Er schrie. Gefühlt schrie er nun schon seit Stunden und doch waren es nur Minuten.
Die Standpauke schien für Taylah kein Ende zu nehmen. Sie hatte ihre Finger ineinander geschoben und drückte die Hände so fest zusammen, dass ihre Knöchel weiss vortraten. Die Füße standen 1:1 nebeneinander, wie ein Zinnsoldat. Ihr Kopf war gesenk, ebenso der Blick, welcher von den halb geschlossenen Augenlidern gänzlich verborgen war. Auch schon in diesem Alter, irgendwo zwischen Kindheit und einer jungen Erwachsenen, hatte sie gelernt sich zu beherrschen und stets die Haltung zu wahren. Doch es ging nicht mehr, nicht jetzt. Die grollende Stimme ihres Vater schwoll mit jedem Wort mehr an, jede scharfe Silbe versetzt ihr einen kleinen Schlag, welcher sie innerlich erzittern liess.
Sie kämpfte, doch mehr und mehr konnte sie spüren wie es in ihrer Brust zu brennen begann. Sie durfte nicht weinen! Doch schon im nächsten Moment kroch das Brennen ihre Kehle hinauf, erbarmungslos und da waren sie, die warme Tränen die langsam über ihre zarten Wangen liefen. Taylah presste die Lippen zusammen, es würde ihn noch wütender machen wenn sie weinte. Und ja, seine Stimme überschlug sich. Sie hob ihre Lider, ihr Blick huschte an der hochgewachsenen Gestalt ihres Vaters empor. In diesem Moment schien er ihr noch viel größer als sonst. Sein Gesicht, welches ohnehin gerne den Ausdruck eines Raubvogels besaß, war wutverzerrt. Nur wenige Sekundenbruchteile schaffte sie es ihn anzuschauen.
Sie hatte das Gefühl die Wände des Arbeitszimmers waren zusammengerückt, als würde der Raum schrumpfen und ihr Vater immer mehr über sie wachsen, wie ein drohender Schatten. Sie nahm längst keine Worte mehr wahr, nur noch die Stimme, welche sich zu einem tosenden Meer erhob. Ein Sturm, der jede Luft zum atmen nahm.
Wieso diese Standpauke? So schlimm war es nicht, was sie angestellt hatte. Doch Vater war verblendet, das wusste sie. Dennoch war dies kein Trost, der es hätte besser machen können. Seit dem Tag da sie Mutter zu Grabe getragen hatte, war er verbittert. Meist war er teilnahmslos und kümmerte sich kaum um andere Belange als sein eigenen, die Hure an seiner Seite oder dem Dienst an der Königin. Seine Kinder bemerkte er hingegen kaum noch.
"AUS MEINEN AUGEN", dies waren die Worte, welche Taylah aus ihrer entsätzlichen Starre rissen. Ohne aufzublicken machte sie zwei Schritte rückwärts, dann drehte sie sich gänzlich um. 1, 2, 3 Schritte bis zur Tür....sie riss jene auf und dann rannte sie. Rannt die langen Gänge des Anwesens entlang, dessen deckenhohen Fenster warmes, herbstgoldenes Sonnenlicht hineinfluten liess. Sie bemerkte davon nichts. Ihr kalter Atem begann in der Kehle zu brennen. Es gab nur ein Ziel.
Die Tür von Brandons Zimmer flog auf und ohne ein weiteres Wort stürmte Taylah in das Zimmer, warf sich auf das Bett. Ihr Kopf vergrub sich in seinem Kissen. Nur aus den Augenwinkeln hatte sie wahrgenommen das Brandon an seinem Schreibtisch saß. Es verstrichen nur Sekunden, dann spürte sie wie sich das Bett bewegte, wie die Matraze sich unter der Last seines Körpers bog. Er legte sich neben sie und als sie seine Hand auf ihrem Rücken spürte, kam der erste Trost. Endlich. Er nahm sie in den Arm, Worte waren nicht nötig damit sie einander verstanden. Taylah weinte zudem nur unverständliches in die Kissen. Er war da. Natürlich war er da! Selbst in diesem zarten, jugendtlichen Alter war es schon zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Etwas, das nie jemand nachempfinden konnte, der es nicht erlebt hatte.
Er hatte versprochen und er hatte gehalten. So würde es immer sein.
Er hatte viel Geduld mit ihr und er hatte es letzlich geschafft sie zu beruhigen. Es war schon spät in der Nacht, der Himmel überzogen von klaren Sternen, als sie noch wach im Bett lagen. Sie redeten und lachten und mit jeder Minute die verstrich wich auch dieses Erlebnis in den Hintergrund. Der wichtigste Mensch in ihrem Leben lag hier neben ihr.