„Gute Idee, Adrian, zerschmettern wir doch einfach dem Burschen einen Stuhl auf dem Rücken.“
„Halt dein Maul.“
„Du wirst schon wissen was du tust und ich muss dich an deine Kandidatur bestimmt nicht erinnern.“
„Er hat mich aufgeregt.“
Die neckische Ruhe, der gleichzeitige gemahnende Ernst der Freundschaft in den Augen seines Arztes, seines Vertrauten, ließ Adrian finster schmunzeln, obschon er es nicht geplant hatte.
„Ich hätte dir nicht davon erzählen sollen“, befand er, immer noch mit diesem Ausdruck von Geist und Verschlagenheit, doch Lucas, wenngleich er es hinter einer guten Haltung medizinischer Souveränität verbarg, stand ihm an Raffinesse in nichts nach.
„Dafür ist es etwas zu spät, meinst du nicht, nachdem du mir einen ausführlichen Bericht zuteil werden lassen hast.“
„Unfassbar....“ Adrians Blick driftete entgeistert der Wand entgegen. In seinen eigenen Gedanken überhörte er Lucas absichtlich. „Haut der mir einfach voll eine rein...“
Was an lustiger Stimmung ungesagt zwischen ihnen war, dämpfte sich ein bisschen, als der Arzt mit einem gekonnten letzten Stich die Näharbeit an Adrians Stirn fertigstellte.
„Wird es Konsequenzen für Lynn haben?“
„Natürlich interessiert dich das.“
„Natürlich interessiert mich das. Sagst du es mir?“
„Die Sache mit Adato nicht.“ Adrian, im Inbegriff sich zu bewegen, wurde, und das nicht zum ersten Mal, durch eine strenge Berührung und einen gleichen Blick zum Stillhalten gezwungen. Ein Schere schnitt einen Faden durch. „Sie hat alles richtig gemacht was das betrifft. Sie hat sich vorher ein bisschen die Lebedame raushängen lassen, aber mir entgeht nicht, dass sie ihre Fehler eingesehen hat. Bin ich ein schlechter Patient?“
Lucas musste ahnen, dass Adrians letzte, mit einem süßlich daherkommenden Lächeln gestellte Frage nur den Zweck hatte, von dem Thema abzulenken. Und er besaß die Schläue, nicht in ihn zu dringen.
„Du bist ein guter Freund“, sagte er ruhig, im gleichen Zuge aber sehr vielsagend. „Das ist das Wichtigste.“
„Spotte ruhig. Mit dem blauen Auge, das ich trage, hab ich es verdient.“ Er sah Lucas zu, als dieser seine Instrumente säuberte und ordnete. „Früher hab ich mich ständig mit irgendwelchen Lumpen aus der Libanez-Familie geprügelt. Gestern hat er nur zugeschlagen, weil er erschrocken ist. Weißt du, dass mich das manchmal nervt? Dass mich kein Kerl mehr anrührt?“
Kurzes Schweigen. Ein Blick seitens Lucas genügte vollkommen, den gesamten verschwiegenen Spott zwischen ihnen beiden tonlos zum Platzen zu bringen. Dabei behielt der Arzt vollkommen sein aufrechtes Wesen.
„Das klang entsetzlich falsch“, sagte dann Adrian und sofort nickte Lucas in diese Worte hinein.
„Ja!“
Die Arzttasche war vollständig gepackt. Sein Handwerk hatte der junge Cazardieu ausgezeichnet verrichtet.
„Du solltest in nächster Zeit deine Sehsucht nach männlicher Anrührung etwas zurückstellen“, riet er fachmännisch, doch er konnte es nicht einrichten, dass Adrian nicht die versteckte Freude und den Hohn in seiner Verkündung aufdeckte.
„Du verlässt mich schon? Gerade kamen wir einander näher.“
„Ich möchte dir keine falschen Hoffnungen machen.“
„Das bricht mir das Herz.“
„Lass dir von Helena etwas für dein Auge geben. Du hättest das wirklich kühlen sollen.“
„So sehe ich verwegener aus!“
„Ja....“ Lucas warf Adrian, der in seinem abgeklärten Lächeln geradewegs kindlich erschien, einen langen Blick entgegen. Er sah aus wie am ersten Tage ihrer Freundschaft und in manchen Momenten legte das Herz es einem trügerisch nahe, sich zu fragen, ob er seither überhaupt irgendetwas gelernt hatte. Der Verstand machte es einem klar, natürlich, sie hatten alle viel gelernt. Aber in den Jahren der Lehre, der guten und schlechten Erfahrungen, deren Lohn sich in vielen Formen der Klugheit, Anschauungen, Wissen und Grundlagen der Erkenntnis ausnahm, würden sich manche Dinge wohl nie, niemals, ändern.
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