Jeder Schritt, den er tat, verwunderte ihn nur noch mehr. Eine jede seiner Bewegungen in dieser Umgebung schien irrealer, unwirklicher als die Vorherige. Er war wieder hier, in dieser Welt, die Ewigkeit und Stillstand bedeutete, die so fern und ihm doch so nah war. Die Welt, in der alles, was er tat, keinen Einfluss hatte. Wieder schien es das Gras nicht zu kümmern, wenn er einen Schritt tat. Die Bäume waren weder kalt noch warm, weder rauh noch weich. Sie waren einfach da - so wie alles an diesem Ort. Sein Blick reichte nicht weit - dichte Nebelschwaden wehten im Wald umher, nahmen ihm die Sicht. Hogni hielt inne und führte seine Rechte vor sein Gesicht. Er konnte sie sehen. In seiner Welt, außerhalb der Nebel, war er blind. Doch hier schienen seine Augen dazu in der Lage, die Umwelt wahrzunehmen. Den Boden, den Wald, den Himmel. Er sah alles. Und musste lächeln. Die Nebel waren ein seltsamer Ort. So hatte es Bruder Wolf ihm bei seinem ersten Besuch hier erzählt. Und der Geist hatte Recht - wie sollte es auch anders sein.
Eine Melodie drang in seine Ohren. Er horchte genauer hin. Stille. Das war genau die Unwirklichkeit, die ihn so verwirrte. Hier herrschte absolute Stille und doch schienen ihm die Nebel ein Lied zu singen. Eine Melodie, die er nicht beschreiben konnte - zu unwirklich klangen die Töne für den Alten. Zudem schien er sie eben nur dann wahrzunehmen, wenn er nicht darauf bedacht war, ihr zu lauschen. So schritt er weiter voran, in den vernebelten Wald und bahnte sich einen Weg durch das stumme Unterholz. Kein Knacken, kein Rascheln, kein Tier, kein Vogel durchbrach das Schweigen des Waldes.
"Hogni."
Er stoppte und sah über seine Schulter. Ein Wolf trat an seine rechte Seite. Das Tier war fahl, hatte keine feste Gestalt und wirkte mehr wie eine geisterhafte Erscheinung als ein wirklicher Wolf. Hogni neigte sein Haupt gen des Tiers. "Bruder." Eine Weile geschah nichts. Dann wandte sich der Wolf ihm zu. Die Schnauze berührte den Alten sachte an der Stirn. Und wieder vernahm Hogni eine Stimme in seinem Kopf.
"Du hast alleine an diesen Ort gefunden. Das erfüllt mich mit Stolz. Du weißt meinen Segen einzusetzen."
"Mit deiner Führung. Du leitest mich, weist mir den Weg. Ohne dich hätte ich das nie tun können, Bruder." Hogni hob den Kopf. Der Blick in Wolfs Augen war einer der eigenartigsten Momente für den Alten. Es schien, als sehe er sich selbst - aus den Augen des Tiers. Er sah für einen Moment in seine eigenen Augen, ehe der Geist wieder zu ihm sprach.
"Es ist an der Zeit für mehr. Dieser Wald hält in deiner Welt einen Ast für dich bereit. Suche ihn, ritze Runen. Sie werden meine Worte in deiner Welt sein. Mein Rat, wann immer du ihn benötigst. Mein Weitblick, wenn du nicht weit genug sehen kannst. Eine Hilfe für die, die sie suchen."
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Der Norn erwachte. Mit seinem ersten Atemzug sog er scharf Luft ein. Er zuckte, als sich eine Hand auf seine linke Schulter legte. "Alles in Ordnung, alter Mann?", flüsterte eine Stimme. Hogni selbst lächelte nur. "Alles in Ordnung. Lass uns gehen, ich muss etwas finden." Der Junge neben ihm brummte leise, fragte dann zögerlich nach: "Und was?"
Lachend erhob sich Hogni. "Das wirst du noch sehen."
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