"Geschafft", dachte die Balthasar Klerikerin, als sie nach dem ersten Tag der Exkursion endlich wenigstens fünf Minuten Pause ihr eigen nennen konnte. Schmauchend mit einer Zigarette in der behandschuhten Rechten schickte sie sondierend den Blick über das mächtige Bollwerk, welches die Wachsamen ihr Eigen nannten. Die Sonne war schon längst unter gegangen, wodurch sich hier Fackeln bedient wurde, um dennoch für eine ausreichende Ausleuchtung zu sorgen. Taktikerin Tihute, die Frau, welche mit noch zwei weiteren Wachsamen der Gruppe entgegen gekommen war, hatte berichtet, dass sich nach wie vor dreckige Piraten hier umher treiben würden, man aber nichts 'befürchten' müsse. Angst. Bah. Vor Piraten. Sie. Niemals. Furchtlosigkeit im Anblick von Feinden, die bluten konnten war in ihren Augen Grundvorraussetzung für einen Beitritt beim Balthasar Klerus. Etwas umständlich fummelte die Priesterin aus einem Beutel ihren wertvollsten stofflichen Besitz hervor in Form eines Altsilber farbenen Etuis und öffnete es direkt mit einem satten, klickenden Geräusch. Sie ließ die Finger auswählend suchend über die Kräuterstengel gleiten, bis sie sich für einen davon entschied und diesen direkt in den Mundwinkel verfrachtete.
Trotz der brachial anheimelnden Umgebung und der leichten Brise war die Priesterin des Meisters der Herausforderungen alles andere als wirklich zufrieden. Zwei Kinder. Und dann auch noch in dem Alter. Wie konnte man nur auf die Idee kommen, diese auf eine Reise mitzunehmen, die durch ein zugegebener Maßen weniger kritisches Gebiet ging, aber dennoch in einer militärischen Basis mündete. Sogar Dannick wurde bei seinem Vater über die Zeit unter gebracht, auch wenn sie sich nicht ganz sicher war, ob es ihrem Sohn auch wirklich an Nichts mangeln würde. Die extra erstellte Liste würde Sentenzar mit Sicherheit bearbeiten. Aber wie. Horrorszenarien schwirrten ihr kurz durch den Schädel, die sie dann mit einem matten ausatmen irgendwie doch wieder verbannte. Das würde schon alles gut gehen. Bestimmt. Hoffentlich. Bah! Zweifel. Sentenzar war zwar emotional nicht unbedingt stabil, aber keinesfalls ein unzuverlässiger Idiot und das Kind würde auch einmal drei Tage ohne Liebkosungen zurecht kommen. Die Welt war ein harter Ort und das würde der Junge noch früh genug lernen müssen, warum also nicht langsam steigernd damit beginnen.
Ein dünnes quäken Riss sie aus den Gedanken an zu Hause wieder zurück und ließ sie auf den Boden blicken. Achja richtig. Während des Vortrages, den Kriegsmeister Weihlicht ausführlich und informativ gefüllt hatte, hatte die Priesterin den Novizen die beiden mitgebrachten Kinder abgenommen, damit die wenigstens einigermaßen ungestört dem Unterricht folgen konnten. Eines davon, das von Novizin Veleren aus dem Lyssa Klerus hatte sie noch in einem Anfall aus Gutmütigkeit auch danach noch etwas behalten, um es der jungen Frau zu ermöglichen wenigstens noch etwas in Ruhe essen zu können. "Ich glaube ich sollte ein ernstes Wort mit deiner Mutter sprechen. Du wiegst viel zu wenig für dein Alter.", brachte die Kriegspriesterin dem Säugling entgegen und hielt die Handinnenfläche der Rechten dicht unter das Ende des Glimmstengels. Ein tiefer, inhalierender Zug erfolgte und die braunen Augen wurden entspannt genießend für den Moment geschlossen. Mavey hatte es sich nicht nehmen lassen, nun wo sie doch etwas weiter weg war, das Rauchkraut minimal zu modifizieren, um wenigstens wieder etwas ihrem alten Laster frönen zu können. Die Dosis war definitiv zu gering, um wirklich etwas bewußtseinserweiterndes auszulösen, aber der Geschmack reichte vorläufig aus - fast so, als würde sie einen guten Wein genießen.
Die Ruhe - auch wenn immer wieder Geräusche von Personen in Rüstung in der Nähe vernehmbar waren und die Bastion quasi nie wirklich still zu sein schien, war einfach herrlich. Kein gequengel von irgendwem. Keiner der jetzt gerade irgend etwas von ihr wollte. Keine Probleme mit denen sie sich großartig herum schlagen musste. Die Arbeit konnte fünf Minuten warten. Zufrieden schmauchend sog die Balthasarklerikerin den nächsten, tiefen Zug in die mit Sicherheit nicht mehr ganz heilen Lungen ein und behielt den Rauch dort, bis sie langsam exakt bis zehn gezählt hatte. Mit einem leisen Laut der inneren Entspannung wurde erst dann der Qualm zu gekonnten Ringen geformt und in die nächtliche Luft gewirbelt und keine fünf Minuten später, war der Spuk auch schon vorbei. Mavey hob das kleine Mädchen auf und schnippte den übrig gebliebenen Stummel einfach über die Mauer. Ein kurzes Innehalten gönnte sie sich noch, um die eigene Körperhaltung nachzukorrigieren und erst dann wurde der Weg in die Eingeweide der Festung fortgesetzt. Noch zwei Tage.
Allgemein betrachtet hatte die Klerikerin nicht unbedingt den Eindruck, dass alle, die mit anwesend waren, wirklich von Lernwillen getrieben sich der Exkursion angeschlossen hatten, sondern viel mehr aus Zwang. Oder sie vermuteten eine Art Kaffeefahrt. Die langen Gesichter bereits beim austeilen der Arbeitsblätter sprach Bände und hinterließ einen bitteren Geschmack im Mund der rot Gerüsteten. Wann hatten Novizen und Anwärter angefangen so faul zu werden? Sie hätte sich früher um solche Möglichkeiten gerissen und Fragen über Fragen gestellt. Diese Kinder erkannten zum Teil nicht einmal den Wert, den dieser Ausflug hatte. Der einzige Lichtblick am Firmament waren in der Tat die Novizen Nendis - Greaves, Dietrich und die Anwärterin Lutea. Zumindest hatten die drei die Ernsthaftigkeit und die Chance verstanden, die dieser etwas andere Unterricht mit sich brachte. Priester Guambo war zwar ebenso mit von der Partie, aber mehr zur Unterhaltung und zur Wissenserweiterung geplant, als wirklich zum strengen Eingreifen, sollten die 'Kinder' doch dem Klerus Schande bereiten. Der Mann besaß dafür einfach ein viel zu weiches Herz. Mavey wusste das nur zu gut.
Die Schritte hallten während dieser doch eher finsteren Gedanken durch die hohen Räume der Festung. Das Kind auf ihrem Arm schlief immer noch, was die schwarzhaarige als ausgesprochen angenehm betiteln konnte. Wenigstens ein ruhiges Kind, dass sie sich da selbst aufgedrückt hatte. Dennoch wollte sie es nun doch baldigst wieder los werden und nahm deshalb den direkten Weg gen Speisesaal in Angriff, wo sie auch nach einer Weile an kam. Ohne sich zu verlaufen wohl gemerkt.
Der restliche Abend verlief kurz. Die meisten waren müde und erschöpft von der Reise und der Flut an Informationen, sodass bereits nach kurzer Zeit die Schlafsäle angenommen wurden, um Kraft für den kommenden Tag zu tanken.