Die Geschichte von Hereit und Fein, Kapitel 1- Die Reise

Die Geschichte von Hereit und Fein


Kapitel 1 – Die Reise



Hereit lief allein am See entlang und beobachtete wie die
Grawle jenseits des kalten Wassers herumturnten und irgendwelche Haufen
anbeteten. Sie sahen drollig aus, so ungeschickt wie sie sich bewegten und
gestikulierten, doch Mutter sagte immer, dass sie gefährlich seien.


Hereit schob die Unterlippe vor, „Pahh, gefährlich. Ich bin
eine Nornkriegerin und für mich ist kein Abenteuer gefährlich genug!“. Es war
eine schöne Illusion, doch als sie ihre Mutter rufen hörte, wurde sie wieder in
die Gegenwart zurückgerissen. Sie war nunmal erst vier Jahre alt und noch lange
keine Kriegerin, so sehr sie es sich auch wünschte.


Ihre Mutter war eine typische Norn, schnell erzürnt und
schnell versöhnt und in Beidem war sie sehr lebhaft. Sie war eine liebevolle
und weise Mutter, doch den Zorn wollte Hereit trotzdem nicht auf sich ziehen.
Sie rannte den Hügel hinauf zu ihrer Hütte und da standen auch schon alle.


Ihre Mutter Gormhild mit Hereits kleiner Schwester Kreja auf
dem Arm und ihr Vater, der das Gepäck vorbereitete. Heute würden sie eine große
Strecke zurücklegen müssen und das Wetter sah nicht gut aus.


Es würde schneien, nicht, dass das in den Schneekuhlenhöhen
etwas Besonderes wäre, aber die dicken, grauen Wolkenbäuche verhießen nichts
Gutes


Auch ihr Großvater schaute mit gemischten Gefühlen zum
Himmel. Er würde zu Hause bleiben aber er machte sich Sorgen um die Familie, „Bist
du sicher, dass du Hereit und Kreja mitnehmen willst?“ fragte er Mutter.


Hereit sah bestürzt von Einem zur Anderen. Es hatte viel
Überredung gekostet, Mutter dazu zu bewegen sie mitzunehmen. „Ich will mit! Ich
will den großen Kampf sehen! Ich will wenigstens zusehen dürfen!“ Sie stemmte
die Arme in die Seiten und machte ihrem Unmut Luft.


Ihre Eltern und ihr Großvater fingen gleichzeitig an zu
lachen. „Willst du sie wirklich in dieser Stimmung hier haben, Durgar?“
schmunzelte ihre Mutter.


„Nein. Sie ist genau wie du damals. Sie würde wohl nicht
Ruhe geben bis sie mit darf.“ Ihr Großvater lächelte aber er war noch immer besorgt
„Dann macht euch los. Je eher ihr fort seid, desto eher seid ihr beim großen
Fest.“ Er umarmte sie alle noch einmal und lies sie dann fortziehen.


Sie waren kaum über den Hügel nach Osten gegangen und die
Hütte war außer Sicht gekommen, als es begann. Schneeflocken wie eine dichte
Wand flogen um sie her. Hereit konnte kaum die großen Schemen ihrer Eltern
ausmachen und drohte schon sie zu verlieren als sie stehen blieben.


Mutter zog Krejas Decken fester an ihre Brust und bedeckte
ihr kleines Gesicht mit ihren Händen um den kalten Schnee fernzuhalten. Vater
nahm sie und Hereit jeweils bei einer Hand damit sie sich nicht verlören.


„Das ist kein normaler Sturm“; brummte er. Mutter zischte
ihm etwas zu doch Hereit verstand nichts durch den Sturm. Sicher wusste Mutter
was hier vorging. Sie war nicht nur stark sondern auch weise. Sie war Schamanin
im Haus der Eule auch wenn viele sagten es gäbe sie nicht mehr. Mutter wusste
es besser und sicher wusste sie auch jetzt was zu tun war.


Sie gingen weiter


Durch das Schneetreiben hörte Hereit nun neue Geräusche. Sie
erschrak. Es waren Schreie, fürchterliche Schreie. Manche voll Angst und andere…
anders. Sie hatte so etwas noch nie zuvor gehört. Die Schreie klangen entfernt
wie die von Norn aber sie waren verzerrt und von Wut und Wahnsinn erfüllt
Hereit bekam es mit der Angst zu tun, sie klammerte sich fest an die große Hand
ihres Vaters.


Sie gingen weiter.


Durch den Schnee kamen von beiden Seiten dunkle, riesige
Schatten auf sie zu. Hereit bereute es fast schon mitgewollt zu haben, doch ein
Nornherz kennt weder Furcht noch Feigheit. Indem sie sich dies einredete linderte
sie ihre Angst etwas. Als sie wieder zu den Schatten aufsah, sah sie das es
Felswände waren die zu beiden Seiten aufragten.


Ihr fiel ein Stein vom Herzen, sie hatten den
Dämmerstiegpass erreicht. Fast die Hälfte des Weges war geschafft. Als sie die
Schlucht durchquerten fragte sie sich wie Mutter sie in diesem Treiben so
schnell und zielsicher hatte leiten können doch dann lenkte etwas anderes ihre
Aufmerksamkeit auf sich.


Vor ihnen zuckten blaue Blitze durch den Sturm. Das Zentrum
dieser Energien schien weiter im Osten zu liegen. Grausame Stimmen lagen in der
Luft. Sie sangen, kreischten, brüllten und schienen zu jubeln. Diese Geräusche
ließen Hereit einen kalten Schauer über den Rücken wandern.


Mutter erstarrte. Das hatte sie nicht erwartet. Doch zum Glück
führte sie ihr Weg südwärts. Sie bogen ab und verliesen die Straße. Stattdessen
hielten sie sich an die Flanke der Berge. Nach einer Weile sahen sie ein neues
Licht im Dunkeln glimmen. Das warme Licht eines Feuers. Eines Feuers aus Holz
und Reisig wie es die Norn zu entzünden pflegten. Und tatsächlich, die Leute,
die durch die Hüttenfenster zu sehen waren sahen nicht wie Monster aus.



Velend sah in den Schneesturm hinaus. Das Feuer und die Hütte
konnten sie vielleicht vor dem Wetter schützen, nicht aber vor Jenen, die es
verursachten. Er kochte. Die Söhne Svanirs, wie sie sich nannten, beteten
Jormag, den Eisdrachen an. Den selben Jormag der ihr Volk aus ihrer Heimat
vertrieben hatte.


Schon Svanir selbst war ein Narr gewesen, den
Einflüsterungen von Jormags Diener zu lauschen. Er hatte mit seinem Leben dafür
bezahlt und mit seiner Legende. Er war kein Held der Norn geworden wie er es
beabsichtigt hatte sondern eine Schreckensgestalt mit der man Kinder ängstigte.


Doch diese Söhne Svanirs, sie waren real und greifbar. Sie
beteten den Drachen an und mit Sicherheit waren sie es, die mithilfe seiner
Macht diesen Sturm näherten.


Er brauchte Abkühlung, die Söhne Svanirs ließen ihm das Blut
und den Kopf steigen. Er nahm seine Axt und beschloss ein paar „Söhne“ zu
suchen und ihnen eine Tracht Prügel anzubieten. Er öffnete die Hüttentür und
ging schnell hinaus ehe die Anderen Fragen stellten.


Der Sturm schlug ihm mit ganzer Kraft ins Gesicht. Nicht,
dass es den Nornkrieger gejuckt hätte, aber er nahm ihm kurz die Sicht. Als seine
Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten sah er, dass er wohl nicht weit
laufen musste um seine Wut an den Svanir auszulassen.


Vor ihm im Sturm zeichneten sich drei Umrisse gegen die
blauen Blitze aus dem Norden ab. Es waren zwei Große und ein Kleiner. Gleich
zwei Svanir und ein Wolf dachte sich Velend. Das wird meiner Legende wohl einen
kleinen Schub versetzen und dafür sorgen, dass ich auf den nächsten paar
Bierräten ordentlich zu prahlen habe.


Er griff seine Axt fester und brüllte; „Ihr habt die
Dreistigkeit bis zu dieser Hütte zu kommen, Svanirpack?“ Ein Murmeln war die
Antwort die er nicht abwartete. Er stürmte vor und holte kräftig mit der Axt
aus. Sein Ziel was der größte Schatten. Eisen traf auf Stahl. Sein Schlag wurde
geblockt. Ein Fausthieb des zweiten Schattens traf ihn mit gewaltiger Kraft im
Gesicht und warf ihn zurück. Die Axt fiel in den Schnee. In diesem Sturm und
vor allem in dem Kampf in welchem er sich befand würde er sie nicht wiederfinden.
Er brauchte sie nicht. Die Svanir würde er auch mit bloßen Fäusten besiegen.


Er wollte aufstehen doch dann sah er etwas Ungewöhnliches.
Der dritte und kleinste Schatten sackte zusammen. Die beiden Großen stoppten abrupt
den Angriff ab, den sie gerade begonnen hatten. Einer der beiden schrie einen
Namen; „Hereit!“


Hereit? Welcher Svanir nennt seinen Wolf Hereit? Es war ein
Frauenname und auch die Stimme die ihn gerufen hatte war die einer Nornfrau
gewesen. Aber die Svanir nahmen keine Frauen auf.


Die dämmernde Erkenntnis traf ihn härter als der Schlag
welcher ihn zu Boden geworfen hatte. Diese Leute waren keine Svanir. Es waren
Wanderer auf dem Weg nach Hoelbrak und Hereit war kein verdorbener Wolf sondern
ein kleines Mädchen.


Mit einem Satz war er auf den Beinen mit dem Nächsten war er
bei dem Mädchen. Die beiden großen Schatten waren schon neben ihr auf die Knie
gesunken. „Was ist mit ihr?“ fragte er vorsichtig.


„Die Erschöpfung. Wir sind heute weit gelaufen in diesem
Sturm.“ Sagte der weibliche Schatten. Zum Glück waren Norn bei Verwechslungen
wie dieser selten allzu nachtragend.


„Bringt sie rein.“



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