Jasper.exe stopped working
Mit einem herzlichen Dank an Alessa Di Saverio für diesen "What the f..."-Moment.
Jasper Caldwell lehnte in dem großen Ledersessel, der gegenüber seines wuchtigen Schreibtischs am Fenster stand und versuchte, sich auf die eingegangene Korrespondenz zu konzentrieren. Doch die Zahlenreihen der steifen Geschäftsberichte langweilten ihn, und sein Blick schweifte immer wieder über den See unterhalb der Klippen hinaus, auf deren Kuppe der Stammsitz seiner Familie thronte.
Es war lange her, dass er sich in Götterfels gezeigt hatte. Er fragte sich, welche Kontakte und Institutionen nach wie vor anzutreffen sein würden und wer die Stadt inzwischen verlassen hatte. Von einem wusste er, dass er bereits auf ihn wartete. Der letzte Brief war ein einziges, aufgeregtes Gekrakel gewesen, nachdem Jasper angedeutet hatte, der Geschäftsstelle in der Hauptstadt wieder mehr Aufmerksamkeit widmen zu wollen.
Er selbst freute sich vor allem darauf, Laurence wiederzusehen. Der Gedanke an seinen langjährigen Freund und dessen unkonventionelle Art hob Jaspers Mundwinkel zu einem kurzzeitigen Lächeln. Der Mann schien sich mit seiner Praxis endgültig etabliert zu haben. Gut für ihn, auch wenn er nach wie vor dazu neigte, sich für andere zu großen Gefahren auszusetzen. Laurence brauchte Menschen um sich herum, denen er sich zuwenden konnte und die ihrerseits ein wenig auf ihn aufpassten.
Jaspers Erinnerung wanderte zu einem nächtlichen Ausflug in den Kronpavillon zurück und der Zug um seine Lippen wurde zu einem selbstgefälligen Grinsen.
Dieser Schrei...
Laurence hatte sich ziemlich geniert, während man am nächsten Morgen geradezu verzweifelt die arme Seele gesucht hatte, die offenbar im Dunkel in den Schlund der Festanlage gestürzt war.
So weit von einem „Absturz“ lag die Wahrheit gar nicht entfernt…
Er drängte das leise Lachen zurück, das in ihm aufkam und zwang sich, den Fokus beim Wesentlichen zu halten. Halbherzig blätterte er die Papiere durch, die Noland ihm zusammen mit dem Kaffee gebracht hatte, der inzwischen größtenteils geleert auf dem Tablett zu seiner Linken stand. Er war kurz davor, den ganzen Stapel für Nathan beiseitezulegen, als ihm ein unerwartet umfangreiches Schreiben entgegenfiel. Es war ein pragmatischer Brief, nüchtern und schnörkellos. In klarer, gut leserlicher Schrift informierte eine Dame, deren Familienname ihm nur entfernt bekannt erschien, über ihre Absicht, zu heiraten.
Und zwar ihn.
Jasper hielt sich nicht für einen Mann, der häufig ein dummes Gesicht machte, doch irgendetwas sagte ihm, dass er keinen besonders intelligenten Eindruck vermittelte, als er diese Eröffnung studierte. Ganz ohne künstliche Scheu wurde aufgezählt, welche Vorteile die Verbindung aus Sicht der Dame hätte, welche Kenntnisse und Fähigkeiten sie mit in die Ehe bringen würde und in welchem Maß sich die Verwandtschaft einer solchen Liaison verpflichtet fühlte. Zugegeben, sie war schon etwas älter. Aber er selbst sei ja auch nicht mehr die frischeste Ware auf dem Heiratsmarkt, und es konnte nur in seinem Interesse sein, wenn man diese Tatsache nicht auf schwindende Manneskraft zurückführte. Gekrönt wurde ihr Anliegen von der Versicherung, sie für ihren Teil sei verbrieft gebärfähig und zumindest einigermaßen attraktiv. Auf eine "im Auge des Betrachters"-Art.
Mit seinem Einverständnis war sie bereit, in Begleitung einer Anstandsdame zu einem Treffen anzureisen, sodass man sicherstellen konnte, einander nicht vollkommen abstoßend zu finden. Er solle gern ein paar Terminvorschläge schicken. Freundliche Grüße, in Hochachtung, et cetera.
Jasper merkte, dass sein Mund offenstand und schloss ihn, während er sich langsam zurücksinken ließ und den Brief ein zweites Mal überflog. Begleitschreiben des Vaters, Unterschrift und Siegel… Die Frau meinte es wirklich ernst.
Er griff in seine Jacketttasche und holte die zerknitterte Packung Zigaretten hervor, von denen er sich eine zwischen die Lippen schob und mit einem Streichholz ansteckte.
Das war also sein Ruf in der Gesellschaft – so alt zu sein, dass inzwischen die Damen ihm einen Antrag machen mussten.
Per Post.
Er nahm einen tiefen Zug und wusste nicht ganz, was er davon halten sollte. Dann allerdings schmunzelte er. Die Liste mit ihren Charaktereigenschaften aufblätternd, ließ er diese auf sich wirken.
Gepflegt… belesen… pünktlich…
Das Blatt raschelte leise, als er es zur Seite legte.
„Ihr habt tatkräftig vergessen, meine Liebe…“
Kommentare 4