Wenn die Nachtuhr ihrer Schläge nur noch wenige hinzuzufügen hatte und die Hafenstadt in trügerischer Ruhe in seinem Seenest kauerte. Wenn weicher Atem die Flure des kleinen Hauses füllte. Der Atem von Tieren und einer winzigen, geliebten Seele. Wenn sein Atem in das Intermezzo der Stille hinein glitt und ihr versprach, dass alles gut war.
Dann kauerte sie wieder am offenen Fenster und fröstelte in der eisigen Winterluft, während der Blick warmer Augen über das kräuselnde Meer huschte und sie sich erinnerte.
So vieles war passiert.
Sie erinnerte sich an den Tag unweit der Sümpfe, als sie sich durch das Gras schlich und dieser freche Kerl glaubte ihr die Beute vor der Nase fortstehlen zu können. Sie erinnerte sich an die Wut in ihrem Bauch und die Empörung über seinen gewitzten, groben Charme.
Sie erinnerte sich daran, wie er zu ihrem besten Freund wurde. Zu einem Teil ihres Lebens. Und sie erinnerte sich an sein Fortgehen. Rastlos wie ein Wolf, der seinen Platz noch nicht wirklich gefunden hatte.
Sie dachte an die Stunden der Trauer und des kindischen Schmerzes. Sie dachte an die unzähligen Whiskygläser, welche sie daraufhin geleert hatte. Sie dachte an ihre Wut und ihre Szenen. Und sie dachte an die schönen Augenblicke des Trosts und der Hoffnung, wenn jene Arme sie wieder umfingen und zumindest eines sicher war: man blieb zusammen. Wenn auch anders, als sie zunächst geglaubt hatte.
Neben diesen Erinnerungen, gab es noch unzählige mehr. Von erwachsenen Mädchen und mädchenhaften Erwachsenen. Von Blondschöpfen und Spielen. Von Bällen und Plänen.
Von Söldnern. Eisenfest. Kupferstark.
Von Freundschaft und Vertrauen.
Von Klingen, die für Geld, Ehre und auch für sie stritten!
Sie dachte auch an den Untergang dieses Bandes. Zerbrochen, als die Tür hinter dem Wolf ins Schloss fiel und das Ende einläutete. Und gleichsam unzählige Anfänge.
Es gab nicht genug Tränen all das zu beweinen. Aber man konnte stets darüber lächeln, sich erinnern und dankbar sein.
In diesen Momenten dachte sie an Hühnersuppe, weich wie Brei. Und sie dachte an eine warme Decke in die man gewickelt wurde.
An den König der Dummköpfe.
An Blicke und Worte.
An einen Sprung ins Meer und dem Gefühl zu fliegen und zu sterben.
An Nähe und Vertrauen.
Auch an jenen Moment, als man schmerzerfüllt in einem Krankenbett aufwachte und besorgte Augen einen erwarteten, kaum, dass man dem Tode von der Schippe gesprungen war.
Unzählige Erinnerungen. Zu viele für eine Nacht. Zu viele für ein ganzes Leben. Zu viele um dankbar genug zu sein. Und doch... zu wenige. Viel zu wenige.
Es war Sammys Schnauze, die sie aus den Gedanken riss. Warm bließ er seinen animalischen Atem gegen das nackte Bein der Frau. „Du bist also auch noch wach, alter Junge...“ Finger gruben sich sanft in sein Nackenfell und kraulten ihn, während sie wieder nach draußen blickte und dieses Fernweh spürte. Und zugleich hielt sie das Heimweh hier gefangen. Um so viele Nuancen dichter, als Sehnsucht jemals sein könnte. Es würde reichen nicht zu vergessen, das wusste sie.
So war es nichts ungewöhnliches, dass sie nach diesen Stunden der Einsamkeit in ein paar warmer, schläfriger Arme zurück kehrte und dies noch immer gerne tat.
Das Schwert 'Löwenköpfchen' über ihnen thronend als Mahnmal vergangener Fehler und Entscheidungen.
„Verdammt... deine Füße sind Eisblöcke...“, murmelte er im Halbschlaf.
„Ich weiß.“, schmunzelte sie und schob besagte Füße noch etwas dichter.
Ein Brummen. Dann wieder Schlaf.
„Ich liebe dich.“
„Hrm.“
„Schlaf gut. Und danke.“
Sie erinnerte sich an den ersten Kuss. Und sie würde sich an diesen Kuss erinnern, heimlich gestohlen von den Lippen einer schlafenden 'Prinzessin'.
Vergessen würde sie nie, die Schatten waren ihre Zeugen.
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