Zitat von Sjurd der Wanderer„Lasst mich Euch die Saga des Geisterkindes erzählen. Eine Norn, aufgezogen von Wölfen, gelebt unter Bären. Mit Raben die Gipfel erkundet und von den Schneeleoparden die perfekte Tarnung erlernt. Man sagt sich, das Geisterkind sei so alt wie die Geister selbst. So weise, wie alle Schamanen zusammen und doch so scheu, wie ein junges Reh. Vielleicht hast Du eines Tages das Glück, das Geisterkind zu treffen, um Dir ein eigenes Bild zu machen.“
Kleine Blüten, Ästchen, sowie Tannennadeln und Blätter sind im weißen Haarschopf der Jungnorn zu entdecken. Hier und da ist auch der Ansatz einer langen, reinweißen Feder zu sehen, die im Haar steckt. Deutlich hebt sich das Haar, wie auch die Tätowierung über ihrem linken Auge von der Sonnengebräunten Haut ab. Es hängt lang über ihren Rücken, rahmt den zierlichen Körper des Wildfangs ein, der kaum älter als siebzehn zu sein scheint. Schmächtig und kraftlos wirkt sie. Hat keinen ausgeprägten Vorbau und würde auch sonst mehr als ein 'Kind' gelten, worauf man schließen kann, wenn man sie sprechen hört. Kaum drei zusammenhängende Worte kommen aus ihrem Mund, ohne das sie sich immer wieder unterbricht, als wüsste sie nicht, wann sie zwischen den Worten Luft holen muss. Gänzlich anders ist jedoch der Blick der Jungnorn, welcher offen und neugierig in gold glänzendem Ton strahlt. Doch betrachtet man sie genauer, wie sie aufmerksam umher schaut, als würde jede Kleinigkeit allein mit Blicken aufgesogen werden können, so erkennt der Betrachter vielleicht, das dort etwas fehl am Platz - nein, gar irritierend wirkt. Nicht nur die Lippen, die sich nie auch nur zu einem Anflug von Lächeln verziehen, sondern auch das Alter und das Wissen welches in ihren Augen ruht. Als hätte sie bereits alles gesehen. 'Ein Glück' will mancher meinen. Und dennoch sieht sie immer traurig aus.
Vielleicht weckt sie in manchem auch den Drang, sie in den Arm zu nehmen, sie zu behüten, zu trösten und zu beschützen… jedoch bleibt sie auf Distanz. Eine neugierige Distanz, deren Flucht nicht immer möglich ist. Denn hin und wieder siegt die Neugierde und der Drang sich anzunähern, ehe schlagartig doch noch die Flucht ergriffen wird.
Die Kleidung, die sie trägt, ist verschlissen und teils mit Rissen und Flicken übersäht. Ihre gesamte Erscheinung ist eher schmutzig und nicht sonderlich gut gepflegt, wobei es den Anschein erwecken könnte, dass sie doch hin und wieder Hilfe annimmt.
„Lumi heißt sie. Tauchte irgendwann hier auf und kam regelmäßig her. Jeden Tag ein Stück näher, bis sie zwei Schritt nur hinter mir stand. Hab ihr einen Apfel geschenkt. Sie lächelte nicht. Aber ihr Blick hatte etwas Dankbares.“ sie seufzt und sieht in die Ferne. „Ich weiß nicht, wo sie herkam. Und ich weiß nicht, wo sie hingeht. Aber etwas sagt mir, dass sie ihren Weg schon gefunden hat.“
Hedi, Händlerin
„Die blöde Kuh, die nich sprechen kann, heh?! Hab sie einmal festgehalten, weil sie sonst unter den Karren gekommen wär! Und was macht die?! Zerkratzt mir's Gesicht! Kuck es dir an! Sieht man immernoch!“
Jörn Ulfredsson, Karawanenführer
„Sie spricht wirres Zeug! Hört ihr bloß nicht zu. Ich sags euch... die ist irre! Wie sie schon redet, schonmal gehört?“ sie deutet mit ihrem Finger an die Stirn. „Bekloppt sag ich dir! Oder einfach nur dumm. Kuckt zumindest immer so, als würd sie nichts verstehen. Da muss doch was kaputt sein, bei der.“
Irmgar Olafsdottir, Waschweib
„Sie ist ein Kind der Wildnis. Die Geister stehen ihr zur Seite, damit sie dort überlebt. Doch niemand weiß, woher sie kommt und wohin sie geht, wenn sie wieder verschwindet. An den unmöglichsten Orten habe ich sie schon gesehen. Von den Wanderer-Hügeln, bis nach Kryta. Wenn du mit offenem Blick durch die Welt gehst, siehst du sie vielleicht auch.“ die klein gewachsene Norn nickt und stemmt den Stab auf den Boden, hebt abermals den Blick. „Ein zartes und zerbrechliches Kind im Äußeren. Doch was dahinter steckt... das weiß niemand.“
Maiju, Wandernde Heilerin
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„Du warst schon wieder so lange fort.“Wolf stand an ihrer Seite und seine nebligen Augen starrten zu ihr hinauf. Sie blinzelte langsam und träge, ließ die endlose Stille der Nebel auf sich wirken und hob ihre Hände vor ihr Gesicht, um sich diese anzusehen. Sie waren wie Wolf. Ein Abbild der wirklichen Hände. Sie selbst war ein Abbild von dem, was sie auf der anderen Seite gewesen war. Nun war sie hier. Erneut. Doch dieses Mal war sie ein Geist. Es fühlte sich besser an. Sie fühlte sich besser an. Jetzt endlich gehörte sie hier her, wo sie schon so lange herum gewandert war.
„Ich weiß, Wolf. Aber jetzt… jetzt bleibe ich. Für immer.“ Der Jungwolf gesellte sich an ihre Seite und schmiegte seinen nebelhaften Körper an ihre nebligen Beine.
„Und wo du jetzt für immer bleibst, wo gehen wir hin?“
Langsam schaute Lumi sich um, bis sie in der Ferne eine gewaltige Halle erkannte. Sie hob ihre Hand und deutete darauf.
„Wir gehen da hin.“
Wolf zuckte mit einem Ohr und sein Nackenfell stellte sich ein wenig auf.
„Da sind so viele.“
„Ich weiß.“
„Hast du keine Angst?“
„Nein.“
„Warum?“
„Weil ich hier her gehöre.“