Hainweh

Eigentlich wollte er noch meditieren.
Eigentlich wollte er nur ein wenig Ruhe in sich finden um seine verlorenen Erinnerungen zu finden.
Eigentlich wollte er dann nur ein wenig durch den Hain spazieren, der Ort seines Seins.
Eigentlich wollte er gar nicht hierher laufen - doch nun saß er schon mehrere Stunden hier.
"Ich gehe hin wenn ich bereit dafür bin", hatte er zu Naitarat gesagt. War er denn schon bereit dafür? Es fühlte sich nicht so an und saß er nun hier.
An diesen Ort brachte man die Geschwister die im Hain zurück in den Traum kehrten. Hierhin hatte man Arvil gebracht, als der blonde Mensch sie tot zurück in den Hain getragen hatte. Hierhin brachte man alles Leben, welches vergangen war und in frisch erwachten Sylvari neu in die Welt getragen wurde.


Seine Glieder waren schwer. Ein Sack aus Blattwerk am Boden, sacht beleuchtet von den umherschwirrenden Lichtern die surrende Geräusche machten. Frech waren sie. Diese Käfer. Nicht mal vor diesem Ort machten sie Halt und gönnten denen ihre Ruhe die in Lautstärke und Angst gestorben waren. Gleichzeitig jedoch erinnerten sie auch an das Leben. An das Leben welches weiterging, unaufhaltsam, unerbittlich und schmerzvoll. Den Rücken an die Hand gepresst drückte sich der Handballen gegen die Stirn als Bilder im Kopf des Hüters aufflackerten. Naitarat verstand sein Handwerk gut. Medizin konnte er herstellen, dieser Pilzschädel. Zavo wurde das Gefühl nicht los, das die Dosis absichtlich so hoch war damit niemand anderes in seinem Kopf herumwühlen musste - das die Erinnerungen förmlich heran gezogen wurden, durch diese Pastillen. Eben mit der medizinischen Gewalt eines Mittels, dessen Wirkung man nicht aufhalten kann.
Übelkeit kroch den Magen hinauf, hinterließ den bitteren Geschmack des Verdauungssaftes im Mundraum. Leise schmatzend schob der Hüter den Kopf in den Nacken. Das Schlucken erschwerte man sich so selbst um einiges und insgeheim hoffte er das so auch das mögliche bevorstehende Erbrechen ausblieb.
Sein Magen war nicht dafür gemacht, seinen Inhalt zu entleeren und der bittere Geschmack auf der Zunge, allein der Gedanke daran verstärkte noch die Übelkeit.


Sie waren schön gewesen. Sie waren so wundervoll gewesen. Sie waren ihm am nächsten gewesen. Sie waren das gewesen was seinem Leben mehr als einfach nur einen Sinn gab. Sie hatten zu ihm gehört. Sie hatten ihn vervollständigt in einem Maß welches kaum zu beschreiben war. Sie hatten ihn verstanden. Ohne ein einziges Wort verstanden.
Damals in Zinderhang, als er noch ein ganz frischer Hüter war, hatte das Hainweh ihn gepackt. Er wollte nicht weg von den schützenden Wurzeln der Mutter. Er wollte nicht raus in die Welt die ihn mit Wissen überflutet hätte. Er wollte einfach nur wieder zurück. Erethyn hatte immer nur gegrinst und seinen Bruder an den Schultern gepackt. Ein Blick ihn die Augen des Zwillings reichte aus um den Hain immer dabei zu haben. Eretheyn war Hain, Eretheyn war Glück, Eretheyn war Vollkommenheit. Mit Arvil war es ähnlich gewesen. Stark war sie, trotz ihrer zerbrechlichen Art. Ihre Blicke hatten Kraft gegeben nicht am Verlust des Zwillings zu zerbrechen. Nun war er zurück und saß dort wo sich alles in Licht auflöste und obwohl er tief unten im schützenden Wurzelwerks der Mutter war hatte Glyzavo Hainweh. Etwas fehlte. Etwas das ihn zu dem gemacht hatte der er in genau diesem Moment war. Der Hain hatte sich verändert. Er hatte sich verändert.


Schnaufend drückte man sich vom Boden hinauf. Es wurde Zeit sich vorzubereiten. Der Hain musste erneut verlassen werden, wenn auch nur für wenige Tage.
Als der Blick des Hüters hinauf ging sah er, dass das was sein Licht einst gewesen war, nun für immer im Hain bleiben würde.
Und alles was ihm blieb war Hainweh.


Kommentare 4

  • Dankeschön Tere.
    Es freut mich sehr das du die Geschichte gelesen hast - gerade weil ich weiß wie du immer mit dir haderst, wegen möglichen Spoilern.
    Die Geschichten sind auch für mich eine gute Möglichkeit Zavo zu sehen in Dingen die nicht immer direkt ausspielbar sind. Schön wenn diese Möglichkeit auch von Andern genutzt wird <3

  • Sehr schön geschrieben und gut zu lesen.
    Du hast schon lange keine Geschichte mehr verfasst, desto froher war ich sie nun zu sehen. Eindeutig ein Daumen hoch von mir. Zavo ist kein Charakter den man schnell durchschaut und die Geschichten, so ungerne ich mich mit sowas etwas Spoiler, gibt einen dann aber doch eine Erinnerung daran was alles in einem Char schon stecken kann.


    Nett nett -

  • Zavo und ein gutes Vorbild :D
    ich muss immernoch lachen bei diesen Worten ;)

  • Sehr sehr schön geschrieben wieder :)
    Zavo tut mir leid, aber es ist auch schön zu sehen, wie stark er ist und deswegen nicht einknickt.
    Man merkt - gerade auch mit der Geschichte - wie sehr er doch ein Nachtzykler ist. Verschlossen und alles mit sich selbst austragend.
    Er ist in mancher Hinsicht ein gutes Vorbild für Ayu. Aber eben nur in mancher ;)