Der stille Tod

Der tosende Donner monotoner Hufschläge, verunglimpfte die nächtliche Idylle des schmalen Waldstriches im dissonanten Klang. Ein schwarzer Hengst querte unter schnaubenden Nüstern den moosbehafteten Boden und flog im aufkeimenden Blätterregen regelrecht durch die anlegte Schneise. Sein obskurer Reiter spiegelte die Erscheinung des Vierbeiners und wucherte in das Bildnis eines aufziehenden Schattens. Vereinzelt stoben grüne, nekrotische Funken aus dem glühenden Farn Yeros und erhellten die einnehmende Dunkelheit für marginale Nuancen. Es dauerte nicht lange bis sich die Silhouette und der milde Laternenschein einer Kutsche im Zwielicht abzeichneten. Der Sylvari passierte das Fortbewegungsmittel im vollen Galopp. Ein gehässiges Lächeln umspielte dabei die blassen Lippen.


Der Begriff „Sündenpfuhl auf Rädern“ würde der hölzernen, wackelnden Kiste eher gerecht werden. Übertriebenes, aufgesetztes Lächeln einer Frauenstimme schwängerte die Luft und rang selbst dem älteren Kutschenführer genervtes Augenrollen ab. Das Ziel der Begierde suhlte sich dort in den Polsterungen und genoss die Reize einer mit Münzen erkauften, drallen Schönheit. Auf den Bock springen, den Wagenlenker eliminieren und schließlich dem lüsternen Treiben ein schnelles Ende zu bereiten, erwies sich als verlockend einfach. Yero konnte den Impuls fühlen, der in destruktiven Böen durch seinen Organismus pulsierte, jedoch entsprach dies nicht seiner Aufgabe und noch weniger der Art, wie sich Sol Emerald unliebsamer Gegner entledigte. Der stille Tod, bar jeder Aufmerksamkeit füllte ihre Feder mit dem nötigen Blut. Chatine trieb seine bestiefelten Fersen harsch gegen die Flanken des Hengstes und verschwand binnen kürzester Zeit aus dem Blickfeld.


Einmal den Waldabschnitt passiert, flutete der fahle Lichtkegel des Mondes die nachfolgende weite Ebene. Inmitten eines großflächigen Landstriches, wurde ein prunkvolles Anwesen aus dem Grund gestampft. Umzingelt von mehreren Metern schützenden Steins, symbolisierte die Residenz Sicherheit und maßlose Dekadenz. Der vorangegangene wüste Ritt öffnete Yero ein Zeitfenster von wenigen Minuten. Seit mehreren Tagen bereits, beobachtete der Sylvari die Struktur des Prachtbaus und verfolge Gepflogenheiten sowie Routinen des patrouillierenden Wachpersonals. Als ein gerüsteter Mann erwartungsgemäß um die Ecke schepperte, brachte Chatine den schweißgetränkten Hengst an die Flanke des Außenwalls, stemmte sich in einer flüssigen Bewegung auf den Sattel und erklomm unter einem beherzten Sprung die obere Spitze des Gemäuers. Nur Sekunden harrte der Assassine, den dunklen Körper in die Hocke gebogen und auf den Armen gestützt in jener raubtierhaften Pose, ehe er geräuschlos und federnd im kurz geschnittenen Gras des weitläufigen Gartens landete.


Perfektion wurde seit jeher in den Verstand des Sylvari geprügelt. Seiner unerwünschten Präsenz in den Adern dieser Residenz sollte kein Blutbad folgen, noch strebte Yero danach den Auftrag in brachialer Gewalt zu vollenden. Er war nichts als ein Schatten, der sich stumm über das auserkorene Ziel erhob und mit dem Erscheinen der ersten Lichtstrahlen ins Nichts verpuffte. Schnelle, tonlose Schritte führten Chatine tiefer in den pompösen Bau. Unweit eines Balkons, beschleunigte er das Tempo, sprang in die marmorierte Wand und hangelte seinen leichtgewichtigen Körper an die Kante der Brüstung. Das Hindernis mühelos überwunden, infiltrierte er die angrenzende Kammer durch eine, ob der Sommerhitze, offenstehenden Tür. Das monotone Sägen eines Bediensteten, enttarnte diesen recht schnell in den Fängen eines seligen Schlafes. Yero belohnte den untersetzten Diener lediglich mit rudimentärer Aufmerksamkeit. Von süßen Träumen geplagt, hatte der Mann die Decke von sich gestrampelt. Ein schneeweißes Bein ragte aus dem teuren Bettzeug, ebenso die kleine Insel seines Bauches. Genug, um Chatine in ein angewidertes Augenrollen zu zwingen, ehe er das Schlafgemach wieder verließ und im Flur aufschlug.


Yero bewies kein Auge für die angepriesene Kunst in Form von teuer bezahlen Bildern, geschnörkelten Kommoden aus Mahagoniholz, oder nach Bewunderung haschendem Porzellan. Zielgerichtet führte ihn sein Weg über einen weichen, karmesinfarbigen Teppich an das Flurende. Dort stieß er unter ausgestreckten Armen beide Flügeltüren lautlos ins Innere und offenbarte die Spielwiese des Löwen, dessen kostbarer Pelz der Grund für seine Mühen darstellte. Abermals entpuppte sich der Sylvari als Kunstbanause und ignorierte das pompös ausstaffierte Gemach. Der Marsch endete am Kopfteil des übergroßen Bettes. Yero förderte eine filigrane Phiole zu Tage, dessen liquider Inhalt in pastellblauer Farbe irisierte. Ein hochgiftiges Toxin, absolut geruchslos, das über Zeit die Atemwege versengte und in einen schleichenden Tod mündete. Ohne größeres Federlesen träufelte er die Essenz unter das Kopfkissen. Flüchtig sinnierte Chatine über die Milde, welche Sol ob dieser Maßnahme gewährte. Friedlich entschlafen in den Armen einer nackten Frau, wohlmöglich nach dem erkauften Austausch von Körperflüssigkeiten. Ein schmerzloser, langer Abschied. Vermutlich die schönste Art für einen Menschen aus diesem Leben zu stolpern. Nicht dass es für den Sylvari von großartiger Bedeutung wäre. Die Hure? Kalkulierter Kollateralschaden.

Kommentare 1

  • Wie immer wunderbar geschrieben! Und es ist schön etwas von Yeros Vergangenheit zu erfahren, an die IC vermutlich nur sehr schwer heran zu kommen ist.
    Ist dann schön seine Klingen auf diese Weise kennen zu lernen :P


    Möchte mehr von dir lesen xD