Die zweite Fluchtwelle aus dem Norden hat zur Fassnacht Rekkins Rast überrollt. Hatte man letzte Woche noch geglaubt, das Schlimmste überstanden zu haben, ist man nun am Waldboden der Tatsachen angekommen: Das Zeltdorf um die Rast hat sich in seiner Größe verdoppelt, so vermutlich auch die Anzahl der Insassen. Man sagt, rund zwei Hundertschaften lagern nun um die Wirtshütte herum. Genau ist es schwer zu sagen, Norn zu zählen ist keine leichte Aufgabe.
Der Hüttenwirt hat ein Jagdverbot im Borealiswald ausgesprochen. Die Wildbestände wurden zum Überleben der ersten Fluchtwelle bereits dermaßen zusammengeschossen, dass nun die Gefahr droht, der gesunden Tierwelt des Waldes auf lange Jahre hinaus ernsthaft zu schaden. Noch sieht ein jeder Norn die Notwendigkeit ein, noch wird sich - ganz untypisch - an dieses Machtwort gehalten. Fraglich ist, wie lange diese Einstimmigkeit unter den versammelten Norn anhalten wird. Kommt erst der Hunger zurück, sind alle Machtworte für den ohnehin schon sturen Nornengeist vergebens.
Die Flüchtlingsschar ist bunt und abgerissen. Es fehlt an Kleidung, an Schlaffellen, an Jagdbögen, Waffen und den Kleinigkeiten des täglichen Lebens wie Nadeln, Löffeln, Bindfaden, Lappenpuppen für die Kinder. Viele sind mit nichts mehr als sich selbst aus dem Norden angelangt und nur die Hälfte konnte in den Wochen vor Fassnacht bisher halbwegs versorgt werden. Noch gibt es Nahrung: Brei, Salzfleisch, Brot und Wurzeln machen die sonst in der Rast so üppige Verpflegung aus. Doch man sieht schon wieder die dunklen Schatten unter den Augen der Legendenköchin, das unruhige Suchen ihrer Augen, woraus sie die nächsten nahrhaften Mahlzeiten wohl bereiten wird.