The De Lore Diaries (I) : Ein Bruder und ein Date

Innere Abteilung der Ministerialwache Rurik-Stadt, ein nobel eingerichtetes, heller Saal mit einigen Tischen. Für höherrangige gibt es eigene Büros.
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Fenris Denver Delore?[/i]
Fenn nickte der dicken Ministerialwache zu, der die Papiere kritisch mit einem Monokel beäugte.
'Wir überspringen also gleich mal die unteren Stufen der Karriereleiter und der Ausbildung, was?' Die Stimme des Mannes troff vor Abscheu.
Wahrscheinlich hatte er die vorgeschriebene Ausbildung durchlaufen und war ein Bürokrat durch und durch: Ein Leben für das Protokoll.
Fenn wünschte ihm in einem Stoßgebet, dass der beleibte Bürohengst nicht an einem Herzinfarkt bei der Durchsicht seiner Akte sterben würde.
Dann besann er sich eines besseren und überantwortete Ihn der Gnade der Sechs. Es war ohnehin befreiend, alles auf die Götter projizieren zu können.
Selbst den so tragischen Tod eines schwitzigen Ministerialbeamten. Aber, der Vorhang war oben, er hatte Publikum. Der Mesmer lächelte. Action.
'Wenn sie ein Problem mit der Zurechnungsfähigkeit der Höheren Mächte haben, sollten sie diesen Job nicht machen.'

Fenn fixierte den Mann mit strengem Blick, der im Widerspruch zu seinem Lächeln stand, während er sein Gegenüber kurz musterste. Fenns Blick fing das Adelswappen seines Gegenübers kurz ein - und kannte es nicht.

'Wollen Sie sich beim Ministeriaal-Rat über mich beschweren? Oder noch besser: Über die Inkompetenz, die sie unseren Vorgesetzten gerade in Ihrer Personalwahl unterstellen?'
Der Mann musste zu der Stelle im Papier geschafft haben, in der Fenn dem Inneren Abteilung überstellt wurde, denn seine Mimik änderte sich schlagartig auf resignierten Gehorsam. Er hielt die Klappe und nahm wortloseines der weniger benutzten Siegel von seinem Tisch, tauchte es in das gute, parfümierte Wachs und stempelte Fenns Dienstpapier sorgfältigst und sauber ab.
Die Ministerialwache hatte viel Aufgaben - dazu gehörten auch Maßnahmen, die lieber hinter verschlossenen Türen oder in dunklen Gassen ergriffen wurden.
Oder aber in den schimmernden, sauberen Hallen der Gerichtssääle und blankpolierten Betten.
Fenn nickte dem Mann zu. Irgendwie war er traurig darüber, so ein Arsch sein zu müssen. Allerdings war Kryta das Einzige, was ihm in seinem Leben noch geblieben war. Und damit auch seine letzte Hoffnung fürs Leben. Er konnte sich hier keine noble Güte erlauben.
Er lächelte optimistisch.
"Ich sehe noch keine Seraphen in unserem Büro. Schade."
Einige der Wachen drehten sich von ihren Schreibtischen um, von der abrupten Schweigsamkeit ihres Kollegen uberrascht. Fenn prägte sich ihre Gesichter ein. Wer von solch einem Kommentar aufschreckte, war vielleicht als Kontakt nützlich. Er liebte diese einfachen Testfragen, sie waren immer so aufschlußreich.
'Sicher, mein Lord Oberfeldwebel."
Freunde würden sie nicht werden. Aber Fenris Maske war die der Furcht - und er würde sie erst durch ein lachendes Gesicht ersetzen, wenn dieses Stück Theater hier vorbei war - wie lange auch immer dies dauern würde. Ah, Theater. Wo war denn nur der unfreiwillige Held dieses Epos mit dramatischen Einschnitten?
Fenris' Augen musterten den Stadtplan, der hinter dem Schreibtisch an der Wand hing.
'Wo finde ich Farbius Delore?'

Und einen Hammer, der groß genug ist, ihm wider seinen Adelstitel einzubläuen, dachte er bei sich.

Fenris schlenderte durch das Wachbüro und ignorierte dabei die Blicke eines weiblichen Oberfeldwebels auf seiner Schulter.
Er schenkte der Dame ein charmantes Lächeln, bevor er zu seinem Büro weiterschritt.
Sicherlich, die Frau war blond und schlank, jedoch hatte er bei leibe besseres zu tun, als seine Mutter mit einem Erben in großmütterliche Freuden zu entrücken. Weit besseres.
Sein Handschuh ballte sich leicht zu einer Faust ,während er darüber nachdachte, seinem Bruder doch lieber mit dem Familienhammer zu Verstand zu bringen. Schließlich war er ein De Lore und leider etwas unbeugsam.
Er hielt inne und drehte sich zur jungen blonden Dame um. Ihre Augen waren braun - eine gute Farbe - und sie erwiderte seinen Blick mit dem Selbstbewußtsein einer Adligen.

"Ich brauche heute Abend eine Begleitung für den Ball im Lyssa-Tempel. Grundsätzliche Aufklärung und zielorientiertes Flirten.Ich bin Fenris Delore und es wäre mir eine Freude. Ich seh sie dann um sechs, schaffen sie das?"
Nach einem kurzen Zögern und, weil er Unsicherheit in der Frau spürte, fügte er hinzu.
"Und, bei den Sechs, natürlich ist es rein dienstlich."