Wenn Menschen ihre Erfahrungen mit anderen Menschen weitergeben, haben insbesondere Kinder die Angewohnheit zu hinterfragen. Man verlässt sich niemals blind auf das Urteil eines anderen, sofern man ansatzweise selbst zu denken in der Lage ist, und will eigene Erfahrungen, eigene Urteile bilden. Insbesondere Kinder müssen dies tun, denn es ist ein unabdingbarer Prozess auf dem Weg zum Erwachsenen Menschen.
Heute wünschte sie sich, sie hätte sich auf die Worte ihres Vaters verlassen, so hart sie auch gewesen sein mögen, denn die Lektion die sie hatte lernen müssen, an der sie noch immer zu kauen hatte, war härter gewesen als es seine Worte jemals hätten sein können.
Voll gedankenverlorener Melancholie glitten ihre Fingerspitzen über die kleinen Fläschchen in dem Holzkasten, befühlten das kühle Glas und die feinen Ecken der aufgeklebten Nummern. Das Buch mit Helenas feinsäuberlicher Handschrift, lag daneben. Sie hatte es gelesen, komplett, und hatte weniger als die Hälfte davon verstanden. Aber sie wusste dass alles darin war, um ihn zu retten, sollte es notwendig werden.
Nun stellte sich ihr nur noch eine Frage.
‘Will ich ihn retten? Ist nicht alles plötzlich wieder einfach, wenn er einfach fort wäre?‘
Beinahe umgehend wurde ihr schlecht, und sie schalt sich selbst für den bitterbösen Gedanken, der ihr einen fiesen, galleartigen Geschmack im Mund hinterließ. Sie war auf dem besten Wege so zu werden wie ihr Vater es gewesen war, das wusste sie, und doch hatte sie nicht den Hauch einer Ahnung wie sie diese Entwicklung aufhalten, sie umkehren konnte. Sie neidete ihrem Vater viele Eigenschaften, die, so glaubte sie, ihr das Leben so viel einfacher machen würden. Und doch…
„Ich habe dir gesagt dass dich Vertrauen deinen schönen Hals kosten wird.“ Sprach es zärtlich nahe hinter ihrem linken Ohr. „Ich habe dich gewarnt. Du wolltest nicht auf mich hören.“ Lippen setzten sich auf ihre Halsbeuge, seine Bartstoppeln kratzten über ihre zarte Haut.
„Verschone mich damit.“
„Du konntest es noch nie ertragen mit deinen Fehlern, deinen Misserfolgen konfrontiert zu werden. Du bist so eine schlechte Verliererin…“ triezte er sie, während seine Finger sich in ihre Oberarme gruben, so fest, dass es schmerzte.
„Eine Rawson verliert nicht.“ Verteidigte sie sich, derweil sie sich mühte die Schultern aus seinem Griff zu entwinden, obgleich sie wusste, dass es hoffnungslos war. Er war von hinten nahe an sie herangetreten, und sie konnte seine nackte Brust an ihrem Rücken spüren.
„Beweise es.“ Forderte er, ehe sich schöne, gerade weiße Zähne die einen scharfen Kontrast zur umliegenden, dunklen Hautfarbe bildeten, scharf in ihre Schulter gruben und kräftige Hände sie entgegen jeden Wiederstandes zurück in die Schwärze zogen.
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