„Doktor Moyles, sie atmet nicht mehr.“
„Ich weiß. Weitermachen!“
„Aber...“
„WEITERMACHEN!“
Sie saß in niedrigem Wasser. Die spiegelnde Oberfläche reichte ihr gerade einmal bis zum Beckenknochen, so, wie sie dort auf ihrem Hintern saß, die Beine etwas aufgestellt, und die Arme locker auf den Knien abgelegt. Nur leicht nach vorn geneigt, platschten ihre Zehen leise im Wasser.
Sie war nackt, aber das störte sie nicht – sie genoß die warme Sonne auf ihrer Haut, mochte das feine Kitzeln der warmen Strahlen auf den feinen Härchen ihrer Arme.
Eine sommersprossige Nase reckte sich hinauf, der Sonne entgegen, und rostrotes Haar fiel in langen Wellen ihren schmalen Rücken hinab, sodass die Spitzen feucht zusammenklebend im Wasser hingen.
Sie mochte die Ruhe, mochte die Stille. Das leise Plätschern des Meeres. Ohne Wellen.
Sie blinzelte, als sie merkte, dass irgendetwas nicht richtig war. Auch saß sie in einem Fleck an... Sein? Die Sonne schien, und doch schien um sie herum Nebel zu sein.
Aber das ging doch garnicht? Also, zumindest nicht, wenn es warm war?
Plötzlich ließ ein enormer Druck auf ihrer Brust sie aufkeuchen. Es schmerzte sie, als es in ihrem Brustkorb knackte, und etwas brach. Sie wollte schreien, doch bekam sie keinen Ton heraus. Stattdessen floss ihr Wasser über das Kinn. Angst breitete sich in ihr aus, sie wollte husten, wollte Atmen, doch es ging nicht.
Immer mehr Wasser strömte aus ihren Lungen, und wo zuvor noch Nebel gewesen war, kroch nun dämmrige Schwärze auf sie zu.
„...nicht verlieren! Weitermachen habe ich... Kea, Liebes, ganz ruhig. Ganz ruhig!“
Sie spürte die großen Hände ihres Vaters an ihren Armen, als sie den Körper aufbäumte, sich zur Seite warf und hustend Wasser und bittere Galle erbrach.
Sie blinzelte, ihre Augen tränten vor Schmerz und Scham, als sie die bittere Galle schmeckte.
„Papa...“ wimmerte das kleine Mädchen, „...es tut so weh!“
„Ich weiß mein Schatz. Aber jetzt ist alles wieder gut.“
Der große, rothaarige Mann mit der Nickelbrille, hob das kleine rothaarige Mädchen in ihrer feuchten Badekleidung auf seine Arme und warf der Frau neben sich einen stechenden Blick zu. Ohne der Fremden für ihre Hilfe zu danken, trug Doktor Moyles seine Tochter wieder hinauf zum Haus, wo weinend ihre Mutter auf der Veranda hockte, und all das Unglück und Glück des Momentes garnicht fassen konnte.
Das Mädchen mit der gebrochenen Rippe wurde ins Haus hineingebracht, wo man es trocknete, es wusch, ihm neue Kleidung verpaßte, und ihm einbläute, nicht mehr beim Gezeitenwechsel schwimmen zu gehen. Es war sehr knapp gewesen.
Man fürchtete, die kleine mit den grünen Augen würde ihre Vorliebe für das Meer nun vergessen, und stattdessen Angst entwickeln – niemand sollte ahnen, dass diese Liebe eine Tiefe besaß, die weiter reichte als der tiefste Meeresgraben.