Helles Kreischen.... eine laute donnernde Stimme .... Geruch von Alkohol... Angst.
Pakende Hände, die mich grob an den Kleidern zerren. Kann mich nicht wehren, werde nur herum gerissen, Sicht verschwimmt.
"Du Missgeburt! Du bringst uns nur Unglück!" Die alte Leier... ich bin wieder an allem Schuld. Vermutlich auch dass sie angefangen zu saufen hat und sich in billigen Fusel jeden Tag ertränkt. Mein ach so mich liebende Mutter. Wieder einmal hat sie einen ihrer Anfälle.... wieder bin ich das Ziel ihrer Wut...wieder nur ein Ventil für ihren Frust.
Ich sehe zu ihr auf... in das von Wut und Alkohol verzerrte Gesicht. Sie wäre eine schöne Frau gewesen, wenn sie sich nicht so gehen gelassen hätte. Aber auch daran bin ich vermutlich ihrer Meinung schuld. Ihr langes schwarzes Haar hab ich geerbt, ebenso die braunen Augen. Nur das glänzende Messer in ihrer Hand fehlt mir ein wenig. Erstrecht als sie damit auf mich einzustechen versucht.
"Wegen dir müssen wir uns immer verstecken! Nur wegen dir!" Ja... natürlich. "Ich hab die Schnauze voll!" Oh, du auch? Würde meine Angst mich nicht so lähmen und der Wille mich zum Überleben zwingen würde ich mich einfach in das Messer stürzen, doch irgendwas hindert mich noch immer daran. Vermutlich der eigene kindliche Stolz, welchen ich in meinen jungen Jahren schon immer hatte. Ein Stuhl fällt um, Mutter will gerade drüber springen, aber der Fusel hat sie träge gemacht und so fällt sie der Länge nach zu Boden. Klirrend fällt das Messer zu Boden und rutscht ein gutes Stück von ihr fort. Es wäre nun so leicht diese Klinge zu nehmen und sie Mutter in den Rücken zu rammen....doch auch hier zögere ich, warum kann ich nicht sagen. Ob es das letzte Band zwischen Tochter und Mutter ist, ob es die Unwissenheit ist was danach dann kommt... aber vermutlich ist es einfach nur die Angst vor dem Zorn des eigenen Vaters, der gerade irgendwo wieder unterwegs ist und mich an ein Freudenhaus verkaufen will.
Ein Schluchzen geht von Mutter aus....sie bleibt liegen und gibt sich einfach ihrem Leid und ihrer Trauer über ein so missratendes Kind hin. Nervös bleibe ich stehen...oft hat sie nochmals einen Wutausbruch danach...oft mit vielen blumigen Beschreibungen über mich. Doch ich höre gerade nicht zu....denn hinter ihr schält sich eine bläulich durchscheinende Gestalt aus der Wand hervor...der Grund warum ich so missraten und ein Ärgernis für meine Eltern bin. Doch diese Gestalt in welche einen alten Soldaten zeigt, ist nicht selbst daran schuld... er kann nichts dafür, dass ich ihn wahrnehme. Ängstlich und unwissend weiche ich ein wenig zurück und schauen zu dem Geist vor mir auf.... in seinen sonst so harten und vom Kampf gestählten Blick liegt eine stumme Verzweiflung...ein Flehen in meiner Richtung. "Ich brauche deine Hilfe ...bitte Kind, du musst mir helfen!" Die Stimme klingt nachhallend in meinem Kopf wieder und trotzdem ich mir die Ohren zu halte. Auch das Zukneifen der Augen hilft mir nicht....denn ich spüre wie er noch immer da ist. "Hilf mir Kind! Du musst! HILF MIR ENDLICH!"
Mutter regt sich am Boden. "Nicht schon wieder! Hör auf damit hab ich gesagt, du dummes Kind! Du verdammte Missgeburt! Die Nachbarn schauen uns schon wieder komisch an!" Ein leises hölzernes Scharren ist zu hören. "Hilf mir Kind! Du musst Hauptmann Fahrenstein bescheid geben!" Schritte nähern sich mir... zitternd und mit Tränen in den Augen blicke ich auf....dann kracht der Stuhl mit vollen Schwung in meine Seite hinein, so dass er zersplittert.
"Hilf mir doch! Hauptmann Fahre..." Selige Schwärze umfängt mich, während ich am Boden liege....endlich Ruhe.
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