Es war der 5te Brief unter welchen Taylah ihre geschwungene Unterschrift setzte und anschließend den Siegelring in das warme, weiche Wachs drückte. Auch dieses fertige Schreiben wanderte zu dem Rest der Post, welche sie heute erledigt hatte und noch am selbigen Tag per Bote auf den Weg gehen würde. In den Tagen ihrer Abwesenheit hatte sich viel angesammelt.
Taylah hob den Blick an und schaute auf die Stadt hinaus, die sich in emsigem Treiben befand, hatte doch die Sonne gerade ihren Zenit erreicht. Ihre Aufmerksamkeit wurde nur wenige Minuten davon gefesselt, ehe sie sich langsam in den großen Stuhl zurück sinken ließ, der ihre Bewegung mit einem leisen Knarzen vom Holz begleitete.
Unbewegt saß die Gräfin einige Minuten dar, die Arme rechts und links auf den Lehnen, fast wie eineStatur – der Sitz aufrecht und der Kopf gehoben. Schließlich aber wanderte der Blick zu der oberen Schublade. Weitere Sekunden verstrichen, ehe sie ihre Hand langsam anhob und die Schublade hinauszog um das in Leder gebundene Buch zum Vorschein zu holen.
Nachdem sie den letzten Eintrag von Brandon zur Kenntnis genommen hatte, griff sie zu ihrer dunkelroten Schreibfeder, deren Stiel mit Gold überzogen war und sogar ein kleines, verschnörkeltes „L“ eingraviert hatte. Perfektion bis ins letzte Detail, so war es schon immer im Leben der Locksley Geschwister gewesen. Benetzt mit frischer Tinte setzte die Feder an und das leise Kratzen auf dem Pergament erfüllte als einziges den Raum.
Ich habe viel von die verlangt in den letzten Tagen und ich habe mich gefragt, ob es vielleicht zu viel war. Deine Reaktion auf die Antwort war gerechtfertigt, doch hat sie mir auf einprägende Weise gezeigt wie sehr es dich bewegt. Verzeih mir. Wenn du mir sonst Dinge nachtragen musst, doch verzeih mir diesen Tag. Ich halte an meinen Entscheidungen in diesem Thema fest und ich verspreche dir, es wird einst, vielleicht sogar sehr bald ein Ende haben. Vergesse nicht, dass ich immer auch an dich denke.
Ich bin mit den Entwickelungen unzufrieden, mit den Ausmaßen und Dingen die getan werden müssen. Ich weiß, dass du mit vertraust, doch muss ich dir sagen, dass ich mit mir selbst manchmal im unreinen bin, was die weiteren Wege angeht. Ich bin bereit viel zu tun, doch die Grenzen will ich nicht überschreiten. Doch nun genug von diesem leidigen Thema, das ohnehin einen viel zu großen Schatten über uns legt.
Der Abend gestern war eine Erholung nach den Tagen im Fort und all dem Elend, welches es mit sich brachte. Ich habe lange kein Glas Wein mehr so genossen, ich hoffe es geht dir ähnlich. Doch eigentlich kenne ich diese Antwort, also ist es nur eine weitere Frage, die nicht gestellt werden muss. Ich mag es nicht zugeben wollen, doch dir kann ich es sagen. Es hat an meinen Kräften gezerrt, nicht nur physisch sondern auch an meinen Nerven. Doch sollst du wissen, dass du dich nicht schuldig deswegen fühlen musst, es gibt nichts das wieder gut gemacht werden müsste. Ich gehe dahin wo du hin gehst, wie immer und die Erinnerungen beginnen bereits zu verblassen, nur ein weiteres Ereignis, das sich in unserer Geschichte niederschreibt.
Ein erneuter Blick galt nun dem Panoramafenster, diesmal in eine unbestimmte Weite, welche zum Horizont führte. Mit ihren Gedanken beschäftigt saß sie dort, überlegend welche Worte sie ihrem Bruder noch mitgeben wollte. Wie immer sah auch Taylah in gewissem Maße perfekt aus. Ihr blonder Schopf lag glatt gekämmt an ihrem Rücken an, kein einziges Haar war da, wo es nicht hätte sein sollen. Die Kleidung war auf den Leib geschneidert und mit ausgewählten Schmuckstücken verfeinert, die ihre Eleganz gnadenlos zu unterstreichen zu vermochten. Einen äußerlichen Fehler an der Gräfin zu finde oder gar ein Makel, war beinahe unmöglich. Nur sie selbst wusste ganz genau um ihre Fehler. Nachdem einige Momente nachsinnend verstrichen waren, setzte sie wieder an.
Auch ich musste nochmal an unser Gespräch von vor einigen Tagen denken. Ich habe mich gefragt, was Vater dazu gesagt hätte. Eine der wenigen Antworten die ich mir nicht zufriedenstellend beantworten kann. Ich habe sonst wohl nie jemanden getroffen, der in seinen Lebensansichten so eigen war wie er. Doch ich kam zu dem Entschluss, das nur wir beide damit im reinen sein müssen. Wir sind keine Rechenschaft schuldig, auch ihm nicht.
Ich bleibe meiner Haltung treu: Ich bereue nicht.
Tay
Vorsichtig pustete sie über die Seite und ließ das Buch dann zuschnappen um es wieder an seinen angestammten Platz zu legen. Genug der Arbeit für heute, genug des Papierkriegs. Alle anderen würden auf ihre Antwort warten müssen, sie würde jene Briefe beantworten wenn es ihr danach düngte. Langsam erhob sie sich vom Stuhl und verließ das Arbeitszimmer, immerzu begleitete das leise Rascheln des Stoffen ihre Bewegungen und Schritte, bis jene schließlich auf der Treppe verhallten und das Arbeitszimmer der Mittagssonne überließen.