Stille.
Es ist still in den schneebedeckten Wäldern rund um Hoelbrak dieser Tage.
Selbst die Svanir scheinen den Wintertag zum Anlass zu nehmen sich etwas zurückzunehmen.
Sacht wiegen sich die weißen Wipfel der Tannen in einem lauen, wenngleich schneidend kalten Winterwind. Ich beobachte sie, bin wie in einen Bann geschlagen, denn der Wind trägt meine Gedanken weit hinaus, fort von Hoelbrak, fort von mir selbst, und hin zu dem Einen dem mein Herz gehört.
Ich weiß nicht wo er ist.
Ich weiß nicht mit wem er ist.
Ich weiß nicht was er tut.
Aber ich vertraue ihm.
Und er vertraut meinen Worten.
Meinen Visionen.
Ich schließe die Augen und lasse mich auf die Reise des Geistes ein. Ich spüre wie der Wind an den Federn meiner Kleidung zerrt, und meine zu spüren wie er über meine Schwingen streift. Ich blicke über einen kohlschwarzen Schnabel aus der Höhe hinunter auf die Welt, auf Schnee.
Ich sehe ihn nicht, aber ich weiß, dass er gesund ist.
Er ist erschöpft, aber es geht ihm gut. Sein Wille treibt ihn voran. Sein Ziel.
Havran ist bei ihm.
Der gute, alte Havran.
Ein Lächeln stiehlt sich in meine Mundwinkel.
Ich erinnere mich noch daran wie sich mein treuer Begleiter vor fast zwei Jahrzehnten als erster seines Geleges aus dem Ei kämpfte.
Seine Brüder und Schwestern sind längst zum großen Raben in die Nebel gezogen, doch Havran ist stark und störrisch.
Und mein engster Vertrauter.
Er war die erste, einzige und definitiv beste Wahl um Beorn zu begleiten, da bin ich sicher.
Entweder, um ihn sicher wieder in unser Heim – oder um seine Seele auf die letzte Reise in die Nebel zu geleiten.
Ich öffne die Augen wieder, und kehre zurück in meinen Körper.
Der Wind reißt an meiner Kleidung, und nun spüre ich die Kälte, spüre Hunger. Spüre Durst.
Das Verlangen nach mehr treibt mich wieder in mein Heim, und während ich mein Rüstzeug ablege, streift mein Blick die Lagerstatt, die so einsam ist, seit er fortzog um seine Legende zu suchen.
Ich muss lächeln, und greife nach dem Pinsel aus feinem Dolyakhaar, sowie dem Tiegel mit Tinte aus Löwenstein den ich jüngst gekauft hatte.
Bei meinem Volk ist das Niederschreiben unüblich, und doch verspüre ich seit kurzem den starken Drang meine Gedanken niederzuschreiben.
Vielleicht, weil ich nun niemanden mehr habe mit dem ich meine Gedanken teilen kann.
Ich hebe den Blick in das Dachgebälk meiner Hütte, in die schwarze Masse aus Federn und Bewegung. Ich lächle, ehe ich den Tiegel entkorke und den Pinsel in die schwarze Farbe tauche, ehe meine Gedanken erneut den Weg auf das Pergament finden.
Zwei Wochen und drei Tage ist er nun fort.
Gestern habe ich meine zweite Weihe erhalten. Alles fügt sich zusammen. Endlich lohnt sich all die Arbeit.
Ich habe mit Brea gesprochen. Das große Thing wird der Termin. Sie wird kochen, und Yorghar wird das Bier beisteuern.
Es gehört sich nicht für jemanden in meiner Position, aber ich kann es kaum erwarten. Ich freue mich.
Es bleibt so viel zu tun.
Ich muss mit Eik sprechen, er soll ein Lied schreiben. Oder zwei. Oder drei.
Vielleicht finde ich Khalen, sonst muss ich nach einem anderen Schamanen des Geflügelten Ausschau halten. Oder ein Wolf. Der würde sich auch eignen.
Rituale stehen an.
Die Knochenheber-Riten müssen vorbereitet werden.
Ich muss auch für das Thing noch Zutaten sammeln.
So viel zu tun. So wenig Zeit. Und doch kann mir die Zeit nicht schnell genug vergehen. Ich muss Brea finden.
[Handschriftlich findet sich schief darunter eine eilig gekritzelte Notiz:]
Ich fühle mich wie ein verliebtes Kind.
[Weiter unten wurde ein kleiner, Schiefer Zettel auf das Pergament geklebt:]
Krähenfüße
Schlangenrippen
Schlangenhäute
Schafsdarm
Misteln
Omnombeeren
Hopfen
Räucherharz
Süßholz
Vanille
Minze
Quagganfett
Charrwhiskey
[Darunter dreifach unterstrichen:]
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