"Mein Name ist Buschbrecher...und ich bin eine von vielen."
Die Klinge hatte wirklich nichts Besonderes an sich. Eine von vielen, ein Gebrauchsgegenstand, ein Stück dem man nicht nachtrauern würde sollte es verloren gehen oder im Kampf zerstört werden. Der Griff war in ihrer schmalen Hand zu groß, aber das wunderte sie nicht. Die Hände des eigentlichen Besitzers waren weit größer als ihre eigenen. Und dennoch konnte sie das Holz gut umfassen, es halten und die scharfe Schneide dieses Buschmessers in der Bahn führen die sie auch bestimmte ohne fürchten zu müssen das es ihr entgleiten würde. Sicher, der Stahl war gut verarbeitet worden und von einer Schärfe der sich Pflanzenwerk und Borke nur schwer würden widersetzen können. Der Griff poliert, sie würde sich im Gefecht nicht auch noch darum sorgen müssen die Handflächen aufzureißen weil an der falschen Stelle gespart worden war. Nein...Buschbrecher hatte wirklich keine Besonderheit. Nichts an dieser Klinge erzählte eine Geschichte, keine Zier ließ auf den Besitzer Rückschlüsse zu, keine Kerben und Kanten berichteten von einem Leben als Waffe. Nichts war speziell, oder individuell. Bis auf den Umstand das er ihr diese Klinge als Pfand gegeben hatte, eine wortlose Forderung zurückkehren zu müssen um eine ausstehende Schuld zu begleichen.
"Mein Name ist Buschbrecher...unterschätze mich niemals."
Die Nacht war wolkenlos, was es einfach gemacht hatte mit Blut stumm mittels kurzer Blicke und Zeichen ein Vorgehen zu planen. Das silbrige Mondlicht das die Welt in verschiedene Grautöne unterteilte beschien auch den Ettin den sie in dieser Nacht jagten. Einer der Köpfe hing dem Riesen bereits halb gesenkt auf der breiten Brust als würde er dämmern oder meditieren ob es ein Fehler gewesen war den Kampf zu suchen. Kay wusste es besser...direkt zu Beginn des Kampfes hatte sie sein Heranstürmen genutzt und im richtigen Moment eine ihrer Pistolen abgefeuert. Hätten sie die Zeit oder die Muße gehabt, sie hätten wohl das dunkle Rinnsal aus Blut ausmachen können, das aus der Wunde im Schädel über das geneigte Haupt lief und in einzelnen Tropfen auch die graue Haut des Oberkörpers benetzte. Inzwischen hatten Blut und sie den Ettin in die Zange genommen, die Aufmerksamkeit des vor Schmerz und Wut tobenden Wesens lag dabei ganz auf dem zweiten, dem männlichen, Silberschopf was ihr die Möglichkeit gegeben hatte Buschbrecher zu ziehen. Eine Klinge fühlte sich in ihren Händen immer fremdartig an. Egal wie oft sie eine halten würde, nie begann ihr Herz dabei so schnell zu schlagen wie in dem Moment wenn sie nach einem ihrer Schießeisen griff. Wo der Rausch sie bereits wie ein Sturm erfasste und mitriss. Auch mit der Machete war es nicht anders als sie nun nach vorne setzte auf die Rückseite des abgelenkten Gegners zu, die Waffe mit Wucht in den Schritt des Ettin trieb und ihn entmannte. Ein schriller Schmerzensschrei war ihr Lohn, ebenso wie das Gefühl von warmen, sprudelndem Blut das über die Klinge bis hinab über ihre Hand lief und damit ihrer beider Pakt besiegelte. Sie würden einander vielleicht niemals lieben. Aber in dieser Nacht wurden Kay und Buschbrecher Freunde. Verbündete gegen jeden Gegner der sich ihnen in den Weg stellen wollte.
"Mein Name ist Buschbrecher...mein Biss geht tief in dein Fleisch."
Der Boden bebte und wankte, wand sich als würden riesige Schlangen darunter entlang gleiten. Als würde der Dschungel seine gesamte Kraft auf ihr Lager konzentrieren und versuchen sie von sich abzuschütteln wie es ein Hund mit lästigen Flöhen tun würde. Wie Sehnen unter der irdenen Dschungelhaut, die der Boden darstellte. Schreie hallten durch das Lager, Befehle wurden gebellt und Paktler rannten umher um Posten zu besetzen und Mauern zu sichern. Dann mit einem Mal brach der Boden auf, dort wo riesige Pflanzententakel sich in die Freiheit bohrten und nach ihnen schlugen, sich wanden und tobten. Faustdicke Stacheln überzogen die hellgrüne Pflanzenhaut die noch feucht glänzte, als habe der Dschungel sie gerade eben erst ausgespien. Die jüngste seiner Pflanzenbrut, entsandt um den Boden umzupflügen und die Wurzeln mit ihren Leichen zu düngen. Buschbrecher lag schwer in ihrer Hand, als sie mit Blut zum Nordtor zog um dort unermüdlich bis in die frühen Morgenstunden hinein gegen die Ranken vorzugehen. Hieb um Hieb fraß sich die Klinge tief in das schleimig, dunkle Fleisch der Ranken hinein und trennte die Pflanzenfasern mit hungrigem Biss auf bis sie zappelnd und verendend zu Boden fielen. Das Gras glänzte bald so feucht, wie ihre Rüstung und auch ihr kurzes, zerzaustes Haar. Durchtränkt vom Pflanzensaft der Ranken die dort Stück um Stück niedergingen, wo die Klinge sich wütend immer wieder tief in sie hackte. Erst als die Jubelrufe aus dem Lager an ihr Ohr drangen, erkannte Kay das sie gerade den letzten Dschungelarm abgetrennt hatte. Grüne Schlieren zog sich über das Metall von Buschbrecher, troffen in dünnen Fäden die Schneide hinab. Sie hätte noch mehr gefressen, noch mehr Ranken gebrochen. Sie war Buschbrecher, das hier war ihre Bestimmung.
"Mein Name ist Buschbrecher...sei mir treu und ich diene dir gut."
Natürlich war es nicht so einfach gewesen wie es geklungen hatte. Sie hatten sich durch den Dschungel schlagen müssen um bis hierher zu den Trümmern des abgestürzten Schiffes zu gelangen. Und dann waren sie auch noch in die Zange genommen worden. Mordremwölfe waren die Felswände heraufgeklettert und hatten sich auf sie geworfen, ein schier nicht enden wollender Strom aus pervertierten Pflanzentieren deren moosbewachsenen Schädel hin und her schnappten. Sie hatten sich bis in Richtung des provisorischen Lagers vorkämpfen können, hatten dort gesehen wie die Wölfe sich versuchten auf die Verletzten zu werfen. Kay hatte die Aufmerksamkeit von einem der Wölfe erlangen können. Schwarz verkohltes Blattwerk zischte leise, dort wo sie ihn eben erst noch mit einer ihrer Säurehaltigen Patronen getroffen hatte. Selbst jetzt brannte sich das ätzende Gemisch noch durch hölzerne Knochen und rankenartige Sehnen, ohne das es den Wolf aufgehalten hätte. Sie belauerten einander, umkreisten sich fernab des Kampfes wo die anderen Mitstreiter sich noch ihren eigenen Gegnern stellen mussten. Für Kay gab es nur sie selber, Buschbrecher und den Mordremwolf der sie aus leblosen Augenhöhlen zu betrachten schien. Er würde springen. Sie wusste es einfach, so wie sie wusste, dass alles von diesem Streich abhängen würde. Sie hatte kaum noch Munition und wusste nicht wie viele Wölfe diesem hier folgen würde. Und dann sprang der Wolf mit einem Mal wirklich. Es waren winzige Veränderungen in der Art seiner Haltung, Bewegungsabläufe die ihr vertraut waren. Sie selber änderte ihren Stand, schob die Beine aufeinander um sich dem Aufprall zu wappnen der folgen würde. Ein Hieb. Buschbrechers Schneide glänzte matt auf als sie die Waffe anhob mit der sie inzwischen mehr als einen Kampf bestritten hatte. Auch das hier war nur eine weitere Episode. Der Mordremwolf riss sein ausgeblichenes Knochenmaul auf, sie selber hieb nach vorn, spürte noch den vertrauten Widerstand als die Schneide ein Ziel traf ehe sie unter dem Gewicht des Wolfes zu Boden ging und unter dem leblosen Vieh begraben wurde. Das Biest war schwer, so dicht an ihrem Gesicht konnte sie den stechenden Geruch seines Maules überdeutlich ausmachen, als sie es von sich herunter zu schieben begann. Diese Mischung aus erdigem Pflanzenreich und stechend giftigem Odem der durch die Zähne entwich die sich kraftlos um ihren Arm geschlossen hatten ohne das Leder zu durchdringen. Die Schneide der Machete hatte den Wolf im Sprung im offenem Maul erwischt, war durch seine eigene Wucht durch den Gaumen getrieben worden und ragte nun auf der Rückseite des Kopfes heraus. Es dauerte bis sie wieder auf den Beinen war, bis sie die Klinge aus ihrem Gegner gelöst hatte und bis sie damit fertig war voller heißer Wut, ziellos und unkontrolliert ein um das andere Mal auf den toten Leib einzuprügeln, während Splitter und Rankenfetzen um sie herum durch die Luft flogen. Sie ließen einander nicht im Stich, sie waren gebunden durch Wort, Blut und Leben.
"Ich bin Buschbrecher...Werkzeug und Waffe."
Sie waren zurückgekehrt. Frau wie auch Waffe. Immerhin hatte sie ihr Wort gegeben, etwas was sie nicht zu brechen gedachte. Buschbrecher war am Ende nur ein Pfand, auch wenn die Machete sich in der Zeit in der sie ihre Führerin gewesen war als mehr erwiesen hatte. Buschbrecher hatte ihr vor allem deutlich gemacht, dass die Zeit reif war das Entermesser das sie bis dahin getragen hatte zur Ruhe zu legen. Sie hatte ihren Frieden damit gemacht und bedauerte nichts. Jetzt lag die Klinge wieder in den großen Händen ihres Eigentümers und obwohl Kay gewusst hatte das ihre Verbindung flüchtig war, nur ein Übergang...obwohl Buschbrecher eine Klinge keine Pistole war, so verspürte sie doch einen Stich des Bedauerns als der Kapitän sie wieder an sich nahm und damit den Pakt auflöste den sie geschmiedet hatten. Goldene Augen ruhten auf ihren eigenen, als er die Machete berührte als würde er in dem Metall noch den Nachhall ihrer Abenteuer spüren, unhörbarem Gesang lauschen der ihm ins Ohr flüsterte was Buschbrecher an der Seite des Silberschopfes erlebt hatte. Als würde er noch die Wärme ihrer Haut auf dem Griff spüren, die Erinnerung an Schweiß, Blut und Pflanzensaft ertasten. "Du schuldest mir eine Geschichte." Die Samtstimme des Narbengesichtigen durchbrach die Stille ihrer Gedanken und weckte flüchtig den Funken in ihren Augen. Ein neuer Pakt. Und Kay lächelte auf.
"Ich bin Buschbrecher...und das ist meine Geschichte."
Kommentare 2