann wurde das sich bildende Schmunzeln auf ihren Lippen auch schon zu einem weiten, warmen Lächeln, während sich in ihrem Geiste das Bild des jungen Hochzeitspaares formte.


‚Ich hole euch die Sterne vom Himmel. Alle.‘



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