Gewalt gegen Personen. Psychische Gewalt? Vandalismus. Misshandlung der deutschen Sprache.
Der alte Schaukelstuhl im Kaminzimmer des Hauses knarzte, als Lineth sich darauf niederließ. Sie zog ihre Beine an, umschlang sie mit den Armen und schaukelte langsam vor und zurück. Ihr war kalt. Es war kälter geworden in ihrem Heim. Schuld war sie alleine, ihr versagen im Tal des Regens hat die ganze Familie verändert. Ihr Vater, der zuvor noch so stolz auf seine Töchter war, ließ nun jegliche Nachricht an Lineth von ihrer Schwester überbringen und ihre ohnehin schon hartherzige Mutter hüllte sich gänzlich in Schweigen. Auch wenn sie nun dem Tal der Tränen entkommen war fühlte sie noch immer die selbe vertraute Leere im Innern. Sogar Shello war nicht mehr die selbe. Man merkte ihr an, das sie immer mehr in die Pflicht genommen wurde und wesentlich mehr Verantwortung zu tragen hatte als früher. Die sorglose Kindheit fand mit Lineth's Zusammenbruch am Tag der Prüfung ein jehes Ende...
Für geschlagene zwei Stunden saß sie ohne weitere Regung in ihrem Schaukelstuhl. Der Kräutertee in ihrer Hand war bereits kalt geworden, unangetastet. Das Feuer im Kamin verglomm langsam und so entfleuchte nach und nach die Wärme aus dem Raum. Wieder knarzte es, doch diesesmal öffnete sich die Türe des Kaminzimmers. Ihre Schwester trat langsam in den Raum, Lineth registrierte sie doch sprach nicht. Seufzend ließ sich Shello auf einem der großen Herrenhaussessel nieder und starrte auf ein altes Familienporträt an der Wand. "Damals.. War alles noch wunderschön." sprach sie leise, beinahe flüsternd. Lineth wusste worauf sie anspielte, hob langsam ihren Kopf und blickte ebenfalls auf Gemälde. Einen Moment verharrten beide in Stillschweigen, dann sah Shello mit mitleidigem Blick zu ihrer Schwester. "Denke nicht, ich würde dir die Schuld geben Schwester. Diese Tradition ist es, die uns alles genommen hat.." ließ sie Lineth in bestimmendem Ton wissen. Die Augen Lineth's weiteten sich. Diese Worte überraschten sie und sogleich schien ihr gebrächlicher, blasser Körper wieder an Farbe zu gewinnen. "D- du.. stehst mir noch immer zur Seite?" flüsterte sie nun ihrerseits und Shello lächelte. Aus der Emotion heraus sprang Lineth aus ihrem Schaukelstuhl in die Arme ihrer Schwester. Es fühlte sich beinahe so an, als wäre nie etwas passiert.
Es war tiefste Nacht. Auf den langen Gängen des Gutes war es totenstill, lediglich das tapsen der Hauskatze unterbrach diese Stille von Zeit zu Zeit. Die Diener erholten sich von einem arbeitsreichen Tag, die Wachen dösten ein wenig und auch die Familie selbst schien sich zur Ruhe begeben zu haben. Aus einem Zimmer jedoch schien ein dünner Lichtstrahl durch die angelehnte Türe. Es war das Arbeitszimmer des Hausherren, Zaranach Hauser.
Plötzlich ein Schrei! Er hallte durch das gesamte Gemäuer, durch die langen Gänge bis vor jede einzelne Zimmertüre. Diese öffneten sich alle fast gleichzeitig und viele fragende, entsetzte Blicke trafen sich auf einmal. Auch Lineth hatte den Wehruf gehört, sprang in ihrem Nachthemdchen aus dem Bett und rannte auf den Flur. Sie kannte die Stimme, das war ihr Vater! Sie lief den langen Korridor entlang, die Augenpaare der neugierigen Köpfe folgten ihr bis zu der angelehnten Türe und sahen dann, wie sie hinter dieser verschwand.
Was sie dort erblickte ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Sie verfiel in Schockstarre. Dort stand ihre Schwester, wie Lineth in einem weißen Nachthemd bekleidet über dem reglosen Körper des Familienoberhauptes. Verwirrt und überfordert ließ sich das kleine Mädchen zu Boden fallen. Sie konnte ihre Augen erst von dem Hinterkopf Shellos lösen, als diese ihre rechte Hand hob in welcher sie eine Handsichel hielt. Es tropfte Blut von dem Bauernwerkzeug. Langsam schien Lineth zu begreifen und so versuchte sie zaghaft bessere Sicht auf ihren Vater zu erlangen, doch diese blieb ihr verwehrt. Mehr noch, als Shello sich langsam umwandte entglitten ihr alle Emotionen. Alle Fragen die durch ihren Kopf geisterten wurden in diesem Moment beantwortet. Ihre großen, hellgrünen Augen starrten in die des abgetrennten Kopfes ihres Vaters. Gerade waren Angst und Entsetzen dabei wieder Einzug in ihren Körper zu nehmen, da wurde ihr Schwarz vor Augen. Sie fiel in tiefe Leere. Ohnmacht.
Es war warm. Nein, gar heiß. Die Hitze trieb wieder Leben in ihren Leib und zögerlich kam sie wieder zu sich. Ihr Blick war getrübt, um sie herum dicker Rauch. Sie versuchte sich aufzurichten, begriff dabei, dass sie sich im Garten des Gutes befand und erneut war sie verwirrt. Als sie es endlich schaffte sich vom matschigen Rasen zu erheben, sah sie die Flammen. Das Haus, ihr Heim brannte lichterloh! Hilfesuchend warf sie ihre Blicke in jeden Winkel, doch die einzige Person die sie sah war Shello. Nicht weit entfernt von ihr, nicht weit entfernt des brennenden Gebäudes stand sie. Noch immer hielt sie den Kopf ihres Vates und die Handsichel, doch anstatt zu schweigen lachte sie. Es war ein krankhaftes Lachen, ein Lachen der Genugtuung und das Feuer im Hintergrund, sowie das Mondlicht dieser Nacht, erweckten einen Moment wie aus einer Gruselgeschichte zum Leben. Von einer Sekunde auf die andere verklang es jedoch. Ein letztes mal betrachtete Shello das Gesicht Zaranach's, dann sah sie auf und warf das Haupt ihres Vaters in die tosenden Flammen. Als hätte sie ihr Werk vollendet wandte sie sich ab und ging langsamen Schrittes auf ihre Schwester zu. Lineth stiegen die Tränen in die Augen, sie fiel auf die Knie und jammerte fürchterlich. Sie flehte um ihr Leben, sie bettelte und schrie "Es tut mir leid Schwester, es tut mir leid!", doch dann kam es zu dem Moment, der sie ein leben lang verfolgen sollte. Shello kniete sich zu ihr hinab, warf die Sichel bei Seite und umarmte sie, als würde sie Lineth nie wieder los lassen wollen. "Es ist vorbei Schwester.. Jetzt gibt es nur noch dich und mich."
Kommentare 2
Ovy
Das ist ganz schön eskaliert! :O
Sam Quincy Autor
Das kann man durchaus so sagen!
Allerdings ist das nicht von heut auf morgen passiert sondern hat sich angestaut