Der umarmende Griff einer Mutter und die ehernen Worte eines Vaters

Sahem saß auf dem imposanten Bett in der zerbrochenen Wunderlampe.

Er hatte sich wieder in sein Einzelzimmer zurückgezogen. Die Schuhe waren fein säuberlich zur Seite gelegt und seine Füße spielten etwas mit dem Teppich, der unter dem Bett lag.

Dabei schweiften seine Gedanken unweigerlich zurück an die Flusslande. Dort, wo das Anwesen seiner Familie am Wasser, nicht unweit des Walls lag. Schon als Junge hat er zwischen den Plantagen gespielt und immer wieder seine Füße in das kalte Nass der Wasserbecken verschwinden lassen. Doch heute tragen ihn seine Gedanken noch ein Stück weiter.


Es war seine unvorsichtig neugierige Art gewesen, die ihn verwandelt hatte und unweigerlich dazu führte, dass er heute auf einem fremden Bett in einem fremden Land sitzen würde.

Es war ein sonniger Tag, das Schimmern der heißen Luft über den Hügeln trübte die Sicht, als ein Kind nicht unweit eines prächtigen Herrenhauses spielte. Ein einfaches Spiel, hoppelnd wie ein Hase folgte der Junge eben diesem Tier. Es waren die Götter, die das Land so karg gemacht hatten, es war der Exodus der Götter, der für die spitzen Steine auf dem sandigen Boden gesorgt hatten. Das Kind wäre auf einen spitzen Stein gesprungen, hätte schreiend seinen Fuß gegriffen und wäre zur Seite gefallen, leicht die Böschung heruntergerollt und im Wasser gelandet. Doch da war ja noch der Untote jenseits des Walls, in seinen Versuchen immer mehr elonischen Boden in seinen Besitz zu bringen, hatte auch er das Land geprägt. Dort wo früher Wasser war, waren nun nur noch Sandgruben. Sandgruben, die alles zu verschlucken versuchten, was Sie betraten. Mäuler, die nicht satt wurden und immer verschlangen.

Warm umschlungen lag der Junge im Sand. Einer Mutter gleich hatte Elona ihre Arme um ihn gelegt und ihn in seine Tiefen herabgezogen. Wer braucht schon einen Atem, wenn er auf ewig Teil Elonas werden kann.


Dies wäre ein schönes Ende gewesen, zum ersten Mal geborgen in den Armen der einzigen Mutter, die ihm und der er immer treu sein würde.

Doch der Egoismus griff um sich, harte Hände packten den Jungen und entrissen ihm den Leib seiner Mutter. An dem Tag feierten alle und nur Elona weinte nasse Tränen.

Es war sein Bruder, der ihm sein Schicksal genommen und gegeben hatte. Eben jener Bruder, wegen dem er auf einem fremden Bett in einem fremden Land saß.


Die Füße schabten über den viel zu billigen Teppich. Im Herrenhaus derer Khalid gab es so einen Schund nicht. Die Teppiche waren genauso penibel ausgesucht wie die Hände, die auf den Feldern die Pflanzen pflegen durften. Dieser harsche Teppich würde seine Füße genauso wenig schonen, wie es die geschwungenen Lettern in dem Brief taten, den er schon vor einigen Tagen bekommen hatte.

Seit er das erste Mal seine Augen über jeden einzelnen Buchstaben hatte schweifen lassen, hatte sich etwas verändert.

Jedes R riss eine kleine Wunde, die zwar nicht seine Haut verletzte, aber tiefer schnitt, als jedes Schwert, das er schmieden ließ.

Jedes A armierte seinen inneren Widerstand, der härter wurde als jedes Schild, das die Hände seiner Leute gefertigt hatten.

Jedes C charakterlos niedergeschrieben, zwang ihn nieder, vernichtender als jeder Hammer, der von der einen in die andere Hand wanderte.

Jedes H harpunierte tiefer in sein Herz, als es die Pfeile vermochten, die mit den Federn elonischer Vögel verziert wurden.

Jedes A attackierte ihn schlimmer, als es die Scharen an Neidern, die ihre Geschäfte gefährdet sahen.

Jedes N nährte den Zorn, der über jeden möglichen Feind Elonas oder seiner selbst hereinbrechen würde.

Kommentare 1

  • Ich mag den letzten Abschnitt. Ich habe ihn erst leise und still gelesen und dann, das mache ich gerne, wenn mir eine Geschichte gefällt, noch einmal vorne begonnen und sie mir laut und betont vorgelesen. Am Ende hatte ich richtig Spaß. Ich weiß natürlich nicht wie es in deinen Gedanken geklungen hat, aber ich habe so getan, als würde mich jeder neue Buchstabe wütender machen und das "N" habe ich dann wieder ganz ruhig und leise gelesen. Das hat mich einige Versuche gekostet, bis ich die für mich richtige Weise herausgefunden hatte...Dabei haben sich die einzelnen Sätze aber eingeprägt.


    Ich mag Geschichten, mit denen ich spielen kann. Solche, die mich dazu anregen Dinge mit ihnen auszuprobieren. Das hier ist so eine Geschichte und ich danke dir dafür.


    Inhaltlich sehr spannend. Ich finde es steht einiges darin geschrieben, wenn man genau hinschaut. Du hast zwar einige Informationen auch mit dem Text direkt gegeben, ich finde die Botschaften dahinter, die kleinen Details, die ich mir einbilde gefunden zu haben, aber noch spannender. Kleine Fetzen aus seinem Leben. Schön. Und das meine ich wie ich es sage.


    Beim Lesen hat mir besonders der Einstieg gefallen. Ein kleiner, feiner Prolog, nachdem es dann losgegangen ist. Ein bisschen so wie eine Traumblase in einem Film. Eine Rückblende und am Ende dann wieder die Rückkehr zur eigentlichen Szene. Spricht mich an. Habe ich gerne gelesen. Würde ich gerne mehr von lesen.