Erinnerungen eines einsamen Wolfs


~Erinnerungen eines einsamen Wolfes~



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Wie lange war er schon unterwegs? Stunden? Tage? Wochen? Vielleicht sogar Monate? Alles schien so langsam voranzugehen. Nicht die geringste Ahnung hatte der junge Mann, wohin ihn seine Füße führten. Eines war jedoch sicher: Sie würden nie lange an einem Ort verharren. Zu unruhig war er. Zu geplagt von Vergangenem. Eine rastlose Seele, ein einsamer Wolf in der Wildnis. Lediglich begleitet von seinem treuen Falken. Der einzige Freund, der ihn noch nicht verlassen, der sich noch nicht von ihm abgewandt hatte. Doch war das so auch richtig? Hatte nicht er selbst sich von jenen abgewandt, die auf ihn bauten? Die seiner Führung gefolgt waren? Die ihm selbst in die Unterwelt und wieder zurück gefolgt wären? Ja... Ja, er hatte sich abgewandt. Abgewandt, um nicht noch mehr Schaden anzurichten bei jenen, die ihm etwas bedeuteten. Aber wie lange war das schon her? Dieses verdammte Zeitgefühl... Aber was war schon die Zeit, wenn man sie vergessen hatte? Wenn man nur ziellos durch die Länder zog, erschien es einem irgendwann so unwichtig...


Seine Füße stoppten, während der langgezogene Atem seinen Brustkorb hob und wieder senkte. Der Schrei des Falken über seinem Kopf ertönte. Ein Zeichen, Aufmerksamkeit walten zu lassen. Und was er vor sich sah war die Aufmerksamkeit wirklich wert. Von dem Plateau, über welches er gewandert war erstreckte sich die weite Landschaft des Caledon-Waldes. Hohe Bäume, älter als die meißten seiner Artgenossen reihten sich beieinander, hin und wieder von kleineren Lichtungen unterbrochen. Flüsse, welche in schönstem Golde der sich senkenden Sonne zogen, gleich den Adern eines Menschen auf seinem Körper wirkten, durch und durch erfüllt von Magie und Wärme.


Wärme... Wie sie ihm fehlte... Langsam verschlossen sich die wilden, grünen Augen vor dem majestätischen Anblick, welcher sich dort vor ihm erstreckte. Bilder vergangener Zeiten kamen auf. Erinnerungen an genau diesen Ort. Wie oft waren sie hier durchgekommen? Hatte es nicht alles damit begonnen, dass er sich als kleiner Junge verlaufen hatte? Ewig war er durch die Wildnis geirrt, verzweifelt, traurig und einsam. Bis er sie traf... Wie sie damals dort stand... So groß... So anmutig... Und doch so... Unwissend. Ihre Augen, gleich jenen seiner eigenen. Unschuldig, kindlich und naiv. Doch über die Jahre verschwand die Naivität beider. Er wuchs an und statt von ihr beschützt zu werden, war bald er es, der sich schützend vor sie stellte. Sich einem Lindwurm entgegenwarf, nur mit einem alten Stock in der Hand. Dann war sie es, die ihm am Abend Verbände anlegte und den Kopf schüttelte... Mit diesem Lächeln auf ihren Lippen... Dieses Lächeln, welches ihn immer wieder zu sich rief... Wenn er die Kontrolle verlor und sich mit anderen Jungen in seinem Alter prügelte. Wenn er knurrend und zähnefletschend im Begriff war, zu kämpfen ohne darauf zu achten, was mit ihm geschehen würde... Ja, sie gab ihm mehr das Gefühl Mensch zu sein, als alle, die er kannte.


Was war nur los mit ihm? Hatte ihn die Kraft verlassen? Mit zitternden Knien ließ er sich langsam gegen die nächste Felswand sinken. Die Beine angezogen und das Gesicht in den Händen vergraben. Warum nur? Warum riss er sich immer wieder diese alten Narben auf? Narben die nie verheilt waren durch seinen Sturkopf... Zu gerne hätte er daran gedacht, was weiter geschehen war... Wie das Vertrauen einander gewachsen war zu einer Größe, die sein Herz schneller schlagen ließ. Wie sie ihn damals im Hain angesehen hatte. Nicht mehr naiv... Nicht mehr so unwissend, wie die vielen Jahre zuvor. Sie beide waren gewachsen... Nicht nur körperlich, nicht nur geistig. Nein, auch ihre Herzen waren zueinander gewachsen. Und nun... Nun waren sie schon zwei Jahre voneinander getrennt gewesen. Unheilbar auseinander gerissen...


Er hasste dieses Gefühl zu zittern. Sich hilflos zu fühlen und Schwäche zu zeigen... Langsam hob er den Kopf, nicht in der Lage den Blick zu heben, welcher nun auf seiner Handfläche verharrte. Erst als er das Tippeln einer kleinen Gestalt vernahm, gelang es ihm, tief durchzuatmen und die verkrampfte Hand wieder zur Faust zu schließen. Es dauerte einen Moment lang, doch das Zittern ließ nach und die Erinnerungen verblassten wieder. Sein Gesichtsausdruck zeigte langsam wieder die gewohnte Entschlossenheit, mit welcher er durchs Leben schritt. Der Blick wanderte zu dem Wanderfalken, welcher sich nun mit dem Kopf gegen sein Bein drückte. Sein bester Freund, seit Jahren... Vorsichtig tätschelte er seinen Kopf, ehe er den Blick schweifen ließ. Dieses Tal, welches sich dort erstreckte... Der Blick wanderte zu seinem Reisegepäck und dem länglichen, eingewickelten Gegenstand, welcher an seinem Rucksack hing. Das einzige, was ihm von ihr geblieben war...

"Lass uns für heute hier bleiben, mein Freund... Ich denke, sie hätte es auch so gewollt..."

Kommentare 2

  • Hallo broetchen,


    vielen Dank für den Kommentar - Ich freu mich tierisch, dass es so gut gefällt und rüberkam, wie es mir beim Ausdenken der Geschichte und beim Schreiben "ging".


    Beizeiten werde ich vielleicht noch den ein oder anderen Ausschnitt zu Papier bringen und veröffentlichen. =)

  • Wunderschön geschrieben. Stimmungsvoll, soghaft - man sinkt sofort ein in Text, Charakter und Gedanken. Beim Lesen überkam mich eine tiefe Sehnsucht. Als Leser ohne Hintergrund wissen kann man zwar nur raten und vermuten, wonach, aber der Schmerz ist sehr greifbar, der Verlust, das Bedauern.


    Das war eine sehr schöne Passage, die neugierig macht auf den dazugehörigen Charakter, der sehr lebendig wirkt durch die Fehler, die er gemacht zu haben scheint, aber auch durch den Willen, sich durchzubeißen und weiterzumachen.


    Ein toller Text. Danke fürs Teilen.