Gewaltdarstellung, prämortale Verstümmelung
Die erhobene Hand Halriks gebot es ihnen allen, stehen zu bleiben. Nicht dass sie liefen, nein, sie gingen geduckt durch den monströsen Stollen, alle vier. Halrik vorneweg, Vafthrúdnir als Zweiter und Jarl bildete den Abschluss. Zwischen beiden ging ein Sohn Svanirs, der sich selbst Bur nannte. Vaf behalte es ganz und gar nicht, dass sie ihn dabei hatten, aber das war Teil der Abmachung gewesen, die Halrik mit dem Svanir getroffen hatte. Er begleitete sie, zeigte Ihnen den Weg und im Gegenzug ließen sie ihn nach vollbrachter Tat am Leben. Ein Brummen entfuhr der Kehle Vafs.
Zu ihrem Glück waren die Schaufler ein Volk, dem Monumentalbauten wichtig waren. In von Menschen gegraben Stollen wäre es zu dritt recht kuschelig geworden. Und bei allem Respekt, den die drei für einander empfanden, war doch Kuscheln in den Fellen mit zwei Weibern deutlich angenehmer als in einem düsteren Minenschacht mit zwei Kriegern und einem Svanir.
Halrik gab einen Deut und die drei schlichen weiter. Langsam, nur keinen Lärm machen. Darauf waren sie bedacht und deshalb hatten sie alle ihre Stiefel und Rüstungen mit Stoff umwickelt. Wohl fühlten sie sich nicht, aber das lag auch zum großen Teil an der enormen Hitze, die ihnen entgegen strahlte und wegen der sie hier waren.
"Wir müssten bald da sein", flüsterte Bur. Untermalt wurden seine Worte vom dumpfen Hämmern in der Ferne und dem tiefen Grollen des Berges. Halrik nickte nur und zu viert schlichen sie weiter. Immer bergab. Bis sie innehalten und der Svanir an eine Wand deutete. "Hier." Sie gingen etwas auseinander und machten Jarl Platz. Er setze seinen Rucksack ab, lehnte die aus Weiden geflochtene Kiepe an die Tunnelwand und machte sich daran, den mit einem Lederriemen verschlossenen Deckel zu öffnen. "Woher weißt du, dass wir richtig sind?", fragte Halrik. Bur sah ihn aus seinen eisig blauen Augen an. "Vertrau mir." "Du bist ein Svanir." Burs Mundwinkel verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen. Nur zu gerne hätte Vaf ihm dafür ins Gesicht geschlagen. "Ihr müsst mir vertrauen. Ihr seid drei, ich bin alleine. Warum sollte ich euch anlügen?" Halrik kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und betrachtete Bur skeptisch, sagte aber kein weiteres Wort. Stattdessen sahen sie Jarl dabei zu, wie der mehrer Päckchen an der Wand und auf dem Boden anbrachte.
Nach einer Weile schloss er die Kiepe wieder und nickte seinen Begleitern zu. "Fertig", sprach Jarl, der kein Norn der vielen Worte war. Das war für die Gruppe das Signal, sich zurückzuziehen. Alle vier machten sich auf den Weg zurück und als sie in sicherer Entfernung waren, entzündete Jarl die Lunte, die er hinter ihnen her gelegt hatte. Es brauchte eine Weile, bis der Faden Feuer fing, aber als es einmal soweit war, fraß sich die Flamme schnell zu den Päckchen vor.
Der ohrenbetäubende Knall und die Erschütterung, die folgten, rissen die Norn von den Füßen und legten sie der Längs nach unsanft auf den Steinboden. Doch dies war ein untrügliches Zeichen dafür, dass es geklappt hatte. Der Schacht war entzweigesprengt und durch die Risse und klaffenden Löcher in der Struktur rann flüssiges Gestein den abschüssigen Gang hinunter. Die Explosion hatte zwar auch die Schaufler auf den Plan gerufen, doch sie konnten nichts unternehmen. Er war der einzige Eingang zu ihrer Enklave gewesen und der war nun versperrt. Die Lava würde sich einen nach dem anderen holen.
Als es ein weiteres Mal krachte, sahen sie zur Tunneldecke empor. Ein Riss, der immer länger wurde, zog sich an dieser entlang. "LAUFT!", schrie Halrik aus voller Kehle und die vier rappelten sich auf. Sie hetzen auf den Ausgang zu - doch der Riss war schneller. Ein weiteres Rumpeln später brach die Decke ein und einer der Trümmer begrub Jarl unter sich, der nur einige Meter hinter Vafthrúdnir und Bur gegangen war. Die Lava, die kurz darauf aus der Decke floss, bedeckte Halrik und so war Vaf mit dem Svanir alleine, der ihn nun panisch anblickte und dann zu rennen begann.
Der Tunnel hinter ihnen füllte sich immer mehr mit flüssigem Stein, doch er selbst hatte andere Prioritäten als sein Leben zu retten. Vaf hob die Rechte Hand und einen Moment später schnellte sie nach vorne, als würde er einen Speer werfen. Zwar war die Hand leer, doch in der Luft formte sich ein leuchtender Speer, der den fliehenden Svanir in den Rücken traf. Dieser strauchelte und blickte sich um. Eine geisterhafte Kette verband den Körper Burs mit Vafs Hand und als letzterer an dieser Kette zog, riss es Bur von den Füßen und er rutschte über den Boden zu Vafthrúdnir. "WAS TUST DU?", blaffte ihn der Svanir an. "Wir hatten eine Abmachung!" Vaf schüttelte den Kopf. "IHR hattet eine Abmachung. Du und Halrik. Halrik ist tot. Mit mir hast du nichts ausgemacht." Fassungslos starrten die blauen Augen zu Vaf empor. Dieser hob sein Schwert und schlug Bur beide Beine kurz oberhalb der Knie ab. "Bitte den Drachen, dich zu retten. Doch dein Leben liegt nun in der Hand der Geister. Sie mögen keine Verräter."
Einen sprachlosen Bur zurücklassend, lief Vaf zum Tunnelende. Er sah nicht zurück, als der Svanir versuchte, sich den Hang empor zu schleppen. Auch nicht, als dieser begleitet von lauten Schreien von der Lava verschlungen wurde.
Als Vaf die kühle Nachtluft der Zittergipfel spürte, warf er dennoch einen letzten Blick über seine Schulter. Keine zwei Meter hinter ihm brodelte die Lava. Er hatte es geschafft, zu entkommen und war schneller als das Feuer gelaufen.
Kommentare 1
Kanori
Diese Geschichte... ich glaube Arya sollte es wirklich nicht mit dem Spitznamen übertreiben xD.
Wie du hoffentlich weist mag ich deinen Schreibstil!
Ich fordere mehr Geschichten von Vaf !!!