Suppenkrieg

Sie konnte nicht verleumden, einer gewissen Besessenheit erlegen zu sein, als sie das Chaos in der Küche betrachtete.
Es war ein Schlachtfeld, geschaffen aus Töpfen, Schüsseln und Gemüseschalen. An anderen Tagen hätte diese Unordnung ihr die Nackenhaare aufgestellt, heute jedoch, wo sie der Verursacher war, konnte sie noch darüber hinweg sehen.


Dennoch plagte sie die leise Resignation wie ein unbequemes Jucken. Verbissen an einer Stelle ihres Wesens, wo kratzende Finger niemals hin reichen würden, entlockte es ihr sogar ein leises Schnauben. Der Klang war ihr auch nur erlaubt, weil gegenwärtig niemand im Haus war, um die Fehlbarkeit der personifizierten Perfektion zu sehen. Nur einer der stillen Wächter war draussen und wachte verborgen über den Eingang, um das Gefühl der Sicherheit zu wahren.
Konnte es denn wirklich sein, dass sie dazu verdammt war etwas nicht zu verstehen?
Sie hatte sich Rezepte geben lassen, Dutzende. Von Myrte, die gerade in ihrer Weitsicht, der Herrin keine unnötige Scham zu bereiten, kurzerhand wieder einkaufen gegangen war- bitter nötig oben drein, wo die letzten Stunden so ziemlich alles aus dem Lager zu einem klumpigen Brei verarbeitet wurde.


Wie ein spottender Magistrat standen sie da, die Töpfe mit ihren ungenießbaren Inhalten.
Sie spürte, wie ihr linkes Augenlid zu zucken begann, unter der Anspannung ihrer Züge. Hatte sie tatsächlich ihren Nemesis gefunden? Die eine Sache, an der jeder Geist für die Ewigkeit scheitern sollte? Vorsichtig trat sie näher, lauernd und pirschend, als könnten die Töpfe im Schreck vom Tresen springen, war sie nur zu laut.
Nicht minder vorsichtig reckte sie sich beim ersten auf die Zehenspitzen und blickte hinein. Die Hühnersuppe hätte kaum perfekter aussehen können! Das Gemüse trieb in vereinzelten, bunten Stücken auf der veredelten Wasseroberfläche, angereichert von den kleinen Punkten gemahlener Pfefferreste. Die faserigen Hühnerstücke darin ließen einen beim bloßen Anblick das Wasser im Mund zerlaufen, waren sie doch so zart, auf der Zunge zu zerfallen. Sie hatte es ausprobiert, kurz bevor das Salz ihr die Geschmacksknospen nieder getrampelt und weg geätzt hatte.


Danach hatte sie sich am Linseneintopf versucht. Die Hälfte war am Topfboden festgebrannt, sodass die gesamte Suppe wie ein verkohltes Dolyak, das sich zum sterben ins Erbsenfeld gelegt hat, schmeckte- So Myrtes Wortlaut.


Als nächstes versuchte sie sich an einer Kohlsuppe. Myrte hatte versprochen, dass sie, die Herrin, hier wirklich nicht viel falsch machen konnte. Sie hatte auch recht gehabt- bis sie sich im Übermut beim schneiden der letzten Kartoffel in die Hand schnitt. Über dem Topf. Wie auch immer diese Suppe also schmeckte - riechen tat sie nämlich gut- niemand würde sie probieren, wo doch ihr Blut darin trieb und verkocht wurde.


Nach einer kurzen Pause, in der Verjeni ihr die Hand verbunden hatte und mit Nachdruck betonte, es doch bitte sein zu lassen, sich zum Suppenfleisch zu zerhacken und nachdem Myrtes flehen, sie doch kochen zu lassen scheiterte, stand sie wieder in der Küche.


Der letzte Versuch war die Gemüsesuppe mit Rindstücken gewesen. Die einzige Suppe, wo sie beim schneiden des Fleisches dünne Handschuhe trug, nachdem der rote, blutige Fleischklotz die ersten Minuten nur fassungslos angeglotzt wurde. Und das auch nur, weil Myrte anfänglich nicht verstanden hatte, warum dieses Stück Fleisch ihr solche Probleme bereitete, bis es ihr dämmerte und sie Handschuhe besorgte. Nun, wo die Suppe fertig war und der Köchin als einziges keinen Geschmacksschreck eingebracht hatte, bedachte die Hausherrin den Topf mit strafenden Blicken. Ja selbst das mugsche vorschieben der Unterlippe fehlte nicht, als sie näher trat, um wenigstens einmal am aufsteigenden Dampf zu schnuppern. Die Suppe roch gut, dass konnte sie nicht bestreiten und der Umstand das Myrte noch lief, auch essbar.
Nur leider nicht für sie selbst.
Seufzend ließ sie die Schultern hängen und lächelte am Ende doch milde auf, wo die schmale Hand mit ihrem Verband, ihren Platz auf dem Bauch fand. Sie musste sich wohl eingestehen, eine noch miserable Suppenköchin zu sein, doch Frieden fand sie in der Gewissheit, dass 'er' seine Worte nicht mehr zurück nehmen konnte und auch Gioseppa sich wohl damit abfinden musste, dass ihr vorerst das kochen von Suppen weiter aufgehalst wurde.
Zuletzt, vom ungewohnten Hunger getrieben und umzingelt von ihren anerkannten Meistern, da schmierte sie sich ein Marmeladenbrot~

Kommentare 3

  • Schöne, lustige Geschichte. Dieser Satz ist richtig toll:
    "Dennoch plagte sie die leise Resignation wie ein unbequemes Jucken. Verbissen an einer Stelle ihres Wesens, wo kratzende Finger niemals hin reichen würden"


    Da möchte man doch glatt zum Essen kommen.

  • jaja unsere Aiko :P

  • Haha lieb. Schön geschrieben. Du hast auch immer ein paar so Sätze drin, wo ich gleich seh gut das Bild dazu im Kopf hab.