In jungen Jahren I

„Liam Efram Tel! Lass Tim sofort los!“
Mit einem resignierten Seufzer eilte der junge Kormirnovize los, den ineinander verhakten Jungen entgegen. Die große, schlaksige Sturmfrisur hatte den viel kleineren Rotschopf in einem schraubstockartigen Schwitzkasten gefangen, während jener mit den kurzen Stummelbeinchen versuchte, seinen überlegenen Gegner zu treffen. Dieser lachte jedoch nur gehässig und lockerte den Griff kein bisschen. Erst als der Novize beherzt ein und am Ohr zugriff, erklang ein raubtierartiges Fauchen und der Schwitzkasten wurde gelöst. Mit einem kindlichen Quieken plumpste der Rothaarige auf den Boden. Der Blondschopf wurde weiterhin beharrlich am Ohr fixiert, während er farbenfroh vor sich hin fluchte. „Scheisse Mann! Los lassen, eh, du verschissener...!“
„Untersteh dich, es auszusprechen!“, schnitt der Novize ihm autoritär das Wort ab. Obwohl die Streithähne getrennt waren, dachte er nicht daran, die Bohnenstange loszulassen. Der Kleine krabbelte eilig ein wenig fort, wischte sich einige verirrte Tränen von den Wangen.
„Was ist hier los?“, erklang eine gefährlich ruhige Stimme hinter dem ordnenden Novizen. In ein schlichtes Priestergewand der Kormir gehüllt trat ein alternder Herr aus dem Waisenhaus hervor. Die schulterlangen grauen Haare waren streng nach hinten gekämmt, kein einziges schien sich aus der Frisur zu lösen um abzustehen. Die eisgrauen Augen waren eisern auf die Unruhestifter gerichtet, während sich der trotz seines Alters stramme Gang auf sein Ziel richtete.
„Tel hat wieder einmal einen anderen Jungen angegriffen, Priester Murgon.“, beeilte sich der Novize, die Unruhe zu erklären. Der Priester nickte nur, immer noch gespenstiger Ruhe, während besagter Tel versuchte, sein Ohr aus dem hemmungslosen Spitzfingergriff des Novizen zu befreien.
„Angegriffen?! Dir helf ich gleich, verdreckter Kormirlutscher!“, schnauzte er den Novizen an, als sei ihm gar nicht bewusst, wem er da gerade gegenüber stand. Gerade sammelte er mit einem widerlich rotzenden Geräusch so alles an Spucke, was er im Mund finden konnte, um sie dem pflichtbewussten Novizen entgegen zu schleudern, als ihn auch schon wie eine Stahlplatte die flache Hand des Priesters an der rechten Wange traf. Wohl ein Glück, das der Novize in diesem Augenblick reflexartig losließ, sonst hätte der junge Kerl wohl möglich noch sein Ohr eingebüßt. Der Bursche ging in die Knie, die rechte Wange mit der linken Hand bedeckend und blinzelte aus hellblauen Augen zu dem nun doch leicht rot angelaufenen Priester hinauf. Wut spiegelte sich in den eisigen Seelenspiegeln, als die immer noch verdächtig ruhige Stimme unheilvoll raunte: „In meine Gemächer mit dem Jungen. Sofort.“