Der Tag war noch jung, doch schon herrschte reges Treiben im Marktviertel. Das Volk war auf den Beinen um frische Waren zu kaufen und den neusten Klatsch und Tratsch auszutauschen. Die Weiber mit ihren Schürzen und gefüllten Weidenkörben lachten und tuschelten, die jungen Burschen zogen Holzkarren über die Straßen um ihren Vätern und Herren an den Marktständen zur Hand zu gehen. Es war eng und laut, dennoch schafften es die voluminösen Stimmen der Händler über den Lärm der Masse zu schallen und ihre Waren mit ausschweifenden Beschreibungen zu preisen, welche aber den Ausführen meist nicht gerecht wurden.
Taylah hatte sich auch an diesem Morgen auf den Weg zum Wochenmarkt gemacht. Zu dieser Zeit war sie zarte 16 Jahre alt und noch Komtess, da ihr Vater sich noch bester Gesundheit erfreute. Noch hatte sie mit den eigentlichen Geschäften der Grafschaft wenig zu tun, jedoch war sie schon jetzt in die Haltung einer Dame von hohem Stand gepresst worden. Die Zeiten da sie mit Brandon Streiche für die Haushälterinnen und Gouvernanten ausdachte lagen nun schon eine ganze Weile zurück. Zuerst war es ihr schwer gefallen und ihr Drang mit Brandon zusammen die Welt in jugendtlicher Leichtigkeit zu erkunden war groß, doch mittlerweile genoss sie es. Sie hatte gelernt Etikette zu wahren aber auch, was es bedeuten konnte eine Lady zu sein und diese Vorteile fing sie nun an für sich zu nutzen.
Daher rührten auch ihre Besuche auf dem Mark. Sie genoss das Bad in der Menge und das bisschen Macht, welche sie dabei ausüben konnte. Ein blasser Vorgeschmack auf ihre Zeit als Gräfin.
Der Markt war so gut besucht, dass sich die Leute schiebten und schubsten und hier und da wüste Beschimpfungen fielen. Die Komtess liess ihren bulligen Leibwächter dann vorgehen und die Masse spalten. Mit grober Gewalt bahnte sich der Gerüstete den Weg durch das Volk, keinen Unterschied zwischen Mann, Weib oder Kind machend. Taylah beobachtete dieses Schauspiel mit Wohlwollen - sogar Genuss, und glitt langsam und mit unglaublich erhabenen Schritten die entstandene Schneise entlang. Ihr Kopf war stets gehoben und ihre Hand führte den Stoff des Kleides knapp über den Boden.
Man könnte nun meinen, dass Unmut entstand, doch eher das Gegenteil war der Fall, zumindest bei den Händlern. Kaum, dass sie der jungen Adligen gewahr wurden, versuchten sie mit allen Mitteln ihre Aufmerksamkeit zu fordern. Sie hofften die Dame würde an ihren Stand kommen und ein kleinen Teil ihrer gefüllten Geldkatze bei ihnen lassen. Auch diese Art der Aufmerksamkeit kostete Taylah in vollen Zügen aus. Stets konnte man ein zufriedenes Lächeln auf ihren Zügen erkennen und die Erhabenheit über das restliche Volk stach aus ihren blauen Augen hervor.
An einem Tag kam ein junges Mädchen zu ihr gelaufen. Sie war klein und zierlich und schaffte es an Taylahs Leibwächter vorbeizuflutschen. Taylah hielt inne und der Blick welche sie ihrem Leibeigenen schickte liess für die späteren Stunden am Anwesen nichts gutes für den Mann verheißen. Das Mädchen hatte eine kleine Auswahl an Topfblumen in einer Art Bauchladen.
"Herrin, Herrin. Seht die Blumen. Eine schöne Blume für eine schöne Dame wie Euch.", sprach sie. Die Worte des Mädchens wirkten einstudiert und schüchtern und sie sah Taylah dabei nicht an. Die Komtess betrachtete die Blumen und schon nach wenigen Sekunden schlich sich ein abfälliger Ausdruck in ihre Augen. Die Blumen waren nicht sehr prächtig, einige liessen schon die Köpfe hängen und sie waren vermutlich aus einem Vorgarten geklaut. Taylah schwieg. Sie schwieg solange bis das Mädchen vor Unbehagen von einem Fuß auf den anderen trat. Zunächst hob Taylah den Blick zu ihrem Leibwächter, welcher noch immer schuldbewusst dreinsah, gleichsam aber die Schultern hob. Seine Reaktion trug wohl nicht zu Taylahs Befinden bei und so hob sie die Hand und gab dem frechen Ding eine schnelle, harte Ohrfeige. Das Mädchen zuckte und schrie beinahe auf. Eine Pflanze viel runter und der Topf zerschellte auf dem Boden.
"Eine Beleidungung mich mit diesem Unkraut zu vergleichen. Verschwinde!", herrschte sie das Mädchen in scharfem Tonfall an. Die Kleine lief ohne ein weiteres Wort davon und drängte sich schutzsuchend in die Menschenmassen. Mit kühler Gleichgültigkeit schaut die junge Komtess dem Mädchen nach. Sollte sie weinen und sollte sie bedauern, es wäre ihr nur recht gewesen. Ohne Umschweife liess sie dann den Weg fortsetzen.
Über zehn Jahre waren diese Tage nun her und Taylah war reifer und das Oberhaupt der Grafschaft. Vieles hatte sich im Laufe der Zeit geändert, sei es an ihrer Einstellung oder dem Verhalten. Doch mochte sie auch gelernt haben ihre Emotionen zu verbergen, in der Öffentlichkeit Höflichkeit und Anstand zu wahren, so gab es Dinge, die sich niemals ändern würden. Doch was genau dies ist und was davon noch immer in ihr weilt, bleibt den meisten für immer verborgen.