Im Fackelschein sah Arka Sha die wartenden Gesichter der Flüchtlinge. Was er sah gefiel ihm nicht.
In dem nachlassenden Wind der durch die Schlucht zog flatterten verklebte Haare, trotzig aufgestellte Wimpel oder lautstark lockere Zeltwände - und doch eine unvergleichliche Stille im Gegensatz zu den Schreiben und dem Geplapper unzähliger verzweifelter, mutloser Kehlen. Sie sahen ihn an.
In den Gesichtern konnte der Charr dasselbe lesen, was auch in seinem Geist vorherrschte. Trauer. Wut, Verzweiflung. Doch er gab sich mühe den Verlust seines Trupps nicht zu zeigen. Nicht jetzt, nicht hier. Einer muss die Kontrolle wahren.
"Ich weiss, ihr habt alle viel verloren.
Wir haben die Stadt verloren, Freunde verloren, Familien verloren und unsere Häuser und Schiffe.".
Kein guter Beginn für eine Ansprache, dachte der Charr noch.
Seine gebrochenen Finger pochten mit jedem Herzschlag, die von der Menschlichen Heilerin verbundene Abschürfung und die Brandwunde am Hals pochten.
Doch er hatte das Ohr der Flüchtlingen gefordert. Es gab kein Zurück mehr.
"Aber nun blickt ihr euch um, Löwensteiner. Und ihr seht all jene, die Scarlet nicht töten konnte.
Ihr seht alles, was Scarlet uns nicht nehmen konnte, unseren Mut, unseren Stolz.
Das Beste von Löwenstein, das ist geblieben!"
Kein Zurück mehr. Wenn wir Aufgeben sind wir verloren.
Das Zweifeln auf den Gesichtern der Zuhörer. Vereinzeltes Lächeln ob seiner Worte. Wenn wir den Mut verlieren sind wir verloren.
"Wir werden uns weiter stärken, versorgen, neu aufbauen! - Doch wir werden auch Vorbereitungen treffen!"
Die fragenden Blicke auf einigen Gesichtern gaben ihm Mut.
Das wage Hoffen, das wage Lächeln das ihnen jemand einen ausweg aus ihrer verzweifelten Lage zeigen würde, oder zumindest einen möglichen Weg aufzeigt.
Das Hoffen darauf, das jemand nicht aufgibt. Wenn wir aufgeben sind wir verloren. Das wissen auch sie.
Vorbereitungen Worauf fragt ihr?
Er hatte sie. Auch wenn sein eigenes Herz nur von den Gedanken an Rache für seinen gefallenen Trupp überschattet war,
hier und jetzt gallt es Vernunft zu wahren. Ein Krieg wird nicht mit Zorn gewonnen, sondern mit Mut, Vernunft und strategischer Rafinesse. Keine Zeit für Zorn. Wir brauchen Hoffnung.
"Wir bereiten uns auf unsere Rückkehr nach Löwenstein vor. Wir haben inzwischen Kontakt zum nördlichen Lager! Wir haben Kontakt zum südlichen Lager! Und in jedem Lager spricht man, gleich welches Volk, gleich welche Fraktion mit einer gemeinsamen Stimme!"
Die Worte kamen wie von selbst. Arka Sha würde später nicht sagen können, was ihn in diesem Moment dazu antrieb,
aber er brüllte die Worte heraus wie sie ihm kamen. Mit aller Stimme, die ihn nach den aufreibenden letzten Tagen geblieben war, bellte er die Worte über das Lager, das auch der letzte noch zu ihm herübersah.
"LÖWENSTEIN GIBT NICHT AUF!"
Irgendwo schrie jemand. Irgendwo jubelte eine Gruppe von verletzten Piraten. Und irgendwo riss jemand eine Faust in die Luft, dann noch eine. Arka Sha beachtete sie alle nicht.
Es war der Zorn, ja. Zorn, Verzweiflung, Hoffnung. Gefühle die völlig fehl am Platze waren. Doch hier nun gaben sie seinen Worten etwas Drohendes, etwas Düsteres.
Ein Zorn, der nicht seinen Zuhörern gallt, sondern dem, was hinter dem Gebirge lag. Derjenigen, die ihrer aller Heimat, ihrer aller Freunde und Familien zerstörte.
Ein gemeinsamer Zorn auf Scarlet.
"Morgen werde ich am Schwarzen Brett Missionen ausschreiben! Nehmt sie in Angriff! Erfüllt sie, wenn ihr euch dazu in der Lage fühlt! Ja, manche sind gefährlich. Ja, sie sind nicht einfach. Doch mit jeder erfüllten Aufgabe werden wir einen Schritt weiter sein und unseren Nachteil gegenüber den Invasoren geringer werden lassen. Ab Morgen werden wir unsere Handlungsfähigkeit wieder herstellen... "
Arka Sha grollte tief, als er seine eigenen Worte im Kopf noch einmal herumwälzte. Keine guten Worte.
Aber die, die gesagt werden mussten. Das, was er vorhatte brauchte die Mithilfe von allen. Und sie alle sahen ihn an. Sie alle wollten die Worte hören, die er auszusprechen vorhatte. Sie alle wollten die bittere Lüge hören, das es einfach werden würde - doch er wollte sie ihnen nicht geben. Er konnte ihnen keinen einfachen Sieg versprechen. Alles was er ihnen versprechen konnte war, es zu versuchen. Wieder hob er die Stimme, schrie die letzten Worte in einem zornigen Aufschrei über den Platz, das auch der letzte in den Zelten sie hören sollte!
...AB MORGEN WIRD DER KAMPF UM LÖWENSTEIN ERÖFFNET!
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