„Hast du gesehen wie sie dreingeschaut hat? Ist ganz rot geworden vor Zorn weil sie mir ihre giftige Galle nicht um die Ohren spritzen, und mir nicht vorspielen konnte wie Leid es ihr doch täte. Vorgeführt haben sie mich! Allesamt! Verlogene Bande – und nun ist sie offiziell auch noch deren Königin! Widerliches Pack!“
Aufgebracht marschierte sie im Raum auf und ab. Stunden schon, immer wieder von der Balkontüre zur Zimmertüre, nur um dann erbost, mit fliegendem Rocksaum und wehendem Haar auf der Stelle herumzufahren und den Weg zur Balkontüre zurückzugehen. Und von vorn.
Sie war spät heim gekommen, viel später als sie beabsichtigt hatte – doch was geschehen war, war wichtig und hatte keinen Aufschub geduldet.
Als sie aber zu spät durch die Türe ihres Gemaches trat, kündeten die schwarzen Gewitterwolken die sie mit sich in das Zimmer hineinzog von nichts gutem – sodass der Gedanke an eine Entschuldigung auf keiner Seite vorhanden war.
Nun war sie seit mehr als zwei Stunden dabei sich lautstark zu echauffieren. Mit der unermüdlichen Stoik einer arbeitenden Ameise ging sie ihren Weg – hin und zurück, hin und zurück – und schimpfte dabei wie ein Rohrspatz.
„Ich wette sie ist als allererstes zu ihrem tollen IIAAAAANNNNN gelaufen und hat sich beschwert, damit Papi das Problemchen für sie regelt.“ Sie schnaubte erzürnt, und hielt dafür kurz inne, die rechte vor dem Bauch zur Faust ballend, während die linke auf ihrem Steiß ruhte. Das Päuschen währte nur kurz, dann marschierte sie gleich weiter.
„Ich habe ein Imperium zu führen! Ich habe für solchen Kindertand keine Zeit! Und Energie auch nicht!“ sie beschleunigte, und fegte mit dem Rocksaum der nahe der Balkontüre einen Stapel Pergamente vom Teetischchen. „Ich bin verdammt nochmal die erfolgreichste, die reichste und die klügste Frau der Stadt! Wieso werde ich mit solchen Lächerlichkeiten belästigt?!“
„Dir ist bewusst, dass du derzeit so ziemlich all deine Energie auf diesen ‚Kindertand‘ verwendest statt für die Dinge die dir angeblich so viel wichtiger sind?“ ertönte die dunkle, rauchig-samtene Stimme ihrer Gesellschaft das erste Mal seit Stunden. Sie hatte schon auf der Chaiselongue gelegen als sie das Gemach betreten hatte, und hatte den Gewittersturm der damit Einzug gehalten hatte Schweigend erduldet. Die ersten Worte, die die weißgelockte an diesem Abend an die Blondine richtete, pflanzten ihr – wie ein jedes Mal – Assoziationen von vollmundigem Rotwein, dem erstklassigen pulled pork das Albert nach uraltem, ascalonischen Familienrezept zuzubereiten wusste oder auch nach einer gemütlichen Kuscheldecke am Kamin ein. Das Fräulein auf dem teuren Polster war fleischgewordene Versuchung – wundervolle, runde Kurven, klein gewachsen und von einer katzenhaften Grazie, wie Elizabeth sie selten gesehen hatte. Ihr gefiel die spitze Nase der anderen, und nicht zuletzt die seidigweißen Locken machten das Mädchen über welches sie gestolpert war zu einer ganz besonderen Variante. Auch die Umstände waren interessant gewesen.
Der Inhalt der Worte benötigte einen Moment um durch den Nebelschleier an Gedanken zu dringen der sich vor ihr Bewusstsein gezogen hatte.
„Unsinn!“ hielt sie dagegen, und nahm ihr kurz pausiertes Ameisentum wieder auf. „Dieser dumme Junge und seine naive Kindsbraut sind mir völlig gleichgültig!“
„Du liebst ihn.“
Die Weißhaarige saß völlig still, als die andere wie eine in Wallung geratene Urgewalt auf sie zurollte. Der Blick, der das Sommersprossengesicht traf, als deren Finger sich um den porzellanbleichen Schwanenhals schlangen, war von selbstsicherer Gesprächsdominanz erfüllt.
„Ich bezahle dich nicht dafür dass du dir Anmaßungen erlauben kannst!“ grollte die Blondine in aufbrodelndem Zorn zu der anderen hinunter, deren passiv-desinteressierte Haltung sie nur tiefer in ihren Zorn trieb.
„Nein. Du bezahlst mich dafür dass ich dir Wahrheiten bringe. Dir ist klar, dass du die Wahrheit meiner Worte gerade breit unterstrichen hast…?“
Einige Herzschläge lang noch brandete dunkles Türkisblau wie die Wellen eines vom Sturm aufgebrachten Meeres gegen das Eisgrau hoher Gletscherklippen. Dann, mit einem Mal, stieß sie sich von der Weißhaarigen fort, als habe sie just in dem Moment ein Schlag getroffen. Zielstrebig nahm sie ihre Ameisenroute wieder auf.
„Lächerlich.“ Murmelte sie – nicht viel mehr als ein Versuch ihr schändliches Hineintappen in die Falle zu überspielen.
„Ich kann dir nur raten was auch andere dir schon geraten haben: Komm darüber hinweg. Vergiss sie, alle beide. Mach dein Ding. Du brauchst sie nicht. Beide nicht.“
Die Türe öffnete sich, und Albert trat in den Raum. Wie ein lautloser Schatten brachte er ein Stövchen mit einer glasgeblasenen Teekanne und zwei schnörkellose Teetässchen aus Glas. Er goss den aufgebrühten Tee von den Kräutern welche sie von Hannah mitgebracht hatte in beide Becher ein und ließ vier Stücke Kandis in den einen, und zwei in den anderen Becher gleiten, ehe er sich lautlos wieder entfernte.
„Wenn das nur so einfach wäre.“ Sprach sie, kaum mehr als ein Murmeln, während sie ihre Tasse aufnahm. „Ich wünschte sie würden mich in Ruhe lassen. Ich will nicht wissen was sie tun, wie sie aussehen, was sie vorhaben. Sollen sie machen. Weit weg von mir.“
„Du weißt dass das zu einfach wäre. Das funktioniert so nicht.“
Statt zu antworten hielt sie nun in ihrem Ameisenmarsch inne. Mitmal sackten ihre Schultern ein und während die Weißhaarige ihren Teebecher aufnahm, erfüllte ein tiefes Durchatmen den Raum.
„Auch kluge Frauen dürfen Fehler machen, Elizabeth. Niemand ist frei davon – das solltest du lernen, und zwar schnell. Gewöhne dich daran dass du Fehler machst und lebe mit den Konsequenzen.“
Elizabeth durchmaß den Raum und nahm, nach einer Sekunde der Überlegung, auf dem Sessel neben der Chaiselongue Platz.
„Ich habe mich nie von Fehlern freigesprochen. Jeder macht sie – auch ich, das ist korrekt. Aber niemand darf sie sich erlauben. Insbesondere nicht ich. Das Streben nach Perfektion ist ein hehres Ziel.“
„Du wirst dich entscheiden müssen.“
„Was für eine Entscheidung soll das sein?“
„Edelmut und gerechtes Spielen um ein hehres Ziel das du vielleicht erreichst – vielleicht aber auch ein anderer vor dir – oder du musst lernen alle dir zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen um zu garantieren dass die Waagschale sich zu deinem Vorteil neigt.“
„Ich setze bereits alle Mittel ein.“
Die Weißhaarige lächelte kopfschüttelnd, voll mitleidiger Nachsicht, und hob die rechte Hand um sie der Blonden anzunähern. Fingerspitzen striffen wie zufällig über die stoffverhüllte Rundung ihrer Brust, das Schlüsselbein entlang, ehe sich die Handfläche an ihre Wange legte.
„Siehst du, mein armes, liebes Mädchen? Genau deswegen hat Gwennis gewonnen.“
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