Ihr ursprünglicher Plan hatte darin bestanden sich direkt nach der Besprechung und dem Aufruf zum Appell in das Zelt zu begeben um noch ein wenig Schlaf zu finden. Aber der Schlaf hatte nicht kommen wollen. Viel zu unruhig war sie, viel zu unausgelastet, viel zu frustriert. Die Gedanken wirbelten durch ihren Kopf, flüsterten hämisch in ihr Ohr und veranlassten sie schließlich bereits kurz danach wieder ins Freie zu kriechen um die klebrige Dschungelluft einzuatmen. Im Zelt wäre es ihr vermutlich besser ergangen, aber zumindest Vaas sollte seinen benötigten Schlaf kriegen.
Nachdem die Besprechung vorüber war, war es ruhiger im Lager geworden. Diejenigen die keine Wache an den Palisaden hatten, hatten sich wohl ebenfalls in die Zelte zurückgezogen um ein wenig auszuruhen. Und so war das lauteste Geräusch für den Moment der Takt der herabperlenden Regentropfen und der Dschungel selber der niemals zu schlafen schien. Selbst jetzt noch unterhielten sich die Vögel und Nachtschwärmer, surrten dicke Moskitos herum um mit irgendwelchen Fröschen ihre Nachtmelodie zu weben. Wären nicht so viele fremdartige Laute in diesem Orchester untergemischt gewesen, sie hätte meinen können wieder an der Blutstromküste zu sein. Zurück in dem Zelt, mit dem Schafsfell-Bett und den vielen Kisten.
Ihre Beine schlugen den Weg zu der kleinen abseitigen Stelle beinahe schon automatisch ein. Irgendwie hatte sich dieser Teil in der Nähe des Südtores zu einem unausgesprochenen Punkt entwickelt an dem sie Thrymaer traf und mit ihm redete. Etwas was sich auch jetzt nicht änderte, als sie den Zaishen dort sitzen sah. Obwohl er dem Priester eindeutig nah stand, konnte sie ihn nicht verabscheuen. Vielleicht weil er ihr gegenüber noch keinen Anlass dazu gegeben hatte und sie Hass bei Bedarf zwar gern großzügig verteilte, aber doch bevorzugt mit Begründung. Außerdem stand er ebenfalls unter der theoretischen Fuchtel des Balthasardieners, was irgendwo vereinte.
Auch in dieser Nacht war das nicht anders. Sie mussten sicherlich schon Stunden geredet haben, über die verschiedensten Dinge. Löwenstein...Mesmer...den Aufenthalt an diesem Ort im allgemeinen, den Umstand das er nicht nachvollziehen konnte was mit seinem Vorgesetzten los war und er im Gegenteil sogar der Meinung war, dass dieser ihr Potential verschwendete. Vieles. Gerade als sie sich entschieden hatten ihrer beider Anspannung ein wenig Luft zu schaffen, wobei es hauptsächlich seine unruhige Art war die sie überhaupt erst zu dem Vorschlag veranlasst hatte, und sich in einem Trainingskampf zu treffen, kam allerdings einer der Novizen und rief Thrymaer ins Zelt.
Natürlich. Sie hatte nicht erwartet irgendwelche Anweisungen zu erhalten. Ihre einzige Anweisung lautete im Grunde: Macht im Lager was ihr wollt, aber stellt keinen Unfug an und haltet die Fresse. Auch wenn sie Eigenständigkeit mochte, wirkte es hier inzwischen nur noch wie das Abschieben eines lästigen Bündels. Wie Recht sie damit hatte wurde ihr aber erst klar, als Thrymaer gut eine Stunde später wieder zu ihr zurückkehrte. In seinen Händen hielt er eine Box, mit der er sich zu ihr setzte.
Obwohl das was er ihr leise berichtete kaum eine großartige Überraschung darstellte, wusste sie im ersten Moment nicht was sie denken sollte. Dronon hatte es auf sie abgesehen. Nicht in einem guten Sinne, sondern im Sinne eines Sündenbockes. Er lauerte nur bewusst darauf das sie einen Fehler machte. Und wenn dieser Fehler käme, so sollte Thrymaer sie umbringen. Ruhige Miene bewahren, es abtun...alles lief ganz automatisch ab, während ihre Gedanken bereits an Fahrt aufnahmen, sie das vertraute Prickeln unter ihrer Haut spürte wo sich Zorn heiß auszubreiten begann. Dieser verlogene, dreckige Bastard einer räudigen Hafenhure! Er hatte ihr auf dem Schiff noch groß irgendwelche Vorträge gehalten, dass er sie ja nicht töten würde. Ihr davon gepredigt, dass er sie zu einem besseren Menschen machen wolle. Das seine Worte nichts als hohle Phrasen für die Massen waren war spätestens damit für sie klar gewesen. Oh ja, er hielt Wort. Denn sich die Hände selber schmutzig machen, dazu war er sich ja offensichtlich zu fein.
Ob er damit gerechnet hatte, dass seine Worte so schnell ihren Weg zu ihr fanden? Das sie ihr ausgerechnet von demjenigen anvertraut wurden, den er mit so einer Aufgabe bertraut hatte? Sie hatte keine Zeit über alles nachzudenken, denn Thrymaer hatte weiter geredet, hatte ihr erzählt das er sich nun mit einem Medikament behandeln würde, das seine Gefühle unterdrücken würde damit er nicht am Rande eines Gewaltausbruches stand. Mit der Nebenwirkung, dass auch er nicht mehr wirklich in der Lage sein würde zu reden.
Sie blieb bei ihm als er sich das Mittel spritzte. Als die Krämpfe einsetzte und er sich unter den Schmerzen zu winden begann, der Atem stockte. Sie sprach ruhig weiter mit ihm, als er kaum noch reagieren konnte. Und als er danach apathisch neben ihr saß während ein neuer Tag zu dämmern begann, da sprach sie immer noch mit ihm ohne eine Antwort zu erwarten.
Pünktlich um sieben Uhr stand sie bereit. Auch Blut war bereits aus dem Zelt gekrochen. Thrymaer schien soweit zumindest wieder funktionsfähig. Das Lenarius durch das Lager lief um sie zu rufen wäre sogar unnötig gewesen. Der Priester grüßte nicht, als sich die beiden Silberschöpfe zu ihm gesellten. Und es war ihr egal. Als der Kriegsmeister dann vor ihnen stand begann er die Truppen nach Nahkampf, Magieeinsatz und Fernkampf einzuteilen. Dann der Orden der Lauscher wohl noch nicht zurück war und er einen Groß der Leute die ihm seit dem Vorabend unterstellt waren nicht kannte, wollte er zumindest einige Übungskämpfe ansetzen. Es gab vermutlich schlechtere Ideen und zumindest bedeutete es das erste Mal seit ihrer Ankunft ein wenig Abwechslung.
Die Nahkämpfer und Magier sollten sich in Zweikämpfen messen, die Fernkämpfer auf Zielscheiben mit Übungsmunition schießen die bereit gestellt wurde. Es gab spannenderes, aber da sie mit der Norn Verjeni und dem Charr Arka Sha gemeinsam arbeitete, war es dennoch auf eine absurde Art und Weise erholsam. Auch wenn für eine Übung erholsam nicht unbedingt das Wort war man eigentlich verwenden würde. Um genau zu sein, sie hätte eigentlich lieber gerade jemandem die Fresse poliert. Trotz allem stellte es ein Anfang dar und es war Balsam als der Kriegsmeister die Leistung anerkannte und auf ihre Aussage zu den Sprengstoffen hin sogar entschied, dass sie damit möglicherweise für Sprengkommandos geeignet war. Endlich!
Nach den Übungen kehrte wieder Ruhe ein. Einige sammelten sich am Feuer in der Erwartung das es bald etwas zu Essen geben würde, andere bezogen wieder Wache...wieder andere zogen sich nochmals in die Zelte zurück. Sie selber unterhielt sich noch eine Weile, ehe sie dann wieder in Richtung der Ecke ging, in der sie vorher schon mit Thrymaer gehockt hatte. Den sie wenig später an sich vorbeihetzen sah, als er vor die Tore rannte um wie ein Weltmeister zu reihern. Wenn der Drache nicht den Streit am Feuer gehört hatte, dann mindestens das Gewürge des Zaishen. Sie selber hielt Wort, blieb innerhalb des Lagers wie angewiesen blickte aber von der Palisade zu ihm hinunter wie er dort Magensaft, Alchemie und Blut in einem widerwärtig stinkendem Gemisch auswürgte. Ein toxisches Gemisch unter dem das Gras zu rauchen und welken begann.
Erst als er alles aus seinem Körper gespült hatte, kam er wieder herein, trank etwas von dem Wasser das sie ihm anbot und setzte sich wieder mit ihr in die Ecke in der sie schon früher geredet hatten. Vielleicht erwartete er, dass sie ihn aufgrund seines Geständnisses meiden würde. Ihm aus den Weg gehen würde nur...wohin sollte sie gehen? Sie grollte nicht ihm, weil er einen Auftrag bekommen hatte. Zudem er es ihr ja sogar noch berichtet hatte. Sie redeten, mal ernster...mal ausgelassener. Scherzten darüber ob es auch Mordrem-Schmetterlinge gäbe, mit vergifteten Flügeln aus giftgelben Blätterwerk die aus jeder Körperöffnung Feuer schießen könnten und so groß wie Luftschiffe wären.
Bis zum Mittag saßen sie beisammen, bis sie etwas Essen gehen wollte.
Bis das Horn erklang.
Bis der Dschungel über sie hereinbrach um sie alle zu töten.
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