Wie das Schicksal an Einem Zerrt

An: Legionär Rhan Eisenpelz
Ich bin ein Gladium, seitdem mein alter Trupp sich aufgelöst hat. Ich habe gelernt, dass das Gladium- und Söldnerleben nichts für mich ist. Mein bisheriger Aufenthalt in der Schwarzen Zitadelle ist nicht lange gewesen, aber ich habe schon von den Fortschritten deines Trupps in allen Bereichen gehört. Obwohl ich in der Ashe-Legion erzogen worden bin, habe ich immer Respekt vor dem technischen Können der Eisen-Legion gehabt, und bin in der Richtung selber nicht ganz unbegabt.
Ich bitte Sie, mich als Rekrutin in Erwägung zu ziehen. Bei Anfrage liegt meine Akte in den Archiven der Zitadelle, und ich stehe jederziet zum Gespräch bereit.
--Vera Schattenschuss


Das Weibchen betrachtete ihre Worte im dunklen Licht der Kerze. Zufrieden leckte sie den Umschlag, das Gesicht verziehend wie immer bei dem ekligen Geschmack.


“Ich hätte nicht erwartet, dich hier zu sehen.” Die Stimme war leise, sanft und mit leichtem Unglauben.
Überrascht drehte sich Vera. “Koreth!” Mit einem Sprung war sie raus aus ihrem Stuhl und in seinen Armen. Der graue Charr betrachtete sie mit immer noch etwas Erstaunung, aber nichts davon zeigte sich in seiner Stimme.
“Was machst du hier?”
Vera schmunzelte, ihre Schnurrhaare zuckten. “Würdest du mir glauben, wenn ich es dir sagen würde?”


“Immer noch mein Mädel.” Jetzt grinste er auch, und sie leckte ihm die Backe. Dann auf den Mund. Er erwiderte, und sie wusste unter seinen Augen ausnahmsweise, wie sich Beute fühlt.


***


Gewehre? Der Eisen-Techniker hat dir wirklich zu viel Müll in den Kopf eingeredet.”
Sie schnaubte. “Mhrm. Und du sitzt schon in deiner Ideologie fest.”
Dolche sind effektiv. Schnell, zielsicher in den richtigen Pranken. Sie explodieren nicht spontan wie Granaten, und ergeben keinen Lärm wenn du's vielleicht nicht möchtest.”
Jap. Nur die Opfer.” Sie grinste ihn an und er zuckte mit den Schultern.“Und was machst du denn, wenn du's möchtest? Als Ablenkung oder so?”
Dann nehm ich so 'nen Scheiß und jag's in die Luft. Das Beste aus beiden Welten.”
Glaubst du.”
Mhrm. Und ich bezweifele, dass du mich da raus bringst. So verlockend wie du auch sein magst.”
Das weiß ich.” Die Worte waren schon halbwegs aus ihrem Mund, bevor sie seinen letzten Satz wirklich registrierte. Sie runzelte die Stirn.“Häh? Wie meinst du das?”
Koreth rollte die Augen. “Du magst jung sein, aber bitte versuch' mir nicht einzureden, dass du nicht gesehen hast, wie manche dich ansehen.”

Wie Rajjen?” Das große halb-erwachsene Männchen schaute sie manchmal mit einem wirklich hungrigen Blick an, so dass sich ihre Nackenhaare sträubten und ihr gleichzeitig ein Prickeln den Rücken hinunterlief.
Zum Beispiel.” Koreth schaute weg, dann nahm er einen seiner Dolche aus der Scheide und spielte damit. Licht flickerte an der Klinge als sie um seine Pranke herumtanzte. Vera musste tief Atem holen. Sie war mit Dolchen geschickt—dank den Stunden am Übungsplatz mit ihm—aber bei weitem nicht so geschickt.
Auf jeden Fall kannst du kaum mit solchen primitiven Dingen auf heimlichen Missionen gehen.”
Da musste Vera seufzen, und sie legte die Pistole weg. “Ich kann schon gut zielen. Aber es stimmt, was du sagst—nicht, dass sie primitiv oder ineffektiv sind--”
Das habe ich nicht gesagt,” fiel er seiner Fahrar-Kameradin ins Wort.
Gut, das hast du nicht gesagt—auf jeden Fall stimmt nur, dass sie zu viel Lärm machen, für richtigen Gebrauch bei der Asche-Legion. Unwissenheit der anderen ist unsere best Waffe.”
Koreth klopfte sie auf dem Schulter, nahm seine Pfote dann aber schnell weg. “Braves Mädel.”
Seeehr brav.” Sie musste schmunzeln, als sie sich daran erinnerte, wie die beiden vor zwei Tagen am Tag der Klassenarbeit alle Kopien geklaut und den Verschlingern gefüttert hatten—und anschließend die Sache Rajjen anhingen. Sein Blick traf ihre, und sie mussten beide lachen.


***


“Wieso hast du mich nicht aufgesucht? Ich war zumindest froh zu hören, dass du nicht mit Löwenstein zugrunde gegangen bist.”
“Dann wäre ich gleich wieder zurück zu den Legionen gerannt, Koreth. Ich wollte mal erfahren, wie's außerhalb ist.” Sie lehnten sich beide gegen dem Schreibtisch, und er bewegte seine Pranke in Richtung ihres Schreibens. Sie sah zu, ohne ihn aufzuhalten. Dies verstand er als Genehmigung—das war es auch, in gewisser Weise.


“Und hat es dir dann nicht gefallen?” Er blickte von dem Brief auf.
Sie schüttelte den Kopf. “Ich kann ein Leben ohne Struktur oder Mission nicht ausstehen.”
“Mir geht's ebenso.” Nach einer Pause: “Du gehst also zurück zu den Legionen."
Er erhielt ein ruhiges Nicken als Antwort. Normalerweise brannten Geheimnisse innerlich nicht, nicht seit Langem, aber es war komsich, ihm nicht alles zu offenbaren, wie sie es im Schatten-Trupp gemacht hatten. Halte ihn doch nicht für blöd. Er nimmt nicht alles so wie's scheint, genauso wie du es nicht tust.



“Und du?” Sie blickte ihn an. Viele der Leute in den Häuser und Treffpunkten des Ordens der Gerüchte waren nur vorübergehend da, ohne wirklich zu wissen, wo sie waren.
“Ich... ich komme hier.” Ein leichtes Lächeln zog sich über sein Gesicht, und sie konnte immer noch lesen, dass sich etwas dahinter verbarg.
Wie zwei Schiffe, die in der Nacht aneinander vorbeisegeln. Traurigkeit versteckte sich hinter ihrem Lächeln als sie ihm den Brief sanft nahm und in den Umschlag steckte.