"Grün ist eine schöne Farbe." Das hatte er dem Raum und seinem Helferlein mitgeteilt, doch die Frau vor der Türe hatte davon freilich nichts mitbekommen. Sie schwelgte noch in eigenen Gedanken und das derart, dass die Worte selbst dann untergegangen wären, hätte die Türe noch offen gestanden. Trotz Muskelkater kam ihr der kurze Rückweg gleich um einiges leichter vor, ein Umstand der sie zwar nicht in tiefe Grübeleien stürzte, aber genug wunderte, dass sie einen Moment nicht auf die Straße achtete, und von einem hervorstehenden Pflasterstein ins Straucheln gebracht wurde.
Noch ehe sie sich wieder fangen konnte, griffen raue Männerhände nach ihr. Sie erkannte es allein am säuerlichen Geruch der Haut, denn eine der Pranken hatte sich ihr vor Mund und Nase gelegt, um den Schrei zu ersticken, der ihr gleich in der Kehle aufgestiegen war. An ihrem nackten Oberarm spürte sie die Schwielen einer Hand, die es gewohnt war, eine Waffe zu führen. Ihre Augen verdrehten sich schon in den Höhlen, um den Angreifer irgendwie zu erspähen, da hatte dieser sie noch nicht einmal in eine der nahen Seitengassen gezerrt. Leicht machte sie ihm das auch nicht. Einen rückwärtigen Tritt ans Schienbein musste er einstecken, nachdem sie effektlos versucht hatte, in die Finger zu beißen, die ihr langsam die Luft nahmen. Sie machte sich schwer, ließ sich bewusst fallen, dass der Mann ihr ganzes Körpergewicht zu schleppen hatte. Bedauerlicherweise machte ihm das gar nichts aus, denn ehe sie es sich versah, fand sie sich mit der Front zuerst gegen eine feuchte Wand gedrückt wieder. Wenigstens konnte sie wieder atmen, denn die Pranke vor Nase und Mund schwand.
Gerade als sie zu einem Schrei ansetzen wollte -ihre Finger tasteten bereits nach dem kleinen Apparat, den sie stets mit sich führte- zischte eine raue Stimme an ihrem Ohr, so dicht, dass ihr der üble Atem auch gleich in die Nase geblasen wurde. Ein Säufer, zweifellos. Doch der Gedanke verging in einigem Grausen, als sie die Worte hörte. "So hübsch, die kleine Alice. So fein gemacht hat sie sich."
"Magnus." Ihre Stimme klang hoch und hohl, doch sie hatte keine Zeit, sich darüber zu ärgern, denn sein Lachen und ein neuerlicher Schwall stinkenden Atems streiften ihre Wange. Noch immer hielt er sie mit einer Hand in ihrem Kreuz an die Wand gedrückt. "Ganz recht, Täubchen. Nolan schickt mich, aber das hast du dir sicher schon gedacht. Er wartet. Und du weißt ja, wie ungern er das tut."
"Magnus, nun lass mich erklären. Wenn du mich nur loslassen würdest, dann bekäme ich genügend Luft, um dir zu sagen, dass..." Weiter kam sie nicht. Er hatte sie an der Schulter gepackt und herum gerissen, um ihr eine schallende Ohrfeige zu versetzen, die ihren Kopf herum warf, aber keine Spuren hinterließ. Er wusste, wie man es machte. Fassungslos starrte sie ihm entgegen, die Hand an der gepeinigten Wange. "Du hast dich hier schön eingerichtet, was? Muss ich dich daran erinnern, wo dein Platz ist? Wo du hingehörst, Mädchen?", knurrte er und von dem säuselnden Unterton von eben war nichts mehr geblieben. Abgerissen sah er aus in seinen alten Kleidern, nur das scharlachrote Halstuch, das kannte keinen Dreck, der sonst praktisch überall an ihm haftete. Er hatte die Tarnung als Bettler gewählt und sie stand ihm gut zu Gesicht, wie sie bitter bemerkte. "Magnus, ich liefere die Waffen." Er fuhr ihr über den Mund. "Das hättest du schon gestern.", sagte er barsch. "Unvorhergesehene Verzögerungen.", verteidigte sie sich schwach und hielt seinem bohrenden Blick nicht länger stand. "Unvorhergesehene Verzögerungen, ja? Ich sehe diese Verzögerungen." Sie spürte seine Augen auf sich, bemerkte, auch ohne hinzusehen, den lüsternen Glanz, den er ihnen allein deshalb gab, um sie einzuschüchtern. "Mir scheint, du hast dich zu sehr daran gewöhnt. An all den Flitterkram. An die Seide. Mir scheint, ich muss dich daran erinnern, wo du hingehörst, wo du herkommst."
Diesmal schrie sie tatsächlich erstickt auf, denn er hatte ihr Kleid beim Ausschnitt gepackt und der Länge nach mit drei kräftigen Rucken entzwei gerissen. Er hielt sie nicht auf, als sie danach die aufklaffenden Hälften rasch wieder vor dem entblößten Leib zusammen schob, fasste nur nach ihrem Kinn, um es anzuheben. "Übermorgen bringst du mir die Waffen vollzählig, haben wir uns verstanden." Alice nickte nur kaum merklich, weil er ihren Kopf nach oben zwang. "Bis dahin überdenkst du deine Haltung und Treue. Sonst werde ich dir eine Erinnerung daran in dein Fleisch schneiden." Er zwang ihr seine Lippen auf, einfach weil er es tun konnte, ohne dass er dabei Lust verspürt hätte. Er war ein rauer Kerl, der wusste, wie man Angst machte. Das war seine Aufgabe. Als er sie verließ, sank sie in der Gasse zitternd in sich zusammen, keinen Steinwurf von dem Mann entfernt, den zu betrügen sie ausgeschickt worden war.
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