
Natürlich wollte die Andere wissen was Selines Motivation ist, wer will das nicht? Manchmal fragt sich das die Nachtblüte sogar selbst denn die Grenzen zwischen dem was ihre Pläne waren als sie die Stadt nach so vielen Jahren wieder betreten hatte und dem, worin sie gerade verwickelt ist, beginnen sich zu vermischen.
Und jetzt steht sie hier, kaum zwei Stunden nach dieser zufälligen Begegnung, auf einer Viehauktion der hohen Gesellschaft... anders kann man das Treiben im großen Tanzsaal nicht bezeichnen.
Männer die zu einem Podest geführt werden um sich hinreichend zu zeigen, werden an die meistbietenden Damen versteigert. Ein Picknick für den guten Zweck. Natürlich.
Seline seufzt genervt als der nächste Zuchtbulle zur Samenbank geführt wird und die Ladyschaften mit ihren Geldbeuteln eskalierende Summen verbal in den Raum werfen als wäre das der Mann ihrer Träume. Dabei sehen sie ihn nicht mal in voller Pracht. Eine Maske dient der Verschleierung und soll der ganzen Auktion noch etwas Geheimnisvolles einhauchen.
Wundervoll. Da ersteigert man einen Kerl für ein Picknick und wenn er die Maske am Ende abnimmt, hat man es vielleicht mit einer Gesichtsgrätsche zu tun bei der man direkt Pusteln im Gesicht bekommt bei der Vorstellung ihm sich nähern zu müssen, sobald er wirklich glaubt Erfolg zu haben.
Sie versteht bis heute nicht warum man solch ein Event daraus machen muss, um Spenden an das Waisenhaus zu schicken. Der Adel profiliert sich gern, alles muss pompös und auffällig sein, selbst der 'gute Wille'.
Früher war sie Eine von ihnen aber mit genau dem gleichen Interesse an solchen Veranstaltungen wie heute - nicht vorhanden.
Der dunkelblaue Blick streift über die Gäste während Seline sich ihren Weg wie beiläufig in Richtung des Balkons bahnt, um dort die zwei Flügeltüren zu öffnen und sich lieber einen Platz auf einem der Stühle sichert.
Tief atmet sie die frische Nachtluft ein und richtet das enganliegende schwarze Kleid, welches bodenlang mit dem Stoff über den Marmor schleift.
Mit den Händen kurz über die Maske auf der Augenpartie streichend, wischt sich die Frau ein paar der lichtblonden Strähnen aus dem Gesicht.
Es dauert nicht lange bis ein Page neben ihr steht dem eines der Whiskeygläser vom Tablett genommen wird und mit einem Lächeln im Anschluss verabschiedet.
Hier in der Ruhe der Nacht und nur noch das Echo der heiratswilligen Damen im Hintergrund dem angenehmen Rückzug frönend, gibt es Seline Zeit über das Gespräch nachzudenken.
Es fiel ein Name der ihr, per Gerüchten, immer wieder negativ aufgefallen war. Man konnte es der Gesprächspartnerin nicht verübeln. Es gibt so viele Feinde in diesem Umkreis dass selbst die Nachtblüte beginnt den Überblick zu verlieren. Demnach also gar nicht verwunderlich dass, auf Grund dieses über ihr schwebenden Geheimnisses, direkt etwas Unheilvolles angenommen wird. Aber... vielleicht ist das nicht schlecht. Seline hatte einfach die Worte des 'zu Rettenden' aufgegriffen und sich bewusst an eine Grenze geschoben bei der man nicht weiß ob sie zu den Guten oder den Bösen gehört. Es ist einfacher als schlechte Person dazustehen denn dann bekommt man deutlich weniger Interesse und Bindungen aufzubauen versucht man dann erst gar nicht.
Das macht zwar einsam aber ist erträglicher als später mit einem Hinterhalt kämpfen zu müssen der auch noch Herzschmerz mit sich zieht weil er aus liebgewonnenen Reihen gekommen ist.
Die Augen der Nachtblume wandern zu dem Stuhl ihr gegenüber. Leer. Was auch sonst.
Gerade jetzt wünscht sie sich diese ruhige Aura her. Eine die immer fähig war ihre Gedanken in gerade Bahnen zu lenken ehe sie sich zu einem Labyrinth entwickeln konnten. Ein Geflecht aus unterschiedlichen Möglichkeiten und Konsequenzen in welches man droht sich so sehr zu verstricken dass man den Ausweg nicht mehr erkennen kann.
Für den winzigen Bruchteil einer Sekunde musste sie an den Nachtfalter denken und schmunzelt gegen den Glasrand ihres Whiskey, ehe sie einen Schluck aus dem Gefäß zu sich nimmt. Er besitzt diese Aura ebenfalls und das Interesse daran ihn wiedersehen zu wollen fällt der Lichtblonden erst in dem Moment wirklich bewusst auf, als sie ihre Augen über die Dächer der Stadt führt, die Straßen und verschlungenen Gassen entlang, als könnte sie ihn um eine der Häuserecken ausmachen.
Nein.
Natürlich nicht.
Gerade wollte sie sich mit dem Gedanken um den Gefallen befassen der am Vortag an sie gerichtet wurde und sie gewillt war ihn auszuführen, gesellt sich ein adrett gekleideter und gar nicht mal so hässlicher Kerl zu ihr auf den Balkon. Die Maske verschleiert zwar großzügig das halbe Gesicht aber Statur und Haltung geben Anlass ihn wenigstens einmal auf und ab zu mustern.
Sein Fehler ist jedoch die Art der Begrüßung in der er annimmt, dass allein sein äußeres Erscheinungsbild ausreichen würde, um sich die Frau zu sichern. Dieses irgendwie schmierig anmutende Grinsen wird gepaart mit einem rauen und verführerisch angehauchten "So allein?" Er will sich auch prompt zur Nachtblüte setzen, die allerdings ihre Haltung zu ändern beginnt. Ein Bein wird über das andere gelegt, der linke Arm auf der Lehne des Stuhls geparkt, das Whiskeyglas seitlich auf dem Tisch um sich selbst gedreht - ganz langsam und mit lauerndem Blick unter der Maske.
"Nein." entkommt es ihr ruhiger Tonlage aber ziemlich klangklar über die Lippen, sodass der Mann in seinem Bestreben sich zu setzen direkt auf halbem Wege innehält. Den Hintern fast auf dem Polster, der Oberkörper leicht gebeugt, eine Hand auf dem Tisch.
Er sieht verdutzt zu ihr.
"Das Gespräch welches Ihr sicherlich gedenkt jetzt mit mir führen zu wollen dient einzig als Aufhänger, um heute Nacht noch zwischen meinen Schenkeln zu landen. Es wird mich jedoch zutiefst langweilen. Und noch schlimmer ist das Endergebnis dieser Nacht denn ich bin mir ziemlich sicher, dass Eure Bemühungen, mich in vollem Umfang zufrieden zu stellen, mit absoluter Erfolgslosigkeit gekrönt sein werden. Ihr könnt meinen Ansprüchen nicht gerecht werden wenn Ihr nur auf etwas Schnelles und Unbedeutendes aus seid, also spart Euch und mir bitte die verschwendete Zeit eines faden Gesprächs mit anschließend flott veranstaltetem Kraftakt in einer Ecke des Balkons, nach welchem ich frustriert und höchst unbefriedigt meinen Heimweg antreten würde."
Dem Kerl klatscht die Kinnlade beinahe bis zum Boden runter und die Augen unter seiner Maske weiten sich in absolut erschlagener Überforderung.
"Bitte." Seline deutet mit der linken Hand einen sanften aber unmissverständlichen Schwenk in Richtung Balkontür an, ihm signalisierend, dass er direkt wieder gehen darf und nicht bei ihr landen wird. Sie hat absolut keine Lust auf eine Nummer bei der man schon im Vorhinein weiß dass es lediglich darum gehen wird einmal das angestaute Erbgut loszuwerden und nicht etwa um ein sinnliches und verführerisches Spielchen. Der Kerl hat zwei gesunde Hände und gewiss auch ausreichend Erfahrungen mit ihnen gesammelt, er darf sich also gern um sich selbst kümmern.
Der gerade doch etwas gedemütigt Maskierte zieht sich, mit einem sehr verbissenen und ertappten Gesichtsausdruck, direkt wieder zurück und bedenkt die Blonde im Vorbeigehen von der Seite her mit einem Blick ala 'Blöde Kuh.'
Seline sieht ihm nicht mal nach sondern richtet das Blau wieder in die Nacht hinaus, den Whiskey in der Hand sichtlich genießend als wäre das gerade alles was sie benötigt, um einen angenehmen Abend zu verbringen. Mal abgesehen von dem amüsierten Schmunzeln auf ihrem Lippenrot weil die sehr direkte Abfuhr den Mann völlig aus der Bahn geworfen hat, schenkt sie diesem Augenblick keinerlei weitere Beachtung mehr und widmet sich gedanklich der Arbeit die noch auf die Nachtblüte wartet und einem Ausritt bei welchem sie besser ein ganzes Waffenarsenal mitnehmen sollte, man weiß ja nie...
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