Pein und Heilung

Darauf bin ich nicht vorbereitet gewesen. Nein, nein ich ertrage es nicht, Grenth steh mir bei. Seine Schreie brennen sich mir in die Seele mehr noch als schärfstes Messer jemals meine Haut zerteilen könnte. Ich schaffe es nicht, ich kann es nicht sehen, ich darf es nicht sehen und bin rastlos, ruhelos im Gang um das zu schützende Bauernhaus. Mein Rücken ist gerade, ich mache mich groß, aber niemand soll mir in die Augen sehen, denn meine Augen sind Lügner, Verräter. Ich bin stark und standhaft unter meinem Gott, aber ich ertrage es nicht, ich kann mein Herz bluten hören. Dicke Tropfen von diesem schlagen Wellen in meinen Magensaft und lassen sein Gefäß flau werden. Eine Ecke der angemieteten Unterkunft umgehend höre ich den Geknebelten abermals. Ich sinke mit dem Rücken an kalter, weiß staubiger Wand in die Hocke und drücke mir die Hände auf die Ohren bis die Knöchel selbst an Farbe verlieren und mir brennen heiße Tränen auf den Wangen. Es reicht, ich stehe ruckend auf, ich muss zu ihm, seine Hand halten und niemand darf es mir verbieten. NIEMAND! Doch meine Knie zittern, ich kenne es so nicht, meine Füße schaffen keinen Schritt vor und der Trotz wischt mir die Tränen von den Wangen. Es würde helfen, ein Tal des Schmerzes zu durchwandern, würde sein Leben erhalten und ganz gleich, wie er dann aussah, ganz gleich was die Priesterin dort anrichtete, er wäre noch er. Der Prediger, der Priester mit jeder Faser seines Seins, der sich nicht brechen ließ, so gebrochen die Schreie wirken, wenn die heiße Glut des Eisens in seine Haut fährt. Ich schließe meine Augen, lehne mich lauschend an die Wand und weiß sie dahinter, weiß ihn dort. Er erträgt es mehr noch als ich selbst, auch wenn der Leib ihm einen Schrei aufgibt, wenn die nächtlichen Fesseln blutige Striemen in seine Gelenke treiben. Grenth beseelt durch und durch, ich bewundere ihn sehr. Er gurgelte wieder gegen den Knebel...ich halte meine Lider geschlossen und weine, weine weil ich nicht schreien kann, weine weil ich ersticke, wenn ich nicht weine.


Und im Weinen verliere ich die Wachsamkeit, höre dumpf nur meinen Namen und erst als die höhere Gestalt vor mir auftaucht, zuckt mein gewässerter Blick herauf und verliert sich in giftgrünen Augen, sanften Augen, verständnisvollen, ja ich möchte sagen, beinahe väterlichen Augen und sehnig bemuskelte Arme legen sich um meine Zartheit, halten mich während unsäglich viele Tränen von mir in weiches Leder sickern. Ich klammere mich an ihn, kratze ihn vielleicht, weil ich in meiner Verzweiflung keinen Halt finden mag und ihn doch erhalte. Er spricht mir zu, ich höre die Worte nicht, denn da war wieder ein Schrei und ein fester gesprochenes Gebet durch die angestrengte Stimme der blonden Priesterin, die niemals müde wurde zu wiederholen, niemals wankte, niemals für mich ersichtlich weinte und den Tugenden treu blieb für ihren Freund, für den besten Freund. Und ich Jammergestalt? Ich muss Trost erhalten, damit ich nicht davonlaufe um nichts mehr zu hören. Aber ich bin eben doch noch eine zu junge Frau für die Last der Welt, für die Last eines Einzelnen, für die Last, die meine Verbundenheit trägt. Geschworen ihn zu schützen, wie er mich schützte und mich vom Wahn befreite, bin ich machtlos, schlimmer noch ich wanke. Fragend sehe ich Ciaran an und ohne ein Wort meiner spricht er ruhig „Bete Carey.“. Zwei Worte und doch leitend, heilend und so löse ich mich von ihm als wolle ich fortlaufen, nur um auf den kalten, gefrorenen Boden zu sinken, eher noch zu stürzen, mich hinkauernd, die Stirn zwischen meine zitternden Hände aufzulegen und während im Rücken meiner, hinter der Wand, eine gepeinigte Seele in gebranntem Leib zu Atem kommt, flieht von meinen Lippen das Leitgebet meines Gottes.



Kälte umfängt mein Herz, doch ich friere nicht.


Dunkelheit empfängt mich, doch ich sehe.
Endlichkeit am Horizont kann mich nicht entmutigen,
denn sie ist mein Weg zu meinem Gott.


Ich schenke ihm mein Leben, meine Hand.
Ich schenke ihm meine Gedanken und meine Stimme.
Ich schenke ihm meinen Leib und meine Seele,
wenn ich vor ihn trete.


Nie wird man mich vor Grenth brechen.
Niemand wird sich vor ihm verschulden,
wenn ich es verhindern kann.
Ich kenne keine Gnade, wenn er es so will.


Für den Herrn über das Eis.
Für den Herrn über den Tod.
Für den Herrn über die Nebel.


Für Grenth, den Wahrhaftigen.




Kommentare 1

  • Sehr schön geschrieben. :) Die sukzessive Herleitung des im Glauben gefundenen Trostes gefällt mir besonders, neben der so anschaulichen Darstellung ihrer inneren Zerrissenheit.