„Ich mag nicht.“
Drei Worte, die Djamila in den Raum warf um ihrer Gesellschaft ein tiefes Seufzen entlockten. Wärmend fielen Sonnenstrahlen durch die Fenster der Küche und erleuchteten die hellweiße, schneebedeckte Stadt vor dem Haus. Von den Pflanzen des Vorgartens war nichts mehr zu sehen, nur der geräumte Weg in der Mitte bis hin zum Gartentor war frei geräumt.
Ethan wendete den Blick hin zu seiner Frau, ließ die Augen über ihre Gestalt wandern und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Ich weiß, dass Du nicht magst, meine Schöne, aber wir..“
„Sie mögen mich nicht.“, unterbrach die Elonerin den stattlichen Kerl. Schön gemacht hatte sie sich – geschminkt, in langes Sonntagskleid geworfen und die Haare kunstvoll hochgesteckt. Ihm gefiel es, wie sich einzelne Locken der schwarzseidigen Mähne aus der Frisur frei kämpften und ihr kess auf die Schultern fielen. Aber trotzdem verzog der Herr die Lippen und rieb sich mit einem kratzenden Geräusch des Bartes über die Wange.
„Wir hatten das Thema schon so oft, Djamila. Du bildest Dir das ein. Sie wissen wie glücklich ich mit Dir bin.“ Ganz gelingen wollte ihm der aufmunternde Tonfall nicht. Er verschränkte die Arme vor der Brust und guckte seiner Frau weiter zu, wie sie trotz Beschwerden abgedeckte Schüsseln und Teller in einen Korb verschwinden ließ. Ein Zweiter davon stand fertig bestückt auf dem Esstisch. Die Zigarette, die sie im Mundwinkel hatte und nur beiläufig rauchte, kommentierte er nicht. Der Mann wusste warum. In der Situation wollte er nicht den Tropfen liefern, der ihm das Wochenende noch schlimmer machen sollte, als es ohnehin schon war.
„Es ist wegen meiner Hautfarbe, nicht? Sie können das nicht ausstehen, dass ich anderer Herkunft bin.“, redete sie trotzdem unbeirrt weiter. Ein kariertes Tuch schlug sie über den Korb, wendete sich um und schenkte ihrem Gatten nur einen kurzen Blick, während sie barfuß – trotz der Jahreszeit – zum Tisch schritt und das Weidengeflecht abstellte. Fast so als wäre er der Schuldige in dieser Situation. „Als wäre ich eine Aussätzige, die gar nie so viel wert sein kann, wie sie.“
Ethan brummte. Er wusste, genauso wie sie, dass sie Recht hatte und dass es genau deswegen nicht der Umstand war, dass jemand sie nicht leiden konnte, der sie grämte. Es war die Tatsache, dass ihr Stolz auf sich selbst davon gekränkt wurde.
„Du redest Unsinn, meine Liebe.“, schüttelte er nach ein paar Momenten den Kopf. „Wir wissen doch beide, dass ich die schönste Frau der Stadt geheiratet habe.“ Weil er wusste, dass seine Worte gar nicht erst an ihr beleidigtes Gehör dringen würden, trat er schlicht hinter sie und legte die Arme um die Frau. Trotz ihres hohen Wuchses überragte er sie doch noch ein Stück weit und den schlanken Körper mit seinen Armen zu umfassen – ihr symbolische Sicherheit zu spenden – war weder Neuerung noch Problem.
Tatsächlich brachte er Djamila immerhin dazu, selbst die Augen zu schließen und zu seufzen. „Ich mag trotzdem nicht.“, wiederholte sie, aber ließ die Stimme lediglich zu einem Flüstern werden.
Sekundenlang verharrte das Paar so schweigend. Letztlich genossen doch beide die Anwesenheit, Wärme und Nähe des Anderen. Und immerhin konnte Djamila sich sicher sein, dass die Arbeit ihren Mann in den nächsten Tag nicht plötzlich fortführen würde. Viel zu oft war das nach ihrem Geschmack in den letzten Wochen geschehen und es fiel ihr zunehmend schwer, auszublenden, wohin er ging. Etwas, das Ethan selbst immerhin zur Meisterschaft perfektioniert hatte.
Ein Stück von selbst abgebrannte Asche fiel von dem klein gewordenen Glimmstängel zwischen den Lippen der Dame und schließlich war es allerdings doch Djamila, die sich von ihm löste, indem sie seine Hand von ihrem Bauch klaubte. Zur Tür schritt sie – auch ohne Schuhe in einem grazilen Gang –und ließ am Weg den Stummel in einen Ascher fallen. Ihre Art sich zu bewegen begeisterte ihn bei jeder Betrachtung erneut. Vom ersten Tag an hatte sich der Mann kaum an seiner Frau satt sehen können.
Er betrachtete die Elonerin, während sie ihre Füße in weichen, ledernen Stiefeln verbarg und sich einen gefütterten Mantel um den Leib schlang. „Du bist wunderschön, Djamila.“, befand er dann und schmunzelte.
„Und Du hast schon einmal besser geschmeichelt, mein Herz.“ Ethan kannte den Tonfall und er wusste, dass er der Neckerei keinen Ernst zuschreiben musste. Zumindest den Hauch eines Lächelns schenkte sie ihm, während sie zum Tisch schritt, um die voll bepackten Körbe zu nehmen. Selbstverständlich ließ ihr Gatte das aber nicht geschehen, sondern nahm diese selbst.
„Bringen wir es hinter uns.“, klagte die Dunkelschöne weiter. Der Tonfall war der einer Verzweifelten, die zum Galgen schritt und dementsprechend maßlos übertrieben.
Die Hände vergrub sie in den Manteltaschen, sobald sie das Haus verlassen hatten und knirschend über die vom Neuschnee bedeckten Straßen gingen. Keine Unterhaltung untermalte den Weg, nein, sie beide mussten sich die Worte für den Besuch aufsparen.
Festtag. Schwiegereltern.
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